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4. November 2013 | Fest 2013 | 

Zollitsch: Das leben, was man verkündet


Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Freiburg (Foto: Brehm)

Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Freiburg (Foto: Brehm)

Hbre. Die Schönstatt-Bewegung ist am 18. Oktober in ihre 100-Jahr-Feier gestartet. Unter den Mitfeiernden und Mitwirkenden war auch Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und selbst Schönstätter. Am 20. Oktober, der im Rahmen des Festes der deutschen Schönstatt-Bewegung unter dem Motto "Schönstatt im Dialog" stand, hat Zollitsch in der Mittagszeit der Rhein-Zeitung Koblenz das nachfolgend mit freundlicher Genehmigung der RZ Koblenz veröffentlichte Interview gegeben, das am Samstag, 2. November, in der Rhein-Zeitung erschienen ist.  Die Fagen stellte Michael Defrancesco.

Herr Erzbischof, wie geht es Ihnen persönlich in diesen Tagen?

Es ist eine anstrengende Zeit. Wir sind innerhalb der Kirche in einer Umbruchsituation. Der Weg nach vorn beschäftigt uns sehr. Wir wollen eine hörende, dienende und pilgernde Kirche auf dem Weg in die Zukunft sein. Es sind Zeiten der Herausforderung und Zeiten, in denen auch Neues wachsen kann. Darauf vertraue ich, dass Gott sich gerade auch in schwierigen Situationen zeigt. In dieser Gewissheit stelle ich mich den Herausforderungen.

Erzbischof Zollitsch im Interview mit Michael Defrancesco, Rhein-Zeitung Koblenz (Foto: Brehm)

Erzbischof Zollitsch im Interview mit Michael Defrancesco, Rhein-Zeitung Koblenz (Foto: Brehm)

Sie sind zum Feiern nach Vallendar gekommen: Was feiern Sie an Schönstatt besonders?

Ich freue mich sehr, dass wir das 100-jährige Bestehen der Bewegung gemeinsam vorbereiten können. Ich bin selbst als Jugendlicher in die Schönstatt-Familie hineingewachsen und lebe seit 1956 in der Bewegung mit. Es ist beeindruckend, wie Schönstatt-Gründer Pater Josef Kentenich vor 99 Jahren kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit Jugendlichen beschloss, einen neuen Weg in der Kirche zu gehen: „Wir wollen uns unter dem Schutze Mariens selbst erziehen zu festen, freien, priesterlichen Charakteren.“ Diese Freiheit hat mich an Schönstatt begeistert, und auch ich wollte damals versuchen, den Weg zu gehen, den Gott durch meine Talente in mir angelegt hat. Und zwar an der Hand Mariens, die uns zu Christus führen will. Mir gefällt an Schönstatt auch, dass wir uns nicht nur zum gemeinsamen Beten treffen, sondern dass man immer auch für andere da ist und einen Blick nach außen hat, dass wir gemeinsam die Welt christlicher gestalten wollen.

"Als Bischof spüre ich, dass sich viele Menschen durch meinen Glauben getragen wissen" (Foto: Brehm)

"Als Bischof spüre ich, dass sich viele Menschen durch meinen Glauben getragen wissen" (Foto: Brehm)

Als freier Charakter – also als mündiger Christ?

Ja! Ich habe den Glauben durch meine Eltern kennengelernt und habe mich getragen gefühlt. Später als Priester und heute als Bischof spüre ich, dass sich viele Menschen durch meinen Glauben getragen wissen. Und in der Schönstattbewegung tragen wir uns gegenseitig im Glauben. Das ist wichtig in der heutigen säkularen Welt, in der viele nicht mehr selbstverständlich in den Glauben hineinwachsen. Wie erfahre ich ganz persönlich Gott in der heutigen Welt? Da haben wir in Schönstatt das Geschenk der Spurensuche: Wie entdecke ich in den kleinen Dingen des Alltags, dass Gott bei mir ist und mir den Weg weist?

Pater Kentenich spricht vom „erzogenen Erzieher“: Wie wichtig ist es für Bischöfe, Vorbild zu sein?

Wir können die Botschaft des Evangeliums an anderen Menschen ablesen, an ihrem Leben und Handeln. Das sind zuerst unsere Eltern, aber auch Lehrer und nicht zuletzt wir Priester und Bischöfe. Und da erfahren wir: Unsere persönlichen Grenzen können auch ganz schnell zu Grenzen der Verkündigung werden. Wenn ich als Person Menschen enttäusche, dann kann es sein, dass sie deshalb vom Glauben enttäuscht sind. Und an den Fehlern eines Bischofs können die Gläubigen irre werden. Das ist so ähnlich wie damals, als ich als Heranwachsender erkannt habe, dass meine Eltern nicht fehlerlos sind. Das ist hart. Für mich als Bischof heißt das, dass ich mich sehr bemühen muss, das zu leben, was ich verkünde. Papst Franziskus sagt von sich selbst: „Ich bin ein Sünder.“ Man bleibt oft hinter der Liebe Christi zurück. Aber es gibt auch hier den Weg der Barmherzigkeit Gottes, und man braucht die Bereitschaft zur Umkehr.

Zollitsch: "Von den Familien hängt die Zukunft unserer Gesellschaft ab. " (Foto: Brehm)

Zollitsch: "Von den Familien hängt die Zukunft unserer Gesellschaft ab. " (Foto: Brehm)

Sie betonen stark die Bedeutung der Familie zur Glaubensvermittlung. Was können Sie tun, um die christliche Familie zu stärken?

Viele Menschen scheuen heute Bindungen. Es entsteht bisweilen der Eindruck: Man lässt sich eher ein Tattoo stechen, das lebenslang zu sehen sein soll, als dass man eine lebenslange Bindung zu einem anderen Menschen eingeht. Da geht viel verloren. In Schönstatt setzen wir dagegen einen positiven Akzent: Wir investieren viel in die Ehevorbereitung, in die Begleitung von Paaren – nicht nur in Krisensituationen. Und dann können wir als Kirche zeigen, dass auch Menschen, deren Ehe gescheitert ist, zu uns gehören und dass wir einen pastoralen Weg mit ihnen gehen. Wenn eine Ehe scheitert, ist das eine Tragik, und natürlich gilt der Satz: „Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen.“ Aber die Frage ist: Wie finde ich für diese Menschen einen Neuanfang? Darüber sprechen wir derzeit in der Kirche, und ich bin Papst Franziskus dankbar, dass er im nächsten Jahr zu genau diesem Thema eine Bischofssynode einberuft. Da wollen wir unser Anliegen intensiv einbringen. Pater Kentenich spricht von Ehe und Familie als „Fundament und Krone“. Von den Familien hängt die Zukunft unserer Gesellschaft ab. Deshalb sollten wir uns mit aller Kraft für sie einsetzen und sie stärken – in der Kirche, aber auch in Politik, in der Gesellschaft und Wirtschaft.

Das Gespräch führte Michael Defrancesco, www.rhein-zeitung.de

RZ Koblenz und Region vom Samstag, 2. November 2013

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