Wie kam es zu der bischöflichen und apostolischen Visitation in Schönstatt?

Wie kam es zu der bischöflichen und apostolischen Visitation in Schönstatt?

Eine Visitation (lateinisch: Besuch) ist in der katholischen Kirche ein normaler Vorgang. Dabei muss es nicht immer um Streitpunkte gehen. Jeder Bischof besucht zum Beispiel in regelmäßigen Intervallen die Pfarreien seines Bistums. Alle fünf Jahre kommen die Bischöfe eines Landes zu den sogenannten Ad-limina-Besuchen mit dem Papst in Rom zusammen.

Darüber hinaus können besondere Visitationen bei einem Bischof oder beim Papst beantragt oder durch diese eingesetzt werden, wenn Streitpunkte in einem Bistum, in einem Orden, einer Gemeinschaft oder kirchlichen Institution entstanden sind. Eine solche Visitation soll eine objektive und zugleich pastorale Entscheidung vorbereiten. Die gesamte Kirchengeschichte ist bis auf den heutigen Tag von Visitationen in den verschiedensten Formen durchzogen, in denen Fragen zur Lehre der Kirche, zu ihrer Lebensweise, zur Disziplin und Einheit in der Kirche untersucht und entschieden werden.

Diese Visitationen wurden zu verschiedenen Zeiten in den jeweils gängigen kommunikativen Strukturen durchgeführt. War die Leitung der Kirche eher autokratisch und autoritär strukturiert, wurden entsprechend auch die Visitationen durchgeführt. So ist deutlich, dass Visitationen früherer Zeiten, etwa die in Schönstatt vor 70 Jahren, deutlich anders durchgeführt wurden, als das heute der Fall ist. Von daher ist es nicht nur sinnvoll, sondern auch geboten, eine solche Visitation in ihrem kommunikativen Kontext zu sichten und zu bewerten.

Neues bringt die Kirche weiter

Im Sinne einer von Heiligen Geist geführten Kirche sind Krisen und Streitpunkte zunächst nicht als Unfälle der Kirchengeschichte zu werten, sondern als Möglichkeiten und Angebote, dass sich die Kirche weiterentwickeln kann und nicht einfach in traditionellen Gleisen weiter denkt und lebt. Bei der Notwendigkeit, sich auch von Irrtümern abzugrenzen, kann die Kirche aber im Rückblick dankbar sein für alle, die zunächst als unbequeme Kritiker oder Querulanten empfunden wurden, dann aber die Kirche an ihren wunden Stellen entscheidend weiterbrachten.

Exkurs 1: Einige historische Hinweise

Pater Kentenich war sich sehr der Wichtigkeit, aber auch der Risiken von Visitationen bewusst. Doch er wollte nicht eine Gemeinschaft, die traditionell weiter in vorgeprägten Spuren fährt, sondern die mit baut an einer „Kirche am neuen Zeitenufer“. So brachen die Visitationen auch nicht sozusagen aus heiterem Himmel über die Schönstatt-Bewegung herein, sondern das Studium der Neuheit Schönstatts war vom Gründer bewusst gewollt. Er wünschte sich, dass sich die Kirche in ihren Amtsträgern mit seiner Gründung auseinandersetzt, sie prüft und endgültig, auch rechtlich, anerkennt. Er sah einen solchen Vorgang als notwendig an, damit ein fruchtbares Wirken in und für die Kirche möglich wurde und blieb.

Vorgeschichte zu den Visitationen in Schönstatt

Bereits in den Jahren 1934/35 gab es eine größere Auseinandersetzung in der kirchlichen Öffentlichkeit um die sogenannten „Sonderideen“ Schönstatts. Nachdem der Limburger Bischof Antonius Hilfrich schwerwiegende Bedenken gegen Schönstatt geäußert hatte, beauftragte Bischof Bornewasser von Trier den Dogmatikprofessor Ignaz Backes, ein dogmatisches Gutachten über Lehre und Frömmigkeit Schönstatts anzufertigen. Das Gutachten kritisierte das in Schönstatt vertretene Grundverhältnis Gottes zum Menschen. Die Generalleitung der Pallottiner entsandte daraufhin den Generalrat Pater Peter Resch (1873-1966) mit dem Auftrag, Pater Kentenich kraft des Gehorsams zum Verzicht auf die Sonderideen zu bewegen.

Während des zweiten Weltkrieges gab es Kritik vonseiten des Erzbischofs von Freiburg, Conrad Gröber. Nach dem Zweiten Weltkrieg entzündete sich noch größere Kritik an der Veröffentlichung der Dachauer Gebete „Himmelwärts“. 1948 legte der Dogmengeschichtler Weihbischof Artur Landgraf von Bamberg der Deutschen Bischofskonferenz ein negatives Gutachten vor. Im Herbst desselben Jahres erstellte die Bischofskonferenz einen Katalog von Forderungen an die Bewegung, der allerdings vom Bistum Tier zunächst zurückgehalten wurde.

Exkurs 2: Zum besseren Verständnis der Vorgeschichte der ersten, diözesanen Visitation

Die erste, diözesane Visitation

Am 14. Februar 1949 setzte der Generalvikar von Trier den Vertreter Pater Kentenichs, Pater Friedrich Mühlbeyer (1889-1959), davon in Kenntnis, dass Weihbischof Dr. Bernhard Stein im Auftrag des Bischofs zu einer kanonischen Visitation nach Schönstatt kommen würde. Im Vorfeld hatte sich Trier im letzten Augenblick entschlossen, nicht eine Studienkommission einzusetzen, sondern eine kirchliche Visitation abzuhalten. Dahinter stand die Vermutung, dass vor allem die Marienschwestern nur auf diese Weise zu ganzer Offenheit bei ihren Aussagen veranlasst werden könnten. In seiner Einführungsansprache legte Weihbischof Stein gerade auf diesen Punkt besonderen Wert. Die Visitation fand statt vom 19.-28. Februar 1949.

Die zweite, apostolische Visitation

Am 18. April und am 06. November 1950 wandte sich Weihbischof Stein in zwei Promemorien (Denkschriften) an die Religiosenkongregation in Rom. Im  November 1950 erbat er eine Apostolische Visitation des Schönstatt-Werkes und besonders der Marienschwestern. Sie sollte in erster Linie die Bindung der Marienschwestern an Pater Kentenich und dessen kirchliche Einstellung untersuchen, wie auch die Umstände, unter denen die erste Generaloberin der Marienschwestern, Schwester Anna Pries, im Februar 1950 aus ihrem Amt geschieden war.

In der Folge schaltete sich das Heilige Offizium ein und bestellte Pater Sebastian Tromp SJ, einen bekannten römischen Theologen für Dogmatik und Fundamentaltheologie und Konsultor des Heiligen Offiziums, zum Visitator. Er war Holländer und sprach hinlänglich Deutsch.

In der Karwoche 1951 begann die Apostolische Visitation und wurde am 03. August 1953 durch Pius XII. autoritativ beendet.

Der Visitator hielt sich zunächst eine Woche für die nähere Visitation der Schwestern in Schönstatt auf. Er bestellte dann Pater Kentenich, der wieder in Südamerika weilte, auf Anfang Mai nach Rom und stellte ihn vor die Wahl, freiwillig von seinen Ämtern zurückzutreten — sonst müsse er mit der Absetzung und einer Verbannung rechnen, von der er nicht zurückkehren würde. Er sei bei den deutschen Bischöfen „persona non grata“. Pater Kentenich besprach sich mit Pater General Adalbert Turowski und Pater Alexander Menningen und stellte sich auf den Standpunkt: „Freiwillig nie, im Gehorsam sofort“. Durch Pater Turowski ließ er die Antwort an Pater Tromp übermitteln.

In Dekreten von Ende Juli 1951 wurde Pater Kentenich als Generaldirektor der Marienschwestern abgesetzt und seine Trennung vom Werk verfügt. Diese Dekrete wurde den Schwestern am 15. August 1951 in Schönstatt eröffnet. Pater Kentenich erhielt die Erlaubnis, die großen Tagungen, die er für den Herbst angesagt hatte (die Pädagogische Tagung und die Oktoberwoche 1951), noch zu halten, und fuhr anschließend in die Schweiz.

Exkurs 3: Unterstützung für Pater Kentenich durch Pater Turowski

Aber Ende November wurde P. Kentenich nach Rom gerufen und musste am 27. November 1951 das Verbannungsdekret unterschreiben. Der Visitator wies ihn aus Europa aus. Mitte Dezember wurde Milwaukee in USA als Wohnort bestimmt. P. Kentenich erhielt die Erlaubnis, die Einholung der Visa in Südamerika zu besorgen, und weilte von Januar bis Juni 1952 in Argentinien, Chile und Brasilien. Er war in dieser Zeit hauptsächlich als Generaldelegat für die Pallottiner tätig.

Am 21. Juni 1952 kam Pater Kentenich in Milwaukee an.

Literatur

Ausführlicher zu den Konflikten Pater Kentenichs mit der Kirche: Schmiedl, Joachim, Der Konflikt um Pater Kentenich - Versuch eines Durchblicks, in: Regnum 55 (2020), Heft 4.
DOWNLOAD: https://schoenstatt.com/wp-content/uploads/2021/01/SCHMIEDL-JOACHIM-Der-Konflikt-um-Pater-Kentenich-Versuch-eines-Durchblicks.pdf

zum Verlauf der Visitationen: Zur Geschichte der Pallottiner und der Schönstatt-Bewegung, in:  Regnum 45 (2011), Heft 2. Es handelt sich um einen Zwischenbericht der Geschichtskommission der Pallottiner und der Schönstatt-Patres.
DOWNLOAD:  http://www.regnum-im-netz.de/download/hefte/REGNUM-45-2011-2.pdf

Beiträge zu einem umfassenderen Bild in der Causa Kentenich

In Kooperation verschiedener Personen aus der Schönstatt-Bewegung werden im Auftrag des Generalpräsidiums des internationalen Schönstattwerkes Themen bearbeitet, die Pater Josef Kentenich, den Gründer der Bewegung, betreffen und die derzeit angefragt sind. Dies geschieht aufgrund des jeweiligen aktuellen Kenntnisstandes, der sich aus den zugänglichen Dokumenten und Schriften ergibt. Die Ergebnisse der Forschungen und Gespräche sind jeweils in themenbezogenen Artikeln zu lesen. Ihre Vorschläge für Themen weiterer Artikel können Sie gerne senden an: mk@schoenstatt.de.

PressOffice Schoenstatt International

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