Innere Wandlung

Heute steht die Kirche nicht nur vor der Herausforderung des radikalen Atheismus, sondern auch vor der des praktischen Atheismus, der die heutige Kultur und das Milieu, in dem wir leben, auf vielfältige Weise durchdringt und eine Art zu denken und zu leben schafft, in dem der Alltag und Gott so gut wie nichts miteinander zu tun haben. Eine Erscheinung des gelebten Lebens wie diese verlangt nicht nach theoretischer Antwort, sondern nach einer gelebten und erlebbaren Wirklichkeit. Auf die Abwesenheit des lebendigen Gottes in der Alltagswirklichkeit vieler Christen müssen wir mit seiner Gegenwärtigkeit in unserem Leben und im Leben der Kirche antworten. Die neue Gottesfrage wird nicht in Vorträgen beantwortet, sondern in Gotteserlebnissen. Das war eines der großen Ziele, für die Pater Kentenich gearbeitet, gekämpft und gelitten hat. Er wünschte, dass die Schönstattfamilie der Kirche als Antwort auf die Zeit eine echte Werktagsheiligkeit schenke. Unsere Weihe an Maria muss uns zu einer wachsenden Christusgestaltung führen und uns zu authentischen Zeugen seiner Person und seines Reiches werden lassen: „Lass Christusträger für die Zeit mich sein, dass sie erstrahlt im hellsten Sonnenschein." - „Dann wird das Leben bald ein Spiegel werden von Christi Sein und Wandel hier auf Erden, in ihm ziehn durch die Welt wir stark und mild als segenspendendes Marienbild", betet er in Dachau. Ähnlich unterstreicht der Apostel Paulus im Brief an die Korinther: „Wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird" (2 Kor 4,10).

Jedes echte christliche Leben muss gekennzeichnet sein von einem ständigen und dauernden Prozess innerer Wandlung. Sie besteht in der immer stärkeren Lösung vom „alten Menschen", um „neue Menschen" zu werden in Christus. Das ist ein Mensch, in dem der Geist Christi lebt und wirkt, der Heilige Geist („... denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist" Rö 5,5). Dieses Grundgesetz der Liebe muss unser persönliches und gesellschaftliches Leben prägen. So errichten wir Schritt für Schritt die „Zivilisation der Liebe", die Paul VI. verkündet hat: Gegenwart des Heiligen Geistes, die Familienleben, gesellschaftliches Leben, Leben der Kirche mit Liebe, Freude, Friede, Geduld, Umgänglichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung durchdringt. So bereitet sich der Tag vor, an dem Jesus Christus wiederkommt am Ende der Zeiten, wenn wir „einen neuen Himmel und eine neue Erde" (Off 21,1) haben werden. Er wird „unseren armseligen Leib verwandeln (...) in die Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich alles unterwerfen kann" (Phil 3,21). Dann wird unsere Gemeinschaft mit dem Vater und untereinander voll und endgültig sein. Das Paradies.

Von ihrem Schönstattheiligtum aus möchte Maria ihre Herrlichkeiten als Erzieherin des Neuen Menschen offenbaren. Sie möchte in uns die Sehnsucht nach dauernder, nach wachsender innerer Wandlung wecken; sie möchte uns immer neu Mut machen, an unserer Selbsterziehung zu arbeiten. Sie möchte uns aber vor allem die umwandelnde Kraft des Heiligen Geistes schenken, ohne dessen machtvollen Wirken unser Mühen nicht viel bringt.

Im Leben vieler Menschen, die sich Schönstatt genähert und das Liebesbündnis mit der Gottesmutter im Heiligtum geschlossen habe, wird dieser Wandlungsprozess deutlich. Pater Kentenich hat denen, die ihm begegnet sind, das Antlitz Christi, die Person des Vatergottes, die Person Marias transparent, ja wie sichtbar gemacht. Wer in seine Nähe kam, kam dem lebendigen Gott nahe. Sein Leben ist ein deutliches Zeichen der umwandelnden Wirksamkeit Marias vom Heiligtum aus. Bei seinem Pastoralbesuch in Deutschland im Jahr 1980 schloss Papst Johannes Paul II. ihn in eine Reihe von 10 herausragenden Priestergestalten der neueren Zeit ein. Wenig später sagte er im Vatikan zum Generakapitel der Schönstatt-Patres: „In dankbarer Anerkennung seines geistlichen Vermächtnisses an die Kirche habe ich deshalb Pater Kentenich während meines kürzlichen Deutschlandbesuches in Fulda als eine der großen Priestergestalten der neueren Geschichte namentlich nennen und so in einer besonderen Weise ehren wollen." Er ist das stärkste Zeichen der erzieherischen Wirksamkeit Marias im Heiligtum. Der kanonische Prozess für seine Seligsprechung steht vor dem Abschluss auf diözesaner Ebene. Erneut stellt sich Pater Kentenich damit dem Urteil der Kirche. Sein Leben soll noch einmal das Wirken seiner Mutter ins Licht stellen, zur Ehre Jesu Christi, der Krone aller Heiligen.

 

P. Esteban Uriburu


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