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31. Dezember 2022 | Kirche | 

Dankbare Erinnerungen an Papst Benedikt XVI.


Msgr. Dr. Peter Wolf begegnet Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz (Foto: privat)

Msgr. Dr. Peter Wolf begegnet Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz (Foto: privat)

„Die Nachricht vom Tod Papst Benedikt XVI. ruft in mir viele Erinnerungen wach, die ich in Dankbarkeit ihm gegenüber festhalten will“ schreibt Msgr. Dr. Peter Wolf, der aktuell Geistlicher Leiter des Schönstatt-Zentrums „Marienfried“ in Oberkirch ist. Wolf war viele Jahre Generaloberer des Schönstatt-Institutes Diözesanpriester und Mitglied im Generalpräsidium des Internationalen Schönstattwerkes.

Beeindruckende Weite des philosophischen und geschichtlichen Horizontes

Die Nachricht vom Tod Papst Benedikt XVI. ruft in mir viele Erinnerungen wach, die ich in Dankbarkeit ihm gegenüber festhalten will.

Die ersten Begegnungen mit Prof. Josef Ratzinger gehen zurück in meine Zeit des Theologiestudiums. Mein fünftes und sechstes Semester verbrachte ich in Tübingen (1968/69), wo ich ihn als Professor für Dogmatik neben Prof. Küng und Prof. Moltmann erlebte. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er in einem der größten Hörsäle der Uni vor 4/500 Hörerinnen und Hörern Vorlesung hielt. Sein Blick war meist in die oberste Ecke gerichtet und nicht auf sein Konzept. Frei verfügte er über den Stoff und hatte eine für mich beeindruckende Weite des philosophischen und geschichtlichen Horizontes. Dabei war Ratzinger damals gerade einmal 40 Jahre alt.

Prüfung als wohlwollende Begegnung erlebt

Wäre gern zu ihm ins Seminar gegangen, wo er Ignatius von Loyola behandelte, jedoch die Kenntnis von Spanisch voraussetzte. Um ihm persönlich zu begegnen, meldete ich mich bei ihm zur Prüfung an, die ich als wohlwollende Begegnung in Erinnerung habe. Er war der einzige Professor, der sich dafür interessierte, ob ich in dem kleinen Tübingen auch eine vernünftige Studentenbude gefunden habe. In diese Tübinger Zeit fällt für mich auch die Lektüre seines Buches: „Einführung ins Christentum“, das mir nach den mehr historischen und einführenden Fächern des Grundstudiums eine imponierende und geradezu beglückende Zusammenschau des christlichen Glaubens bedeutete.

Sprechendes Bild für die Begegnung zwischen Amt und Charisma

Die nächste Begegnung mit meinem früheren Professor ergab sich für mich beim Freiburger Katholikentag (1978) in der Sakristei des Freiburger Münsters unmittelbar vor dem Gottesdienst mit Mutter Teresa, den ich zusammen mit Verantwortlichen für die Berufungspastoral vorbereitet hatte. Wir hatten Kardinal Ratzinger eingeladen, nachdem Kardinal Karol Wojtyla kurzfristig wegen eines Termins der Bischofskonferenz abgesagt hatte. Ich sehe heute noch vor mir, wie Mutter Teresa vor ihm niederkniete und ihm den Ring küsste. Es ist für mich bis heute das sprechende Bild für die Begegnung zwischen Amt und Charisma.

Begegnung von Kardinal Ratzinger mit Gustavo Gutierrez im Priesterhaus Moriah

Eine weitere Erinnerung verbindet sich mit einem geheimen Treffen zwischen Vertretern der Befreiungstheologie und Vertretern der Glaubenskongregation mit Kardinal Ratzinger an der Spitze. Nach den starken Spannungen, die zwischen Papst Johannes-Paul II. und der Befreiungstheologie entstanden waren, suchte Kardinal Ratzinger eine Begegnung mit einigen Vertretern, an ihrer Spitze Gustavo Gutierrez. Im Wissen um unsere Priestergemeinschaft und unser Tagungshaus Berg Moriah ließ er mich anfragen, ob ich mir in unserem Haus ein Treffen dieser beiden Gruppen vorstellen und zusichern könnte, dass es vor der Presse bis zum Abschluss geheim bleibt. Ich sagte zu und war froh, dass es zustande kam und geheim blieb. Ich war auch deshalb froh, weil ich Gustavo Gutierrez in Freiburg während seiner Ehrenpromotion durch die Katholische Fakultät im Seminar beherbergt und schätzen gelernt hatte und weil ich lateinamerikanische Mitbrüder meiner Gemeinschaft kannte, die voller Überzeugung und ohne marxistische Thesen engagiert im Sinne der Befreiungstheologie arbeiteten.

Privatbesuch im Heiligtum des internationalen Schönstattzentrums Belmonte in Rom

Zur Einweihung des Heiligtums im internationalen Schönstattzentrum Belmonte in Rom hatte ich Kardinal Ratzinger eingeladen und er hatte vor zu kommen. Doch dann fiel auf den gleichen Tag die Bischofsweihe eines seiner Doktoranden. Mit einer handschriftlichen Notiz auf einer Karte bat er um Verständnis, dass er diesen Termin vorziehen müsse. Bald danach aber machte er abends in Zivil einen Besuch im neugeweihten Heiligtum.

Begegnungen während der Zeit seines Pontifikates

Dann folgte seine Wahl zum Papst. Wir waren zu einem Gruppentreffen zusammen, als der Anruf kam: „Weißer Rauch über dem Vatikan, schaltet den Fernseher ein“. Voller Spannung erwarteten wir die Ansage: „Habemus papam“ und den Namen des neuen Papstes. In meiner Erinnerung war es nicht spontane Begeisterung, sondern eher eine bange Sorge, weil ich um viele Theologen wusste, die in ihrer Einstellung sich immer mehr von Kardinal Ratzinger abgesetzt hatten. Ich fürchtete eine große Spannung für die Kirche. Erst sein Besuch zum Weltjugendtag in Köln und seine begeistert aufgenommene erste Enzyklika nahmen mir diese Befürchtung. In der Zeit seines Pontifikates bin ich ihm wiederholt bei unseren Rom-Fahrten begegnet, die ich Jahr für Jahr nach Belmonte von Schönstatt aus unternahm. Er hat sich jeweils sehr bedankt, wenn ich ihm bei den Audienzen immer wieder eines meiner neuen Bücher mit Texten unseres Vaters und Gründers überreichte.

Dankbare Erinnerung an den Menschen im Amt des Professors, Kardinals und Papstes

In diese Zeit fiel auch eine Einladung zum 40jährigen Jubiläum der Konzilskonstitution Dei Verbum 2005, bei der ich als Generalrektor unserer Priester-Gemeinschaft die Schönstatt-Bewegung vertreten sollte. Dabei lernte ich einen Mitbruder kennen, der das Bibelwerk von Indien leitet. Er erzählte, wie er als junger Priester von seinem Bischof zum Promovieren nach Rom geschickt wurde und eines Tages mit seiner Doktorarbeit nicht mehr weiterkam und sein Manuskript an die Wand geworfen hatte. Dann sei er voller Enttäuschung durch Rom gelaufen und am Abend auf dem Petersplatz Kardinal Ratzinger begegnet, der auf dem Heimweg von der Glaubenskongregation war. Auf seinen Gruß hin, hielt dieser an und erkundigte sich, wie es ihm in Rom ergehe. Spontan klagte er ihm sein Leid mit der gerade hingeworfenen Doktorarbeit. Daraufhin lud ihn der Kardinal ein, mit ihm zu kommen. Seine Wohnung war nicht weit vom Petersplatz. Dort schenkte der Kardinal ihm einen Martini ein und ließ ihn erzählen, worüber seine Dissertation gehe. Am Ende des Gespräches sei er so auferbaut und ermutigt gewesen, dass er wieder an seine Arbeit gehen konnte und sie weiterschrieb. Dieser indische Mitbruder war zutiefst berührt von der Zuwendung und Menschlichkeit des Kardinals. Ich glaube er hat in ganz Indien diese Geschichte erzählt. Er war dem Menschen Joseph Ratzinger begegnet, den auch ich im Professor, Kardinal und Papst erlebt habe und in dankbarer Erinnerung behalte.

Dr. Peter Wolf


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