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27. August 2014 | Rund ums Urheiligtum | 

Franz Reinisch: Um der inneren Freiheit willen, hielt er den Kopf hin


Gedenken an Franz Reinisch (Foto: Brehm)

Gedenken an Franz Reinisch (Foto: Brehm)

Cbre. Am Sonntag, den 24. August fand in der Pallottikirche in Schönstatt der Sonntagsgottesdienst im Gedenken an Franz Reinisch statt. Der Gottesdienst, der von Sängern des Domchores von Limburg festlich mitgestaltet wurde, sollte mit dazu beitragen, den Pallottinerpater, der als einziger katholischer Priester den Fahneneid auf Hitler verweigerte und deshalb in den frühen Morgenstunden des 21. August 1942 im Gefängnis in Brandenburg enthauptet wurde, bekannter zu machen.

Prof. P. Dr. Heribert Niederschlag, Postulator im Seligsprechungsprozess von Franz Reinisch, zelebrierte gemeinsam mit dem Provinzial der Schönstatt-Patres, P. Theo Breitinger, dem Vize-Postulator im Reinisch-Seligsprechungsprozess, P. Dr. Adalbert Kordas, dem früheren Beauftragten für die Vorbereitung der Reinisch-Seligsprechung, P. Dr. Werner Weicht, dem ehemaligen Rektor des Urheiligtums, P. Dr. Michael Johannes Marmann und dem neuen Rektor des Urheiligtums, Pater Antonio Bracht, die Heilige Messe. Er freute sich über die Möglichkeit „in gelebter Ökumene am Ort“ gemeinsam Gottesdienst in Erinnerung an Pater Reinisch zu feiern, der ganz Pallottiner und ganz Schönstätter gewesen sei.

Konzelebranten v.l.n.r.: P. Dr. Adalbert Kordas, P. Dr. Michael Johannes Marmann, Pater Antonio Bracht, P. Dr. Heribert Niederschlag, P. Dr. Werner Weicht, P. Theo Breitinger  (Foto: Timo Keßler)

Konzelebranten v.l.n.r.: P. Dr. Adalbert Kordas, P. Dr. Michael Johannes Marmann, Pater Antonio Bracht, P. Dr. Heribert Niederschlag, P. Dr. Werner Weicht, P. Theo Breitinger  (Foto: Timo Keßler)

In der Predigt wies Niederschlag darauf hin, dass Franz Reinisch sich nicht leicht getan habe, die Spuren Gottes in seinem Leben zu finden. Außerdem sei er ein unruhiger Geist mit ungestümem Charakter gewesen, ständig unterwegs; kaum zum Weltpriester geweiht, schon auf dem Weg ins Noviziat der Pallottiner. Von Anfang an habe er sich lautstark, klar und eindeutig gegen das Naziregime geäußert. Ungeachtet dessen, dass er damit seine Familie und seine pallottinische Gemeinschaft gleich mit in Gefahr brachte, habe er zum Ausdruck gebracht: „Dieses Regime ist von Verbrechern besetzt. Ich kann mit diesem Regime keinen Handel treiben. Entweder Nazi oder Christ, beides zusammen geht nicht.“

Sängerinnen und Sängern des Domchores von Limburg gestalten den Gottesdienst musikalisch (Foto: Timo Keßler)

Sängerinnen und Sängern des Domchores von Limburg gestalten den Gottesdienst musikalisch (Foto: Timo Keßler)

Predigt: Prof. P. Dr. Heribert Niederschlag, Postulator im Seligsprechungsprozess von Franz Reinisch (Foto: Timo Keßler)

Predigt: Prof. P. Dr. Heribert Niederschlag, Postulator im Seligsprechungsprozess von Franz Reinisch (Foto: Timo Keßler)

Den Treueeid leisten: niemals

Niederschlag: „Als Reinisch am 1. März 1941 auf einer Postkarte mitgeteilt bekommt, dass er sich für den Wehrdienst bereithalten soll, beginnt eine schwierige Zeit für ihn. Schnell wird ihm klar, dass er auf diesen Verbrecher, der Deutschland regiert, keinen Eid leisten kann und wird.“ Der Konsequenzen, dass er damit sein Leben verlieren wird, sei er sich sehr genau bewusst gewesen. Er habe um die richtige Entscheidung gerungen und hier in Schönstatt im Kapellchen immer wieder Klarheit gefunden und zwar durch das Gebet.

Entscheidungsfindung und -sicherheit durch das Gebet

Diese Spur in Reinischs Leben, so wird im weiteren Verlauf der Predigt Niederschlags deutlich, ist eine Anregung für Menschen heute die sich fragen, wie Menschen zu der inneren Klarheit kommen, um den Weg zu entdecken, den sie gehen sollen. Ihm selbst, so der Pallottinerpater, habe sich durch Peter Wust, dem großen deutschen Theologen, der in der Hitlerzeit in Münster lehrte, eine Spur erschlossen. Wust habe, schon schwer von Zungenkrebs gezeichnet, kurz vor seinem Tod im März 1939 seinen Studenten als Vermächtnis hinterlassen: „Wenn ihr in das Haus der Weisheit eures Lebens hinein gehen wollt, kann ich euch einen Zauberstab anbieten: Es ist das Gebet. Es macht still, kindlich und objektiv.“

Das Gebet macht still

Wenn er nicht mehr wisse, wo ihm der Kopf stehe, meinte Pater Niederschlag, halte er es mit Franz von Sales: „Wenn du keine Zeit hast, ziehe dich eine halbe Stunde zurück und schweige. Wenn du überhaupt keine Zeit hast, ziehe dich eine Stunde zurück und schweige!“ Wenn er das befolge, käme er innerlich verändert wieder an seine Arbeit zurück und könne genau das tun, was jetzt dran wäre. Das spare unglaublich viel Zeit. Er denke, der tibetanische Weise Tata Tutu habe recht, wenn er an die westliche Kultur gerichtet zum Ausdruck bringe, dass sie das Gespür für die Unterscheidung der Geister verloren habe und nicht mehr wisse, auf was es eigentlich ankomme.

Das Gebet macht kindlich

Das Beispiel Pater Reinischs zeige, dass das Gebet zum absoluten Vertrauen auf Gott führen könne. Wenn er ein Kind sehe, so Pater Niederschlag, das quietschend vor Freude beim Vater auf dem Rücken sitzt, weil es sich vollkommen geborgen fühlt, dann denke er oft: „Wenn du so in dieses Vertrauen hinein finden könntest; dem göttlichen Vater gegenüber die Hoffnung zu haben, er trägt mich durch!“ Und Niederschlag weiter: „Wenn einer gesund bleiben will, muss das Kind in ihm bewahrt bleiben.“ Dieses völlige Sich Anvertrauen habe Pater Reinisch versucht, einzuüben. Bisweilen habe ihm das den Atem verschlagen. Denn die Spannung auszuhalten, „dass dieser Gott sich weder von meinen Dummheiten, noch von meinen Schwierigkeiten und Fragen abhalten lässt, mich mit offenen Armen zu empfangen“, gehöre zur ars moriandi, der Kunst des Sterbens.

Das Gebet macht objektiv

Das Gebet lasse einen „innerlich wittern“, wo die Wahrheit aufleuchten wolle, führte Niederschlag weiter aus. Pater Reinisch habe - wie Dietrich Bonhoeffer auch - diese absolut klare Schau gehabt: Deutschland wird von Verbrechern regiert, deshalb brauchen wir den Widerstand. Christsein und Nazisein ist unvereinbar miteinander. Auf die Frage, wie er es schaffe, so lange in der Todeszelle auszuharren und mit 39 Jahren sein Leben hinzugeben, habe Pater Reinisch ganz ruhig antworten können: „Gott will es von mir und ihm diesen Willen zu geben, das will ich tun. Ich brauche mich nicht so wichtig zu nehmen. Vom Himmel aus kann ich mit zwei Händen schenken. Solange ich lebe, muss ich mich immer noch mit einer Hand oben festhalten. Ja das Gebet ist es, was mich innerlich oben hält.“ Das Gebet habe Franz Reinisch hoch gehalten, so Niederschlag. Ihm, der immer wieder in furchtbarste Abgründe der Todesangst hinein gewirbelt worden war, sei klar geworden: Nicht das Leben sei der höchste Wert, sondern in innerer Freiheit das zu tun, was einem aufgetragen ist. Und um dieser Freiheit willen, so Niederschlag, hielt Reinisch den Kopf hin. „Gebe Gott“, wünscht Pater Niederschlag zum Schluss seiner Predigt, „dass auch wir dazu fähig werden.“

Konzert der Stille in der Pallottikirche (Foto: Timo Keßler)

Konzert der Stille in der Pallottikirche (Foto: Timo Keßler)

Katrin Wolf spricht die Rolle von Ludowika Linhard (Foto: Timo Keßler)

Katrin Wolf spricht die Rolle von Ludowika Linhard (Foto: Timo Keßler)

Pater Niederschlag (Foto: Timo Keßler)

Pater Niederschlag spricht die Texte von Pater Franz Reinisch (Foto: Timo Keßler)

„Konzert der Stille“

Bereits am Abend des 22. August, thematisierte ein „Konzert der Stille“ im Rahmen des Mittelrhein Musik Festivals die beispiellose Gewissensentscheidung P. Franz Reinischs. Rund 200 Gäste verfolgten in der Pallottikirche in Vallendar-Schönstatt, nur wenige Meter entfernt von seinem Grab neben der Gnadenkapelle, einen biografischen Dialog zwischen dem kurz vor seiner Hinrichtung stehenden Priester und dessen erster großen Liebe. Pater Heribert Niederschlag, gab ebenfalls bei diesem Projekt Franz Reinischs leidenschaftlichem Kampf gegen ein menschenverachtendes und mörderisches System eine Stimme. Die gelernte Schauspielerin, Journalistin und Moderatorin Katrin Wolf schlüpfte in die Rolle der ersten großen Liebe des jungen Tirolers, der in Vallendar seine spirituelle Heimat gefunden hatte. Ludowika Linhard, eine Protestantin, die zu verstehen versucht, warum ihr Freund aus der Jugendzeit seinem Gewissen so vehement folgte, obwohl dieser Weg den sicheren Tod für ihn bedeuten sollte. Ein „stilles Konzert“ mit akzentuierenden musikalischen Untertönen: der Weitersburger Gisbert Wüst, Kantor und Organist in der St. Medard-Pfarreiengemeinschaft in Bendorf, interpretierte mit seinem virtuosen Orgelspiel den schwierigen und einsamen Entscheidungsweg des Pallottiner-Priesters, der durch innere Kämpfe und äußeren Druck gekennzeichnet war.


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