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18. Juli 2015 | Worte des Bewegungsleiters | 

Die Peripherien der Gesellschaft sind oft ganz nah


Jubiläumsmotiv 2015 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Kiess)

Jubiläumsmotiv 2015 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Kiess)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt-Bewegung!

Zu Beginn dieses Monats feierte die Kirche das Fest Mariä Heimsuchung. Maria macht sich auf den Weg über das Gebirge, um bei ihrer Verwandten Elisabeth zu sein, die wie sie selbst ein Kind erwartet. Die uns vertraute und anheimelnde Geschichte der beiden Frauen, die guter Hoffnung sind, ist eingebettet in eine äußerlich sehr extreme Rand–Situation. Schwangerschaft außerhalb der Ehe war damals wie auch heute in manchen Ländern lebensbedrohlich – Steinigung konnte die Strafe dafür sein. Als junges Mädchen allein mehrere Tage über das Gebirge gehen, war eine gefährliche Unternehmung. War es Angst in ihrer ungeplanten Schwangerschaft, war es Sorge um die ältere Verwandte, die Hilfe brauchen konnte, war es das Bedürfnis, jemanden zu haben, der einen versteht und mit dem man über alles sprechen kann …?

Es war keine Kurzschlussreaktion, als Maria sich für diesen Weg entschied. „Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg …“ (Lk 1,39). Sicher war ihre Entscheidung überlegt und durchbetet, gleichzeitig von einer Natürlichkeit und Spontaneität geprägt, die den Charme der Geschichte ausmacht. Es kommt zu einer herzlichen menschlichen Begegnung, die gleichzeitig in der Tiefe von Gottes Geist geprägt ist. Die beiden Kinder im Mutterleib treffen das erste Mal aufeinander und reagieren erfreut; und der Heilige Geist offenbart Elisabeth, dass Maria „die Mutter des Herrn“ ist. Auf dem Hintergrund dieser freudigen intimen Begegnung, verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit – sozusagen an der Peripherie der Weltgeschichte –, singt Maria das Magnifikat, das die Erwartung ausdrückt, dass Gott eine ganz neue Gesellschaftsordnung aufrichten wird.

In dieser Art der menschlichen Begegnung ist Gott anwesend. Hier finden wir den inneren Kern, den Anfang und die Wesensart einer besseren Welt. Sie beginnt dort, wo wir Menschen in unserem Land begegnen, sie annehmen, egal ob sie im Zentrum stehen oder an den Rändern, und die gemeinsamen Wege gehen, die möglich sind. Die Peripherien der Gesellschaft sind oft ganz nah. Eine allein stehende Frau wohnt in einem hellhörigen alten Gebäude in der Altstadt. Notgedrungen hört sie und erlebt mit, wie die Menschen leben und leiden: Eine Nachbarin ist nach Jahren von Alkoholkonsum in ihrer völlig verwahrlosten Wohnung tot aufgefunden worden. Eine andere ohne erkennbaren Lebensinhalt schlägt sich mit ein paar Putzjobs durch; in der Ehe der nächsten kriselt es – fremde Männer gehen ein und aus. Menschen verschiedener Nationalitäten haben noch keinen Halt in unserer Gesellschaft gefunden. Immer mehr Flüchtlinge kommen dazu. Man kann es ahnen: Es braucht ein übermenschliches Maß an Liebe. Mit dem „Liebesbündnis für die Menschen in unserem Land“ haben wir den Nerv der Zeit getroffen. Aber leicht kann es zur Überforderung werden. Wir können nur die Liebe Gottes weitergeben, die wir selber geschenkt bekommen – dort, wo wir hingestellt sind.

Schönstatt im Aufbruch

Bei der Pfingstkonferenz im vergangenen Mai hier in Schönstatt fragten Vertreter der Schönstatt–Bewegung aus allen Kontinenten nach dem, was die internationale Schönstattfamilie durch das Jubiläum als Auftrag für die Zukunft erkennt. Schnell war klar, dass wie beim Jubiläum selbst trotz der sprachlichen und kulturellen Unterschiede und der Vielfalt der jeweiligen Schönstatt–Bewegungen etwas großes Gemeinsames da ist: Wir sind eine Familie, wir verstehen uns in der Tiefe, wir bringen Wohlwollen füreinander mit und die Bereitschaft zum gemeinsamen Tun. Das Schönstatt der neuen hundert Jahre wird noch apostolischer sein! Die Delegierten überschrieben das Abschlussdokument, das ein Start–Dokument ist, mit „Schönstatt im Aufbruch“. Dieses Memorandum bringt die erlebte Einheit und die Gnade des Jubiläums sowie den gemeinsamen Willen für die Zukunft ins Wort: „Eine neue Epoche unserer Geschichte hat begonnen. Erfüllt von missionarischem Geist bieten wir allen Menschen über alle Grenzen hinweg – bis an die Peripherien der Gesellschaft – das Liebesbündnis als Weg und Hoffnung an.“

Was kann das heißen im Blick auf die Situation unserer Schönstattfamilie in Deutschland, auch auf dem Hintergrund unserer Kirche, unserer Pfarreien, Gruppen und Kreise? Wir können die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass wir kleiner werden und oft wenige äußere „Erfolge“ haben … Aber ich meine, dass wir deswegen nicht mutlos zu werden brauchen. Der Anfang Schönstatts, der Anfang der Kirche war kleiner. Pater Kentenich und ein paar Jungen. Ein Engel, der das Ja der demütigen Magd erbittet. Gottes Reich wird gebaut auf jede kleine, wahre, liebevolle Beziehung. Weniger werden bedeutet, dass wir uns näherkommen sollen und die Qualität unseres Miteinanders wachsen soll. Der Gott der Geschichte wird uns führen und wir lassen uns führen, tragen aber nicht die Verantwortung, dass alles so bleiben muss, wie es war, oder wie und wann Gott uns welche Türen aufmacht, wen Er berufen möchte und wie Sein Werk – das Werk der Gottesmutter – weitergeht.

Auf der Pfingstkonferenz konnten noch nicht die ganz konkreten Schritte vereinbart werden. Das wäre zu früh. Uns fehlen noch die geeigneten internationalen Strukturen und Möglichkeiten. Aber jeder ist nach Hause gegangen mit der Frage: Wie sieht es bei uns aus, was kann unser Beitrag sein? Genauso fragen auch wir. Ich erlebe die Schönstatt–Bewegung in Deutschland in einer Phase der Standortbestimmung und Neu–Orientierung. Es war ein guter Schritt, dass wir im März eine erste Delegierten–Tagung unserer Schönstatt–Bewegung hatten, die sich in verschiedene Bereiche vortastete: die Realität unserer Bewegung vor Ort mit der Sorge um unsere Zentren, die Veränderungen in den Gliederungen, die größere Vielfalt in den Formen und die vielen Projekte, die es auch bei uns gibt. Wir stellten uns den aktuellen gesellschaftlichen und kirchlichen Fragen und suchten gemeinsam nach unserer Position, die zu einer Stimme hinein in die Gesellschaft werden möchte. Wir suchten nach konkreten Schritten in der Praxis, wo wir uns gerufen fühlen zu einem gemeinsamen Handeln.

Oktober-Tage

In dieser Phase ist es besonders notwendig, dieses gemeinsam zu tun: zu suchen, den Willen Gottes erfragen, um Seinen Heiligen Geist bitten, im Dialog miteinander bleiben. Die mittelfristigen Ziele sind noch nicht klar, aber wir haben eine Richtung und können uns Schritt für Schritt vortasten. Das führt uns nach jahrelangen Überlegungen und Beobachtungen dazu, dass es eine deutliche Veränderung der früheren Oktoberwoche geben wird. Wir laden alle – Schönstätter und Gäste – zu den Oktober–Tagen nach Schönstatt ein. Am Samstag, 17. Oktober, schauen wir auf die Sendung Schönstatts in der heutigen Zeit. Der Schönstatt–Tag am 18. Oktober fällt auf den Sonntag und lädt ein zur Feier unseres Liebesbündnisses am Ursprungsort als großen Wallfahrts- und Sendungstag.

An dieser Stelle bitte ich Sie auch um Gebet für die Gemeinschaft der Schönstatt–Patres, die am 18. dieses Monats ihren 50. Gründungstag hat und im August das nächste Generalkapitel. Ebenso beten wir für das Kapitel des internationalen Familienbundes im September. Vielen Dank.

Herzlich grüße ich Sie über das Urheiligtum und erbitte Gnade und Segen!

            P. Lothar Herter

Schönstatt–Bewegung Deutschland


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