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1. September 2011 | Weltjugendtag | 

Kommentar: Chaos beim Weltjugendtag


Tobias Brehm (l) mit anderen Schönstattjugendlichen beim Abschlussgottesdienst des Weltjugendtages in Madrid (Foto: privat)

Tobias Brehm (l) mit anderen Schönstattjugendlichen beim Abschlussgottesdienst des Weltjugendtages in Madrid (Foto: privat)

Hbre. Der Diözesanführer der Schönstatt Mannesjugend im Bistum Trier, Tobias Brehm, war zusammen mit über 300 Mitgliedern der Schönstattjugend Deutschlands beim Weltjugendtag in Madrid. Von dort berichtete er in Beiträgen für www.schoenstatt.de von seinen Erlebnissen und Erfahrungen während der einwöchigen Reise. Die erlebte Begegnung mit Papst Benedikt, die Begeisterung der Jugendlichen, ihre Offenheit gegenüber den Anregungen des Kirchenoberhauptes und die Bereitschaft der jungen Menschen, sich mit ihrem Glauben auseinander zu setzen, stehen ganz im Kontrast zur medialen Berichterstattung, die er nach seiner Rückkehr in den großen deutschen Medien vorfinden konnte. In einem Kommentar, den www.schoenstatt.de hier veröffentlicht, macht er sich Gedanken über die Diskrepanz zwischen Erlebtem und Berichtetem.

Ein Kommentar von Tobias Brehm

Riesige Demonstrationen gegen den Papstbesuch in Madrid. Fünftausend Menschen protestieren auf der Plaza del Sol. Es kommt zu gewaltsamen Ausschreitungen mit der Polizei und Teilnehmern des Weltjugendtages. Sechs Menschen werden beim Sturm auf Cuatros Vientos verletzt. 880 Menschen müssen wegen Wassermangel und Kreislaufproblemen versorgt werden. Krawalle, Verletzte und allgemeine Unzufriedenheit. Ein Bild der Zerstörung hat die Presse im Zusammenhang mit dem Weltjugendtag zu bieten. Es gibt Probleme zuhauf, Schwierigkeiten ohne Ende und eigentlich will das ja sowieso niemand und den Papst will ja auch keiner sehen, weil den ja keiner mag. Der ist ja alt und blöd, hat nichts zu sagen und verkörpert ja sowieso eine Institution, die keinen mehr interessiert und mit der man lieber nichts zu tun haben sollte, weil man ja ganz schnell unmodern, konservativ und naiv geschimpft wird, wenn sein Name auch nur im gleichen Atemzug mit der katholischen Kirche genannt wird.

Deswegen ist die Berichterstattung vielleicht auch so zurückhaltend und löchrig, wenn es um den Weltjugendtag geht. Aber wenn dann doch eine Nachricht vom "Kriegsschauplatz" Madrid unsere Zeitungen und Nachrichtensendungen erreicht, dann wird jede kritische Stimme, jede Unstimmigkeit und jedes Problem ausgeschlachtet. Kein Zitat, kein Fakt und keine Mutmaßung wird ausgelassen um das chaotische, negative und zum Himmel schreiende Bild dieser brutalen und furchtbar schieflaufenden Massenveranstaltung zu zementieren.

Etwa 1,7 Millionen Jugendliche nahmen am Weltjugendtag teil. (Foto: T. Brehm)

Etwa 1,7 Millionen Jugendliche nahmen am Weltjugendtag teil. (Foto: T. Brehm)

Nur eines wird ein wenig vergessen: die 1,7 Millionen Jugendlichen, die aus der ganzen Welt zusammengekommen sind, um gemeinsam diese Tage zu erleben. Hunderttausende junge Menschen, die gekommen sind, um über ihren Glauben ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen. Junge Menschen, die sich für sich selbst und ihre Welt interessieren, die von etwas bewegt werden und die etwas bewegen wollen. 1,7 Millionen Menschen, die in einer Stadt mit 3,3 Millionen Einwohnern friedlich zusammenkommen und zusammenleben. Über eine Million Menschen, die diesem ungeliebten „Rockstar“ der katholischen Kirche bei seiner Ankunft zujubeln und seiner Botschaft lauschen, die ihm zurufen, dass sie „die Jugend des Papstes“ seien; ein Ruf, der zweifellos aus ihrer unergründlichen Naivität und Lebensverneinung entstanden sein muss. Sowieso: All der Jubel und all die Fröhlichkeit ist ja nur der Hilfeschrei nach einer standfesten und glaubwürdigen Kirche … ist ja klar. Eigentlich müsste man den Weltjugendtag wahrscheinlich als Massendemonstration gegen die Kirche selbst verstehen. Denn wieso sollten sonst hier so viele Menschen zusammenkommen. Vielleicht weil sie die Kirche gut finden? Oder den Papst? Oder weil sie eben an die Standfestigkeit der Kirche und ihrer Lehre glauben? Weil sie bereit sind, über die Fehler und Unzulänglichkeiten einer zutiefst menschlichen Institution hinwegzusehen, um an den Auftrag der Kirche für das Gute im Menschen und der Welt zu glauben? Nein, das kann ja gar nicht sein in unseren modernen Zeiten. Aber da es ein wenig unangenehm ist, sich solche Fragen zu stellen, lassen wir es lieber bleiben.

Denn, wenn wir all das weg lassen, bleiben ja immer noch die Neuigkeiten über die Verletzten und die Probleme, den Wassermangel und den Sturm. Alles wunderbare Aufmacher und Schlagzeilen, die sich sicher gut verkaufen. Außerdem lässt ja heutzutage jeder Mal was weg. Wir müssen ja schließlich alle unsere Produkte verkaufen und da ist die freie Presse keine Ausnahme. Wir sind ja schließlich frei, um eben auch mal die Titelseite mit der Horrornachricht über sechs (Leicht-) Verletzte zu füllen, während die Nachricht über einen Gottesdienst mit 1,7 Millionen Menschen und dem Papst in Madrid eben nur ein Kästchen von 5x7 cm auf Seite 3 bekommt. Das dürfen wir! Und wer hätte etwas dagegen? Eine politische Färbung hat ja sowieso jeder und im Endeffekt sind ja sowieso alle Nachrichten und jede Form von Berichterstattung sehr subjektiv. Warum sollte man sich also erst darum bemühen, ganz objektiv zu sein? Bringt keine Umsätze und interessiert keinen. Geben wir den Leuten eine kleine Nachricht über Probleme, bauschen sie etwas auf, lassen den Teil weg, der vielleicht zum Nachdenken anregt und setzen wir unter alles noch ein Bild von einer netten entblößten Frau und schon ist man die meistgelesenste Zeitung. Todsicher! Dass dann alle eben die gleiche politische Färbung haben, ist ja nicht unser Problem. Jeder will ja seinen Umsatz machen und wenn’s am Ende die Kirche trifft, ist das ja in Ordnung. Die hat schon so viel falsch gemacht, da kann sie ruhig noch weiter den Sündenbock spielen.

Freude und Jubel bei der Ankunft des Heiligen Vaters. (Foto: T. Brehm)

Freude und Jubel bei der Ankunft des Heiligen Vaters. (Foto: T. Brehm)

Aber vielleicht sollte man auch aufpassen, wie man schreibt und von was man Bericht erstattet. Vielleicht müsste man jemanden über den Weltjugendtag schreiben lassen, der als Jugendlicher daran teilgenommen hat und weiß, wovon er schreibt, anstatt des ergrauten Schreiberlings, der zuhause vor den Meldungen irgendeiner Presseagentur sitzt und versuchen soll, aus irgendetwas eine Schlagzeile zu machen. Vielleicht sollte man sich daran erinnern, wozu Korrespondenten gut sind und dass jeder Journalist den Anspruch haben sollte, der Sache, über die er schreibt, gerecht zu werden. Und vielleicht sollte man sich auch nicht scheuen, einmal auf eigenes Risiko gegen die allgemeine Strömung zu schwimmen … ähm, Entschuldigung, zu schreiben und dann mal sehen, ob man damit wirklich so allein steht oder Absatzzahlen einbüßt. Und vielleicht, und das ist jetzt nur eine weitere unhaltbare Hypothese, sollte die Presse einmal anfangen, über sich selbst so zu Gericht zu sitzen, wie sie es im allgemeinen mit der Kirche zu tun pflegt.

Denn ehrlich gesagt, reicht es mir jetzt. Ich weiß, dass jeder Artikel immer subjektiv sein wird. Aber muss ich wirklich in Madrid auf dem Weltjugendtag sein, um zu sehen wie es wirklich war … oh, äh, das war ich ja. Und ich habe etwas ganz anderes erlebt als die Medien einen hier glauben machen wollen. Muss ich nach Afghanistan fahren, um mir selbst ein Bild über die Lage dort zu machen? Muss ich bei jeder Rede eines bedeutenden Politikers anwesend sein, um mir sicher zu sein, was er gesagt hat? Muss ich Meteorologe werden, um dem Wetterbericht Glauben schenken zu können?

Ich für meinen Teil möchte all dies nicht tun. Ich möchte objektive, umfassende,  freie und faire Nachrichten. Aufbereitet von verantwortungsvollen Menschen, denen die Wahrheit mehr als alles andere am Herzen liegt. Subjektives, verallgemeinerndes und manchmal schlichtweg falsches Gebrabbel findet sich schon im Internet genug. Das brauche ich nicht auch noch in seriösen Medien. In der Hoffnung, moderne Worte zu finden, muss ich einfach fragen: Was soll der Mist, verdammt nochmal?


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