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25. März 2015 | Deutschland | 

Schönstätter, das sind die mit der Bündniskultur


Auswertungsgespräch der Gesprächskreise im Plenum der Delegiertentagung (Foto: Brehm)

Auswertungsgespräch der Gesprächskreise im Plenum der Delegiertentagung (Foto: Brehm)

Hbre. Die Hand an den Pulsschlag der Zeit zu legen, wie es Pater Kentenich seiner Schönstattfamilie immer wieder nahegelegt habe, darum ging es am zweiten Tag der Delegiertentagung der Schönstatt-Bewegung in Deutschland. Beim Schauen auf die Zeitströmungen, das immer mit dem Versuch verbunden sein müsse, herauszuhören, was Gott in und durch diese Zeitströmungen sagen möchte, wie Pater Dr. Lothar Penners in einer geistlichen Zeit am Beginn des Tages betonte, gehe es nicht nur darum einen Überblick zu gewinnen, sondern auch darum, sich eine Ausrichtung für das Tun zu erarbeiten.

Pater Lothar Herter (Foto: Brehm)

Pater Lothar Herter (Foto: Brehm)

Pater Lothar Herter, der den Vormittag des Tages moderierte, griff das - wie er sagte - „verhaltene Votum für die ‚Bündniskultur‘ vom Vorabend“ auf und zitierte eine Teilnehmerin, die zum Ausdruck gebracht habe, dass mit dem Wort Bündniskultur das, was Schönstatt wolle, doch ganz gut erklärt werden könne: „Schönstätter, das sind die mit der Bündniskultur. Schönstatt, das sind Menschen, die aus einem Liebesbündnis, aus dem Bund mit Gott ihr Leben gestalten, ihre Beziehungen pflegen, ihre Arbeit tun. Schönstätter sind die Leute, die in fünf Feldern der Bündniskultur arbeiten und sich engagieren. Schönstatt sind diejenigen, die mit anderen zusammenarbeiten, die ähnliche Projekte und Ziele haben und gemeinsam Gutes wollen.“ Herter lud jeden persönlich aber auch die Bewegung als Ganzes ein, die Beschäftigung mit den Themen des Vormittages als Beitrag für die konkrete Arbeit an einer Kultur des Bundes aufzufassen.

Schw. Marié Munz, Schönstatt (Foto: Brehm)

Schw. Marié Munz, Schönstatt

Flüchtlinge auf dem Weg in eine gemeinsame gute Zukunft begleiten

Der Beitrag von Schw. Marié Munz, Schönstatt, unter dem Titel „Flüchtlingsschicksale, Herausforderung und Chance für eine Kultur des Bundes“ machte deutlich, dass eine Bewegung, der es um eine lokale, seelische, örtliche und religiöse Beheimatung von Menschen gehe, in Verbindung mit dem Heiligtum als einem „Gnadenort der Beheimatung“ eine besondere Kraft aber auch Aufgabe gegeben sei, um heimatlos gewordene Menschen umfassend zu unterstützen. Flüchtlinge bräuchten „Wertschätzung im Sinne von Willkommensein, Anerkennung ihrer Werte, ihres Könnens, ihrer Kultur. Sie sind nicht nur Empfangende, sondern auch Schenkende, können Wertvolles einbringen“, so Sr. Marié, die die Zuhörer daran erinnerte, dass Papst Franziskus die Bewegung bei der Audienz anlässlich des Jubiläums ermutigt habe, an die Peripherie zu gehen. Das könne konkret heißen, sich mit Flüchtlingen und ihren Nöten zu verbünden, sich mit ihnen zu befreunden, zu ihnen zu stehen und sie auf dem Weg in eine gemeinsame gute Zukunft zu begleiten.

Dr. Christoph Lerchen (Foto: Brehm)

Dr. Christoph Lerchen

Hilfe beim Sterben, nicht Hilfe zum Sterben

Mit seinem Statement unter dem Thema „Braucht Sterben Hilfe?“ schnitt Dr. Christoph Lerchen, ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Palliativmedizin Herz-Jesu Krankenhaus Dernbach, ein „Bündniskultur“-Thema an, das im Laufe des Jahres 2015 nicht nur Politiker beschäftigt, sondern eigentlich von jedem einzelnen Menschen eine Stellungnahme erfordert. Sollte es im Rahmen der Debatte über ein selbstbestimmtes Sterben gesetzlich erlaubt werden, sich töten zu lassen, so sehe er die Gefahr, so Lerchen, dass sich „Menschen plötzlich nicht mehr von einer selbstverständlichen Solidarität ihrer Mitmenschen getragen sehen, sondern sich als unsolidarisch empfinden, wenn sie ihren Platz nicht räumen.“ Als Palliativmediziner sehe er sich einer Medizin verpflichtet, „die aus ihrem lebensbejahenden Ansatz heraus Hilfe beim Sterben anbietet, jedoch nicht Hilfe zum Sterben leistet und den Tod herbeiführt.“ Er sehe sich der Würde des Menschen zutiefst verpflichtet, die Sterben als Teil des Lebens betrachtet, und lehne aktive Sterbehilfe ab, so Lerchen.

Dr. Helmut Müller (Foto: Brehm)

Dr. Helmut Müller (Foto: Brehm)

Christentum muss wieder mehr zur „heißen“ Religion werden

Der Islam sei eine heiße Religion, sagte Dr. Helmut Müller, Vallendar, Akademischer Direktor für systematische Theologie an der Universität Koblenz-Landau, in Anlehnung an Rüdiger Safranski, der u.a. behaupte, dass aus dem Christentum weitgehend „das kalte Projekt der Zivilreligion“ geworden sei, nur noch interessant als „spiritueller Flankenschutz bei der Bewältigung innerweltlicher Probleme, vor allem Moral, Schicksal und Sinn betreffend“. Gläubige Muslime würden Allah als Herrn des Schicksals anerkennen (Inschallah), auch wenn der Schicksalsschlag noch so hart ausfalle (Kismet). Mit der Formel, mit der muslimische Gläubige ihre Gebete einleiteten (Bismillah), stellten sie auch ihre alltäglichsten Handlungen unter den Namen Allahs, des Gütigen, des Barmherzigen. Tragisch sei, dass der Schriftzug auf der schwarzen Flagge des IS gerade dieses „Bismillah“ darstelle. Das Christentum habe aber das Zeug dazu „weiterhin heiße Religion zu sein“ sagte Müller. Die Barmherzigkeit Gottes zeige sich im Christentum nicht erst am jüngsten Tag, sondern schon im nächsten Beichtstuhl. Christen dürften sich auch als Kinder Gottes und nicht als Knechte Gottes verstehen, die einen liebenden himmlischen Vater haben, dem gegenüber sie auch mal aufmucken und an ihn Liebesansprüche stellen dürfen. Auch wenn der Islam derzeit „überhitzt“ daher komme, könne das Christentum sich davon inspirieren lassen wieder zu einer heißen Religion zu werden, „die ihre Inspiration von woanders her bezieht und nicht aus einem Durchschnittsgebräu von Auffassungen“, betonte Müller.

Regens Martin Emge (Foto: Brehm)

Regens Martin Emge (Foto: Brehm)

Seelische Beheimatung in offenen Armen und Herzen ist nötig

„Was braucht die deutsche Kirche in den nächsten Jahren?“ mit dieser Frage beschäftigte sich Regens Martin Emge, Bamberg, in seinem Statement. Aus dem Blickwinkel seiner Erfahrungsfelder und nach der Krankheitsdiagnose von Papst Franziskus brauche die Kirche eine mehrfache Weitung, so Emge. So müsse die Kirche geschwisterlicher werden, dialogfreudiger und – wie Maria – hörend, tastend und hinschauend auf das, was den Menschen fehlt. Es brauche eine experimentierfreudige und charismatische Kirche, in der hauskirchenähnliche Gebilde und Gruppen „das Leben aus der Kompetenz das Taufpriestertums mit der Heiligen Schrift und dem persönlichen Gebet, dem Lebensaustausch und der gemeinsamen Geisterfahrung“ förderten. Weiter, so Emge, brauche es eine glaubwürdige, authentische und „durch und durch werktagsheilige, arme und pilgernde Kirche, die an den sozialen Brennpunkten nahe beim Menschen“ sei. Angesichts immer größerer Seelsorgeeinheiten, eines immer mehr um sich greifenden totalen Relativismus und des Verlustes eines tragenden Wertsystems, komme den Schönstattzentren künftig noch mehr als bisher die Aufgaben zu, „in einer säkularen Landschaft geistliche Biotope und katechetische Zentren für eine umfassende Basisevangelisierung zu sein.“ Dabei sei an den Schönstatt-Zentren, die sich als „heilige Orte des Ruhens in Gott und bei der Mutter“ bewähren dürften, „eine seelische Beheimatung in offenen Armen und Herzen nötig, völlig frei von versteckten Erwartungen oder Versuchen, Mitglieder zu werben.

Schwester Andra-Maria Lingscheid (Foto: Brehm)

Schwester Andra-Maria Lingscheid (Foto: Brehm)

Heiligtumsgnaden sind alternative Energien für die deutsche Kirche

Der Gnadenort, die Berührung mit dem Heiligtum, die kleine Kapelle und ihre Wirkung, das habe beim Jubiläum besonders gezündet, betonte Provinzoberin Schwester Andra-Maria Lingscheid, Schönstatt, in ihrem Statement zum Thema „Schönstattzentren – Alternative Energien für die deutsche Kirche“. Das Urheiligtum und mit ihm verbunden alle Schönstatt-Heiligtümer in der Welt, hätten im Jubiläumsjahr eine starke Anziehungskraft entfaltet. Zwar müssten gerade in Deutschland die enormen Herausforderungen und die Fragen um die Zukunft der Schönstatt-Zentren realistisch in den Blick genommen werden, doch sei es die Schönstatt-Bewegung der Gottesmutter und den himmlischen Bündnispartnern schuldig, „gleichzeitig auf die große Resource zu schauen, die sich mit dem Netz unserer Heiligtümer verbindet“. Das Jubiläum habe wie ein Riesenscheinwerfer beleuchtet, „dass die Gottesmutter die Heiligtümer als Kompetenzzentren gebraucht, um von hier aus eine Welle der geistlichen Erneuerung in die Gesellschaft und Kirche zu leiten“, so Schwester Andra-Maria.

Schwester M. Vernita Weiß (Foto: Brehm)

Schwester M. Vernita Weiß (Foto: Brehm)

500 Jahre Trennung sind genug

Mit der Veröffentlichung von Martin Luthers Thesen vor fast 500 Jahren sei es zur Reformation und damit zu einem Ereignis gekommen, „das in seinen Auswirkungen auf Politik, Religion, Kultur und Gesellschaft von weltgeschichtlicher Bedeutung ist“, betonte Sr. M. Vernita Weiß, Oberkirch, in ihrem Statement unter dem Thema „500 Jahre Trennung sind genug“. Dass Schönstatt sich gerade jetzt, im unmittelbaren Vorfeld des Reformationsgedenkens, in einer Zeit zunehmender Säkularisation, in der Gott und damit das christliche Menschenbild z.B. aus Bildungsplänen gestrichen werden, mit der Frage beschäftige, „wie sich unsere Bundes- und Bündnisspiritualität in die Zukunft entwickeln kann“, sei möglicherweise als Zeitenstimme Gottes zu betrachten. Die Schönstatt-Bewegung sei nach einem Besuch von Chiara Lubich und Andrea Riccardi 1999 in Schönstatt zum ökumenischen Netzwerk „Miteinander für Europa“ gestoßen und habe im Verlauf der letzten Jahre immer mehr eine mitgestaltende Rolle in diesem Netzwerk übernehmen dürfen. Dieses ökumenische Netzwerk fokussiere das Verbindende und nicht das Trennende im Miteinander der Kirchen, betonte Schwester Vernita in ihrem Statement. In diesem Sinne wolle das Netzwerk am „Vorabend“ des Reformationsgedenkens durch einen Kongress und eine Großkundgebung „ganz im Sinne der Ökumene des Lebens“, Zeugnis geben für eine Kultur des versöhnten Miteinanders und für ein christliches Europa. Der Kongress mit etwa 2.500 Teilnehmern findet vom 29. Juni bis 1. Juli 2016 im Zirkus Krone Bau, München, statt. Am 2. Juli 2016 laden die Bewegungen und geistlichen Gemeinschaften zu einer Kundgebung auf dem Marienplatz ein. Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, und Bischof Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, haben bereits ihre Unterstützung und Mitwirkung zugesagt. Sr. Vernita: „Der ganze Prozess wird getragen von Menschen, die sich aufeinander einlassen und als Wort für diesen Vorgang wurde das Wort ‚Befreundung‘ geprägt. Spätestens hier merken wir eine hohe Affinität zu unserer Spiritualität, zur Bündniskultur.“ Das Reformationsgedenken sei eine Zeitansage, auf die die Schönstatt-Bewegung mit ihrer Kernkompetenz, dem Liebesbündnis, antworten könne.

Plenum der Delegiertentagung im Filmsaal des Pater-Kentenich-Hauses, Berg Schönstatt (Foto: Brehm)

Plenum der Delegiertentagung im Filmsaal des Pater-Kentenich-Hauses, Berg Schönstatt (Foto: Brehm)

Gesprächsrunden und Workshops

Den Statements folgten Gesprächsrunden mit den Referenten zu den Themen ihrer Statements am Vormittag. Am Nachmittag standen Workshops im Mittelpunkt, die sich mit Projekten aus den fünf Feldern der Bündniskultur (Jugend, Familie, Pädagogik, Kirche, Gesellschaft) beschäftigten mit dem Ziel, konkrete Vorschläge für die Weiterarbeit im Sinne einer „missionarische Entscheidung“ (P. Heinrich Walter am 18.10.2014) zu erarbeiten.


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