Der Kulturkampf um den „Vater“: Exkurs1: Wie kam es dazu?

Autoritäten in der Krise

Mit den beiden Weltkriegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellte sich, zumal in Deutschland, immer mehr die Frage, wie die Autoritäten, die in jene Krisen hineingeführt hatten, legitimiert waren. Die Abdankung von Wilhelm II., dem letzten deutschen Kaiser und König von Preußen, forderte 1918 eine neue staatliche Ordnung. Der Führerkult des bald darauffolgenden sogenannten Dritten Reiches stürzte die Welt in eine Katastrophe und kostete mehr als 70 Millionen Tote. Die Ableitung der Autoritäten und Vatergestalten „von Gottes Gnaden“ wurde so ad absurdum geführt.

Änderungen in der gesellschaftlichen Situation

Besonders während des Zweiten Weltkrieges und nach dessen Beendigung zeigte sich zudem, dass Frauen, nicht zuletzt wegen der Abwesenheit der Männer, oft diejenigen waren, die die verschiedenen Lebensbereiche stabilisierten. Zwar präsentierten sich offiziell noch die Männer als die Gestalter von Politik und Gesellschaft. Im ersten Deutschen Bundestag waren nur 6,9 Prozent Frauen vertreten. Doch seit den 1960er Jahren änderte sich die gesellschaftliche Situation grundlegend.

Wandel im Bild des Vaters

Auch die Figur des Vaters in der Familie wandelte sich unaufhaltsam. Aus dem Vater, der in der Teilnahme an Gottes Weltregierung königliche und priesterliche Aufgaben für seine Familie versieht, wurde teilweise eine Witzfigur gemacht. Es schälte sich ein Bild des Vaters heraus, das sich allein auf die Autorität der jeweiligen Persönlichkeit und der wertschätzenden Hinwendung zu seinen Kindern bzw. Anvertrauten basiert. In immer neuen Suchbewegungen entwickelte sich das Bild des Vaters bis in die Gegenwart weiter, auch als Pendant zu einem neuen Bild der Frau und Mutter.

Machtstrukturen in der Familie im Wandel

Das Bild des Vaters, die Machtstrukturen in der Familie und deren Begründung haben in den vergangenen 100 Jahre eine rasante Entwicklung hinter sich gebracht. Als Beispiel diene eine Zusammenfassung, wie die katholische Zeitschrift „Die christliche Familie“ (Essen) seit 1885, das ja auch das Geburtsjahr Pater Kentenichs ist, teilweise bis in die 1950er Jahre die Vorrangstellung des Mannes in Ehe und Familien begründete:

„Der Vater als König steht als Stellvertreter Gottes aufgrund göttlichen Auftrages und göttlicher Einsetzung an der Spitze der Familie: ‚Der König in diesem Reiche (der Familie), der unumschränkte, freie Herrscher, das ist der Vater. Ihm sind vom lieben Gott unveräußerliche, natürliche Rechte und Vollmachten zugeteilt, die ein Ausfluss der Macht Gottes sind. Sein Haus, sein häuslicher Herd, vor allem aber Frau und Kind bilden sein Königreich: ihre Seele, ihr Leben, ihre Ehre.‘ Der Ehrentitel ‚Vater‘ weist darauf hin, dass in der Person des Vaters ‚Ursprung, Macht, Fürsorge, Wohltaten‘ liegen. Das Bild Gottes und das des Vaters stehen in Korrelation: Eigenschaften des einen können auch vom anderen ausgesagt werden. Wie der Vater Ehrfurcht seiner Person gegenüber verlangt und das Recht hat, seinen Kindern Vorschriften und Gebote zu geben und deren Befolgung zu überwachen, so wie er die Pflicht hat, die Führung seines Hauses und seiner Kinder zu übernehmen, so stehen Gott Macht und Führung zu, welche die Menschen mit Ehrfurcht, Gehorsam und Vertrauen beantworten sollen. Umgekehrt begründet das Bild Gottes Rechte und Pflichten des Vaters. Die ‚Königsherrlichkeit der Vatersendung‘ bedeutet ‚Teilnahme an Gottes Schöpfermacht‘ und ‚Teilnahme an Gottes Weltregierung‘. So wie Gottes Schöpfung weitergeht, hat der Mann in den Kindern Ehre und Fortdauer über den Tod hinaus.

Der Vater ist die erste Autorität in der Familie und damit ‚der Gegenstand unbedingter Achtung und Verehrung‘. Ihm eignet diese Autorität vor der Frau aufgrund göttlicher Weisung und natürlicher Vorzüge. Die Generalaufsicht über die Familie steht ihm zu, da Verstand, Wille und Tatkraft bei ihm stärker ausgebildet sind als bei der Frau. Das Beharren auf der Autorität ist das Fundament der Erziehung und Ordnung. Aus gleichen Gründen ist er auch erster Erzieher seiner Kinder. Oberstes Erziehungsprinzip ist für ihn das gute Beispiel. Ziele seiner Erziehertätigkeit sind Bravheit, Einfachheit, Selbstbeherrschung, Gehorsam.“

(aus: H. Brantzen, Familienspiritualität. Am Beispiel einer christlichen Wochenzeitung, Mainz 1984, 92)


Beiträge zu einem umfassenderen Bild in der Causa Kentenich

In Kooperation verschiedener Personen aus der Schönstatt-Bewegung werden im Auftrag des Generalpräsidiums des internationalen Schönstattwerkes Themen bearbeitet, die Pater Josef Kentenich, den Gründer der Bewegung, betreffen und die derzeit angefragt sind. Dies geschieht aufgrund des jeweiligen aktuellen Kenntnisstandes, der sich aus den zugänglichen Dokumenten und Schriften ergibt. Die Ergebnisse der Forschungen und Gespräche sind jeweils in themenbezogenen Artikeln zu lesen. Ihre Vorschläge für Themen weiterer Artikel können Sie gerne senden an: mk@schoenstatt.de.

PressOffice Schoenstatt International

 

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