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29. April 2015 | Rund ums Urheiligtum | 

Sterben in Würde - Vortragsabend im Rahmen der „Woche für das Leben“


Aus der Charta zur Betreuung Schwerstkranker und Sterbender (Gestaltung: Hospizverein Koblenz)

Aus der Charta zur Betreuung Schwerstkranker und Sterbender (Gestaltung: Hospizverein Koblenz)

Cbre. Er lehne die Tötung auf Verlangen und den ärztlich assistierten Suizid ab, sagte Pater Dr. Heribert Niederschlag bei einem Vortragsabend zum Abschluss der „Woche für das Leben“ im Pilgerhaus Schönstatt, zu dem etwas über 50 interessierte Personen gekommen waren. Eine ganze Reihe von Tatsachen, u.a. die Geburt oder das Geschlecht seien dem Menschen vorgegeben, seien Geschick. So auch der Tod. Es gehe ihm, so der emeritierte Professor für Moraltheologie, Medizinethik und Ethik, um ein Verständnis des menschlichen Sterbens, das dessen Charakter als Schicksal gerecht werde. „In dieses Verständnis greifen die Tötung auf Verlangen und der ärztlich assistierte Suizid eigenmächtig ein“, betonte Niederschlag.

Orientierung bei einem schwierigen Thema finden

Nachdem sich die Schönstatt-Bewegung am 19. April mit einer „Gebetszeit für das Leben“ im Urheiligtum in die „Woche für das Leben“ eingeschaltet hatte, sollte die Vortragsveranstaltung unter dem Thema „Sterben in Würde“ dazu beitragen, zu einem momentan stark in den Medien und der Bundespolitik diskutierten Thema Orientierung zu geben. Schwester Marié Munz vom Projekt Pilgerheiligtum konnte neben Pater Niederschlag von der PTHV Vallendar als Referentin auch Gisela Textor, Geschäftsführerin des Hospizvereins Koblenz, begrüßen. Sie sei dankbar, so sagte Sr. Marié in der Begrüßung, dass die beiden Referenten bereit seien, über „den Umgang mit dem intimsten und existentiellsten Bereich des Menschen, seine Haltung zum Tod“, zu sprechen.

Begrüßung: Schwester Marié Munz (Foto: Brehm)

Begrüßung: Schwester Marié Munz (Foto: Brehm)

Pater Dr. Heribert Niederschlag SAC, Vallendar (Foto: Brehm)

Pater Dr. Heribert Niederschlag SAC, Vallendar (Foto: Brehm)

Publikum (Foto: Brehm)

Etwas über 50 Teilnehmer am Abend

Pater Dr. Heribert Niederschlag SAC, Vallendar (Foto: Brehm)

Niederschlag: „Bereits die Vermutung, er fiele den Verwandten zu sehr zur Last und sie warteten nur auf ein Signal des Sterbenden endlich sein Leben zu beenden, nur diese Vermutung reicht schon aus, um einen Menschen auf seiner letzten Wegstrecke in eine fürchterliche Situation zu bringen. Das darf einem Sterbenden unmöglich zugemutet werden.“ (Foto: Brehm)

Darf der Mensch sein Leben vorzeitig beenden?

Niederschlag führte aus, dass die ethische Kernfrage, ob der Mensch sein Leben vorzeitig selbst beenden dürfe, derzeit unterschiedlich beantwortet werde. So bejahe z.B. Hans Küng diese Frage und spreche von einem „glücklichen Sterben“. Walter Jens, der dies auch so vertreten habe, habe allerdings aufgrund seiner Demenzerkrankung die Chance des glücklichen Sterbens „verpasst“, gebe sich Küng überzeugt. Er selbst, so Niederschlag, lehne – mit anderen zusammen - diese Haltung ab. In überzeugender Weise und seiner ihm eigenen Art, schwierige Themen nachvollziehbar und klar, deutlich zu machen, zeigte Pater Niederschlag auf, warum aktive Sterbehilfe nicht der richtige Weg sein kann.

Der willkürlichen Entscheidung des Menschen entzogen

In monotheistischen Religionen wie dem Christentum werde davon ausgegangen, dass Gott der Schöpfer und der Mensch das Geschöpf sei, wobei der Tod den Charakter des Schicksals einnehme, der der willkürlichen Entscheidung des Menschen entzogen sei, wie so manche anderen Themen auch: gezeugt und geboren werden, als Mann oder als Frau, mit dieser und jener Begabung…

Von der Zumutung, ein Tötender zu werden

Im Unterschied zum Suizid tangierten die Tötung auf Verlangen bzw. der assistierte Suizid nicht nur den Menschen, der sterben möchte, sondern ebenso einen zweiten Menschen, dem damit zugemutet werde, ein Tötender zu werden und mit dieser Bürde auch weiter leben zu müssen, so Niederschlag. Von der Dichterin Mascha Kaléko stamme das Wort: „Bedenkt, den eigenen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der anderen muss man leben.“ Die Erinnerung an diese Tat begleite den Helfer oder Assistenten durch das ganze Leben, betonte Niederschlag eindringlich. Niederschlag: „Aktive Sterbehilfe mutet einem anderen Menschen zu, das Leben bewusst zu beenden und mit der Erinnerung daran weiterzuleben.“

Das Weiterleben rechtfertigen?

Der eigentlich entscheidende Grund liege für ihn aber in einer Frage, die den Sterbenden selbst betreffe. Sollte die aktive Sterbehilfe gesetzlich zugelassen sein und damit zur Kultur des Sterbens gehören, so könnten Sterbende angesichts blank liegender Nerven bei den pflegenden Angehörigen oder auch wegen der Kosten der Pflege abschmelzender Konten in einen Rechtfertigungsdruck kommen, sein Leben nicht vorzeitig zu beenden. Diese Situation müsse unbedingt vermieden werden. „Bereits die Vermutung, er fiele den Verwandten zu sehr zur Last und sie warteten nur auf ein Signal des Sterbenden endlich sein Leben zu beenden, nur diese Vermutung reicht schon aus, um einen Menschen auf seiner letzten Wegstrecke in eine fürchterliche Situation zu bringen. Das darf einem Sterbenden unmöglich zugemutet werden.“ Wenn immer wieder gesagt werde, du kannst dich doch verabschieden, da komme der Sterbende doch gar nicht umhin, zuzustimmen, nicht aus freier Entscheidung, sondern um andere von seiner Last zu befreien. Bundespräsident Johannes Rau habe einmal gesagt: „Wo das Weiterleben nur eine von zwei legalen Optionen ist, wird jeder rechenschaftspflichtig, der anderen die Last seines Weiterlebens aufbürdet.“ Bisher gäbe es diese zweite Option nicht und „diese unwürdige Situation müssen wir den Sterbenden ersparen, das können wir - nicht nur aus christlicher Sicht - nicht wollen“, betonte Niederschlag mit Nachdruck.

Sterben dürfen – in Schmerzfreiheit und in vertrauter Atmosphäre

Zu einem „Sterben in Würde“ gehöre unabdingbar die Gewissheit: „Ich darf sterben“. Seit den 80er Jahren sei der Wille des Patienten mitentscheidend, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten und der Natur ihren Lauf zu lassen. Aus ärztlicher Sicht Sterben zuzulassen, weil die Zeit für diesen Menschen gekommen sei, sei etwas ganz anderes als töten, führte Niederschlag weiter aus. Zudem sei die Medizin heute so weit, fast jeden Schmerz lindern zu können durch die richtige Kombination verschiedener Scherzmittel, so dass niemand unter qualvollen Schmerzen sterben müsse. Beim Umgang mit psychischen Schmerzen müsse noch besser das Zusammenspiel von Medizin und Seelsorge gelernt werden.

Durchweg wünschten sich Menschen, in vertrauter Atmosphäre sterben zu können, was dank eines engmaschigen Netzes von Palliativeinrichtungen und ambulanten sowie stationären Hospizen inzwischen ja auch möglich sei. Hier seien Ärzte und Seelsorger unaufdringlich erreichbar. Der Wunsch nach Alleinsein würde ebenso respektiert wie das Bedürfnis nach Gemeinschaft. Immer wieder eindrucksvoll sei, wie die Todesnähe sowohl Pflegende, als auch den Strebende selbst zum weiter reifen bringe. „Die Sterbephase kann nicht nur für Patienten, auch für Pflegende, auch für Ärzte, Seelsorger und Angehörige zur Phase der Reifung und Vertiefung und Sinnwerdung führen.“ Eine französische Psychologin, die über 10 Jahre in der Sterbebegleitung tätig gewesen sei, betone, dass der Tod der eigentliche Höhepunkt des Lebens sei, auch wenn er ein gewaltiges Geheimnis und ein großes Fragezeichen bleibe. Sie schreibe wörtlich: „Wir verbergen den Tod, als wäre er eine Schande. Wir sehen in ihm nur Grauen, Sinnlosigkeit, unnötiges und qualvolles Leiden, eine furchtbare Ungerechtigkeit. Und dabei ist er doch der Höhepunkt, die Krönung und der Sinn unseres Lebens, ein unschätzbares Gut.“ Früher habe sie geglaubt, sie würde Sterbende begleiten. „Heute weiß ich, sie haben mich begleitet.“

Gisela Textor, Geschäftsführerin des Hospizvereins Koblenz (Foto: Brehm)

Gisela Textor, Geschäftsführerin des Hospizvereins Koblenz (Foto: Brehm)

Was kannst du nicht mehr aushalten?

Gisela Textor vom Koblenzer Hospiz betonte in ihrem Statement, dass die Sicherheit, dass Sterben in Gottes Hand liege, dem heutigen Menschen verloren gegangen sei. „Gestorben wird immer, darüber geredet wird zu wenig!“, so Textor. Sie bedauerte, dass angesichts der demographischen Situation viele Menschen in Institutionen sterben müssten, denn „wir haben keine Familien mehr, wo es sich gut sterben lässt.“

Hospize würden sich bemühen, auf die Bedürfnisse Sterbender – nicht allein gelassen zu werden, nicht leiden zu müssen, letzte Dinge noch regeln zu können, „Menschen um sich zu haben, die es aushalten, wenn ich jetzt alles in Frage stelle“ – einzugehen und die Angehörigen weitestgehend zu unterstützen. Beim Sterbeprozess brauche es nur Menschen, die DA bleiben, die ohne Aktivismus aushalten. Es brauche Letztverlässlichkeit. Auch wenn manchmal Menschen stöhnen würden, „ich halte es nicht mehr aus“, würde die Frage, „was genau hältst du nicht mehr aus?“ den Ansatzpunkt schaffen, Abhilfe zu finden.

Leiden erträglicher gestalten

Dankbar äußerte sie sich über die rasante Entwicklung in der Hospizbewegung. Zu Beginn, in den 80er Jahren, sei es ein schwieriger Start gewesen. Inzwischen sei die Hospizbewegung aber zur zahlenmäßig stärksten Volksbewegung angewachsen mit vielen Ehrenamtlichen, dank derer sie in der Hospiz-Begleitung einen guten Personalschlüssel halten könnten. In Altenpflegeeinrichtungen mangele es vor allem in dieser Beziehung. Das Leiden brauche eine Mitleidenschaft. „Leiden werden wir nie aus der Welt schaffen können, wir können es nur erträglicher gestalten“, ist Textor überzeugt. Sterben brauche gemeinsame Solidarität und Mitleidenschaft, damit die Würde des Sterbenden weiterhin unantastbar bleibe.

Die Teilnehmer des Abends zeigten sich dankbar, zu diesem aktuellen Thema Hintergründe, Kriterien und Positionen aufnehmen zu hören, die weiterhelfen, eine persönliche Stellungnahme zur Thematik zu formulieren.


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