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18. Februar 2021 | Deutschland | 

„Brüder, lasst uns greifen nach den Sternen…“ - Zum Tod von Lothar Ruf


Todesanzeige: Lothar Ruf (Foto: Brehm)

Prof. Dr. Joachim Söder. Lothar Ruf war in der breiteren Schönstatt-Öffentlichkeit nicht vielen bekannt, aber wer ihn kannte, spürte etwas davon, dass die jugendliche Begeisterung für Ideale ein ganzes Leben prägen und in Schwung halten kann.

In Sendelbach bei Lohr geboren, kam Lothar Ruf 1970 in Kontakt mit der Schönstatt-Jugend (SMJ). Diese Begegnung hat, wie er selbst erzählte, sein Leben von Grund auf geprägt. Die Radikalität, wie ein Josef Engling Ernst machte mit dem Liebesbündnis, begeisterte ihn in jungen Jahren und ließ ihn nie wieder los. Planvolle Selbsterziehung, verantwortungsbewusste Menschenführung und der Zug zu christlicher Weltgestaltung waren die Leitsterne seines Handelns – in der SMJ, als Unternehmensgründer und als Professor für Bauingenieurwesen an der Hochschule Darmstadt. Vielleicht drückt das am prägnantesten ein Lied aus, von dem viele gar nicht wissen, dass es von Lothar Ruf komponiert wurde: „Brüder, lasst uns greifen nach den Sternen…“

Es mussten die Sterne sein, die Ideale, die darauf warteten, verwirklicht zu werden – mit weniger gab sich Lothar Ruf nicht zufrieden.

Exakt, klar, konsequent

Auf der JKI-Jahrestagung 2016 berichtete er, welch tiefen Eindruck P. Kentenichs Erziehungsmethode schon als Kind auf ihn gemacht habe, sodass er sich selbst entschloss, in seinem Leben genauso vorzugehen. Die Lebensordnung, die sich P. Kentenich zu Beginn seines pädagogischen Wirkens 1910 schriftlich erarbeitet hatte, konnte er auswendig zitieren: „Sei exakt im Wissen, klar im Vortrag, konsequent in deinen Forderungen und in der Behandlung der Menschen“. Das Wort aus der Vorgründungsurkunde: „Nicht schlechthin das Große und Größere, sondern geradezu das Größte soll Gegenstand unseres gesteigerten Strebens sein“ begeisterte ihn ein Leben lang. Mit Konsequenz und Zielstrebigkeit suchte er es zu verwirklichen.

Engagement beim internationalen Pfingstkongress der Schönstatt-Bewegung (Foto: Brehm)

Engagement beim internationalen Pfingstkongress der Schönstatt-Bewegung (Foto: Brehm)

Schon als Jugendlicher wirkte er verantwortlich bei den „Tournee-Gottesdiensten“ im Bistum Würzburg mit. Das war eine apostolische Aktion der SMJ, die durch Dörfer und Städte zog und Gottesdienste mit den „Liedern der jungen Generation“ gestaltete. Aus diesem Projekt gingen Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre die beiden Schallplatten mit jungen Schönstatt-Liedern hervor. Als angehender Bauingenieur gehörte Lothar Ruf seit 1983 dem Bauausschuss für das Jugendzentrum Marienberg an und organisierte deutschlandweit Geranienverkäufe zur Finanzierung dieses Hauses der SMJ. In der Vorbereitung des Jubiläumsjahres 2014 kümmerte er sich um die Wiederinstandsetzung der Pilgerarena sowie das Mobilitäts- und Sicherheitskonzept der Großveranstaltung.

Umsetzung von Schönstatt-Ideen im Berufsleben

Zusammen mit zwei weiteren ehemaligen Schönstatt-Jungmännern gründete Lothar Ruf ein Beratungs- und Projektleistungsunternehmen (RKS Ingenieure), das ausdrücklich nach den Prinzipien von Vertrauens-, Bindungs-, Freiheits- und Idealpädagogik operierte. Eine Vorstellung davon, wie lebensnah und zugleich radikal er schönstättische Ideen im Berufsleben umsetzte, konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Globalisierungsforums während der Jubiläumswoche 2014 erleben. Lothar Ruf formulierte drei Postulate, wie Wirtschaft im Sinne von Papst Franziskus dem Menschen dienen kann:

  1. Sei selbst-bewusst: die Leitvorstellung eines ‚neuen Menschen in neuer Gemeinschaft’ und Methoden der Selbsterziehung sind nicht nur Privatsache, sondern gehen die Wirtschaft unbedingt an. Wenn wir wollen, dass Menschwürde und Solidarität zu Fundamenten des Wirtschaftens werden, braucht es selbst-bewusste und zielklare Persönlichkeiten, die Prozesse gestalten.
  2. Mischen Sie sich ein: Apostolat heißt, auf Menschen, die womöglich anders denken, aktiv zugehen. Nur wer ‚apostolisch’ sich in Verbänden, Politik, Hochschulen engagiert, kann Prozesse mit enormer Fernwirkung beeinflussen.
  3. Think global: Wer in die Schule Josef Englings gegangen ist, hat die universale Dimension stets im Blick. Menschengerechte Globalisierung bedeutet nicht nur, inter-kontinentale Brücken zu schlagen, sondern gerade auch nach Stellen zu suchen, wo die Brückenpfeiler der eigenen Wertüberzeugung auf der anderen Seite einen inter-kulturellen Widerhalt finden können.
Lothar Ruf (1.v.l) als Mitglied einer Band beim Kongress des Netzwerkes "Miteinander für Europa" im Zirkus-Krone-Bau in München 2016 (Foto: Graf)

Lothar Ruf (1.v.l) als Mitglied einer Band beim Kongress des Netzwerkes "Miteinander für Europa" im Zirkus-Krone-Bau in München 2016 (Foto: Graf)

Freiheit über alles

Wer profiliert lebt, sich selbst dauernd kritisch hinterfragt und eigenverantwortlich und selbstbewusst entscheidet, wird zu einer Persönlichkeit mit Ecken und Kanten. Man kann sich an solchen Ecken auch stoßen. Trotz seiner mitreißenden, charismatischen Art wollte Lothar Ruf nicht „everybody’s darling“ sein. Ihm ging die Freiheit, alles vorurteilslos zu prüfen und das als richtig Erkannte zu verwirklichen, über alles.

2016, kurz bevor die Krebserkrankung diagnostiziert wurde, der er nun erlag, formulierte er im Josef-Kentenich-Institut einen Traum: Wirtschaft und Politik, Verbände und Hochschulen, alle rufen nach ethischer Orientierung und Compliance. Wie wäre es, wenn aus Schönstatt ein entprechendes Seminarangebot für Vorstände und Manager von DAX-Unternehmen käme? Titel: „Unternehmensführung und Kultur der Solidarität“.

Lothar Ruf konnte Menschen begeistern und das Religiöse mit dem Weltlichen verbinden. Wir blicken mit Respekt und Dankbarkeit auf diese geformte Persönlichkeit.

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