Nachrichten

23. September 2011 | Papstbesuch | 

Papstbesuch: Ökumenisches Treffen im evangelischen Augustinerkloster


Papst Benedikt XVI. beim ökumenischen Gebet in Erfurt  (Foto: domradio.de)

Papst Benedikt XVI. beim ökumenischen Gebet in Erfurt (Foto: domradio.de)

dbk.de. Neben einer Begegnung mit muslimischen Repräsentanten am Morgen in der Nuntiatur in Berlin stand das ökumenische Treffen mit evangelischen Repräsentanten auf dem Programm des zweiten Besuchstags von Papst Benedikt XVI. in Deutschland. Bei der nichtöffentlichen Begegnung mit Vertretern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Kapitelsaal des Augustinerklosters nannte Benedikt XVI. den „Säkularisierungsdruck“ als gemeinsame Herausforderung der Kirchen. Von innen gelebter Glaube sei die „stärkste ökumenische Kraft“, die zueinander führe. Zugleich warnte der Papst davor, dass die Kirchen ihre „großen Gemeinsamkeiten“ verlieren könnten. Benedikt XVI. zeigte sich besorgt über eine „neue Form des Christentums, die sich mit einer in ihren Formen manchmal beängstigenden missionarischen Dynamik ausbreite. Aus Sicht des Papstes „muss der Glaube heute neu gedacht und vor allem neu gelebt werden“. In persönlich gehaltenen Sätzen würdigte Benedikt XVI. Martin Luther als Mann des Glaubens. Dessen zentrale Lebensfrage „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“ treffe auch ihn immer wieder neu, bekannte der Papst.

Ökumenisches Gespräch im Augustinerkloster in Erfurt  (Foto: domradio.de)

Ökumenisches Gespräch im Augustinerkloster in Erfurt (Foto: domradio.de)

„Getrennt gewachsene Traditionen als gemeinsame Gaben zu verstehen“

Der Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, rief bei der  Begegnung - auch mit Blick auf konfessionsgemischte Ehen – dazu auf, „getrennt gewachsene Traditionen als gemeinsame Gaben zu verstehen“. Ein „großer Fortschritt“ sei, dass der Glaube in vielerlei Hinsicht bereits gemeinsam gelebt werde. Schneider würdigte den Anteil des Papstes am Zustandekommen der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999. Zugleich verwies er auf die inzwischen wechselseitige Anerkennung der Taufe und sagte: „Darauf können wir bauen und weitere konkrete Schritte zu mehr Gemeinsamkeit wagen.“ Mit Blick auf das bevorstehende Reformationsgedenkjahr schloss der Ratsvorsitzende mit der Bitte an den Papst, den 31. Oktober 2017 als ein „Fest des Christusbekenntnisses zu verstehen und mit den Kirchen der Reformation zu feiern“.

Die unantastbare Würde des Menschen verteidigen

Im ökumenischen Gottesdienst rief Benedikt XVI. in der Klosterkirche Katholiken und Protestanten auf, sich gegenseitig im Glauben zu stärken. Dazu gehöre etwa das gemeinsame Eintreten für christliche Werte in Politik und Gesellschaft: „Wir leben in einer Zeit, in der die Maßstäbe des Menschseins fraglich geworden sind. Ethik wird durch das Kalkül der Folgen ersetzt. Demgegenüber müssen wir als Christen die unantastbare Würde des Menschen verteidigen, von der Empfängnis bis zum Tod – in den Fragen von PID bis zur Sterbehilfe.“

Angesichts hoher ökumenischer Erwartungen im Vorfeld des Papstbesuchs erklärte das katholische Kirchenoberhaupt, dass im Zuge politischer Staatsbesuche häufig Verträge und Kompromisse ausgehandelt würden. Der Glaube sei dagegen „nicht etwas, was wir ausdenken oder aushandeln“. Benedikt XVI. betonte: „Nicht durch Abwägung von Vor- und Nachteilen, sondern nur durch tieferes Hineindenken und Hineinleben in den Glauben wächst Einheit.“

EKD-Präses Katrin Göring-Eckardt beim ökumenischen Gebet (Foto: domradio.de)

EKD-Präses Katrin Göring-Eckardt beim ökumenischen Gebet (Foto: domradio.de)

„Das Wichtigste verbindet uns: die Sehnsucht nach Gott.“

In einem Geistlichen Wort betonte die EKD-Präses Katrin Göring-Eckardt: „Obgleich uns manches trennt, das Wichtigste verbindet uns: die Sehnsucht nach Gott.“ Die Bundestagsvizepräsidentin erinnerte daran, dass die Christen in der DDR sich von der Gewissheit leiten ließen, „dass Gott größer ist, größer als die kleinbürgerliche SED sowieso, größer als die martialische Stasi aber eben auch. Und gewiss größer als das ganze heuchlerische, unterdrückerische System, das die Menschen klein und den Glauben unsichtbar machen wollte.“

Göring-Eckardt äußerte ihre Hoffnung auf eine weitere ökumenische Annäherung: „Zum richtigen Zeitpunkt werden wir am hellsten und besten Ort des Hauses gemeinsam und füreinander den Tisch decken, an den er uns einlädt, von dem wir gemeinsam essen und trinken, was Jesus an seinem letzten Abend teilte. Nicht, weil wir es müssen, sondern weil wir es können und weil wir es wollen.“

Beim Mittagessen im Erfurter Priesterseminar überreichte Bischof Wanke dem Papst eine fotografische Wiedergabe von sechs bisher unbekannten Predigten des heiligen Augustinus.

Präses Nikolaus Schneider Ratsvorsitzender der EKD, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Kardinal Dr. Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen (Foto: domradio.de)

Präses Nikolaus Schneider Ratsvorsitzender der EKD, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Kardinal Dr. Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen (Foto: domradio.de)

Positives Fazit zu katholisch-evangelischer Begegnung

Bei einer Pressekonferenz äußerten sich katholische und evangelische Spitzenvertreter übereinstimmend positiv zu der ökumenischen Begegnung. Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Dr. Kurt Koch, sagte, der Papst habe dankbar auf das in der Vergangenheit in der Ökumene Erreichte zurückgeblickt. Zugleich habe er eine Ermutigung in die Zukunft gegeben, insbesondere mit Blick auf das 500-Jahr-Gedenken an die Reformation 2017.

Der EKD-Ratsvorsitzende sprach von einer „sehr ernsthaften und tiefen geschwisterlichen Begegnung“. Zugleich betonte Schneider, dass weitere Gespräche beider Kirchen über wichtige Fragen notwendig seien. Die Kirchen, die sich über Jahrhunderte unfreundlich bis feindlich gegenüber gestanden hätten, stünden mit der Ökumene noch an einem Anfang. Er habe nicht erwartet, dass Benedikt XVI. in Erfurt konkrete Änderungen verkünde. Es sei aber spürbar geworden,  dass „unser Herz nach mehr brennt“. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, wertete allein den Ort der Begegnung als wichtige Botschaft. Sie  fand im Erfurter Augustinerkloster statt, wo Luther Mönch geworden war und seine erste Messe gefeiert hatte.

EKD-Präses Katrin Göring-Eckardt bei der Pressekonferenz in Erfurt, Präses Nikolaus Schneider Ratsvorsitzender der EKD, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch (Foto: domradio.de)

EKD-Präses Katrin Göring-Eckardt bei der Pressekonferenz in Erfurt, Präses Nikolaus Schneider Ratsvorsitzender der EKD, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch (Foto: domradio.de)

Die Präses der EKD-Synode, Katrin Göring-Eckardt, sagte, die beiden Kirchen hätten eine Aufgabe bekommen, die sie nun in den nächsten Jahren ausfüllen müssten. Über die Geschichte und die vergangenen Verletzungen müsse nun so gesprochen werden, dass daraus eine gemeinsame  Zukunft entstehe.

Schneider betonte, dass er dem Papst deutlich gemacht habe, dass es für gemischtkonfessionelle Ehepaare künftig die Möglichkeit geben müsse, „in absehbarer Zeit“ in der katholischen Kirche gemeinsam zur Kommunion zu gehen. Er habe bewusst nicht von „morgen oder übermorgen“ gesprochen. Kardinal Koch nannte es ein Grundproblem, für diese Ehepaare Ausnahmen zu machen. Denn in der katholischen Kirche seien Ausnahmen bald keine Ausnahmen mehr. Evangelische Christen sind in der katholischen Kirche generell zur Kommunion nicht zugelassen.

Marienvesper in Etzelsbach, Thüringen, mit 90.000 Teilnehmern (Foto: domradio.de)

Marienvesper in Etzelsbach, Thüringen, mit 90.000 Teilnehmern (Foto: domradio.de)

Marienvesper in Etzelsbach mit 90.000 Menschen

Am Abend feierte der Papst mit rund 90.000 Menschen und damit mit 30.000 mehr als angemeldet eine Vesper im Marienwallfahrtsort Etzelsbach im thüringischen Eichsfeld. Dabei bekundete das katholische Kirchenoberhaupt seine Dankbarkeit darüber, dass die Eichsfelder in zwei gottlosen Diktaturen am „Gnadenort Etzelsbach eine offene Tür und eine Stätte inneren Friedens“ gefunden haben. Die daraus gewachsene Freundschaft zur Gottesmutter Maria gelte es weiter zu pflegen.

Nach den Worten des Papstes will Maria begreifbar machen, dass Gott als Quelle alles Guten von den Menschen ein Leben fordern könne, „das sich ganz und freudig seinem Willen überantwortet“. Nicht die Selbstverwirklichung schaffe wahre Entfaltung des Menschen, so der Papst. Gefordert sei vielmehr „die Haltung der Hingabe, die auf das Herz Marias und damit auch auf das Herz Christi ausgerichtet ist“ und so uns selber finden lasse.

Der Heilige Vater spricht bei der Ansprache der Marienfeier über Maria (Foto: domradio.de)

Der Heilige Vater spricht bei der Ansprache der Marienfeier über Maria (Foto: domradio.de)

„Sie tauschen einander ihre Liebe aus“

„Ich habe seit meiner Jugend so viel vom Eichsfeld gehört, dass ich dachte, ich muss es einmal sehen und mit Euch beten", sagte der Papst zu Beginn der Vesper. In der ländlichen Region im Nordwesten Thüringens leben heute rund 83.000 Katholiken. Bis heute ist das Eichsfeld die größte Region mehrheitlich katholischer Bevölkerung in Ostdeutschland. In der NS-Zeit und unter der SED-Herrschaft bewahrten sich die Katholiken im Eichsfeld ihren Glauben.

Im Wallfahrtsort Etzelsbach erwartet den Pilger eine 1898 fertig gestellte Kapelle mit einer aus Holz geschnitzten Pieta, eine plastische Darstellung von Maria mit Jesu Leichnam auf ihrem Schoß. Die auch Schmerzensmutter genannte Pieta soll auf die fünf Wundmale Jesu hinweisen. Der Papst bemerkte in seiner Ansprache, dass der tote Jesus nicht wie in den meisten Pieta-Darstellungen mit dem Kopf nach links, sondern nach rechts ausgerichtet sei. Darin verberge sich eine tiefe Bedeutung: Im Etzelsbacher Gnadenbild seien durch diese Anordnung die Herzen Jesu und seiner Mutter einander zugewandt und nahe. „Sie tauschen einander ihre Liebe aus“, so der Papst.

Mehr Information

Quelle: Pressemeldung der Deutschen Bischofskonferenz dbk.de

Top