„Ganz innen“: Gott im Menschen

1. Maria, die lebendige Wohnung Gottes

In ihr geht das Wort des Propheten Ezechiel in Erfüllung:
Wenn mein Heiligtum für alle Zeit in ihrer Mitte ist, dann werden die Völker erkennen, dass ich der Herr bin, der Israel heiligt. (Ez 37,28)

In der Verkündigung des Propheten Ezechiel nimmt die Bedeutung des Tempels einen besonderen Platz ein. Für Ezechiel kann Jahwe nur dann in der Mitte seines Volkes sein, wenn es ein Heiligtum als Unterpfand der Gegenwart des Herrn gibt. –

Im Licht des Neuen Bundes erscheint Maria als dieses endzeitliche Heiligtum Gottes. Ihr Herz und ihr Schoß wurden zum „Tempel“ des menschgewordenen Gottessohnes. – „Ganz innen“, wie die Autorin des Bildes, Schwester Christamaria Schröter aus der Christusbruderschaft Selbitz, ihre Darstellung bezeichnet –, das ist die Erfüllung aller geschöpflichen Offenheit und Sehnsucht. In der ausdeutenden Meditation der Malerin heißt es:

„Ganz innen", © Sr. Christamaria Schröter, 1988, Christusbruderschaft Selbitz

„Ganz innen", © Sr. Christamaria Schröter, 1988, Christusbruderschaft Selbitz

Du
ganz innen –
nicht
weil ich so oder so bin dass ...
nicht deshalb weil ...
nicht als Folge von ...
oder Belohnung für ...

Du
warumlos
entschieden für mich
leise eingewohnt
einfach da aus Liebe zu mir.
Heute schon jetzt du
ganz innen
meine Stille
mein Geheimnis
das Gewicht meiner Ewigkeit

Du
mein Gott
ganz innen
in mir

Maria birgt den menschgewordenen Erlöser des Menschen. Die Arme des Kindes sind weit geöffnet wie die Liebe Gottes zum Menschen. Die kleine Gestalt bildet aber auch ein Kreuz, an dem der Retter der Welt die Erlösung vollbracht hat.

Das Bild will aber auch hindeuten darauf, dass jeder Getaufte die Berufung hat, lebendiges Heiligtum zu sein, weil geheiligt durch die Gegenwart Gottes kraft des Geistes Christi, in dem die Fülle der Gottheit wohnt (vgl. Kol 2,9).

Hier liegt der Zielpunkt jeder Heiligtumsspiritualität: Jeder zum Glauben Berufene ist ein lebendiges Heiligtum; steinerne Heiligtümer sind letztlich lediglich ein Hinweis auf das Wohnen Gottes bei seinem Volk; die Gemeinschaft der Kirche – „ein Haus, erbaut aus lebendigen Steinen“ (vgl. 1 Petr 2,5).

2. Das Gewissen, die verborgene Mitte im Menschen

Das Gnaden-Geheimnis der Einwohnung Gottes soll sich auswirken im SichleitenLassen vom Geist Christi in den konkreten Entscheidungen des Gewissens. Von ihm sagt das Zweite Vatikanische Konzil (Konstitution Gaudium et Spes, Art. 16):

„Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinen Innersten zu hören ist. Im Gewissen erkennt man in wunderbarer Weise jenes Gesetz, das in der Liebe zu Gott und dem Nächsten seine Erfüllung hat.“

3. Anregung zum meditativen Verweilen

Jedes Bild erschließt sich uns zunächst nicht über gedankliche „Erklärungen“; es lädt uns ein, vor allem mit den Augen des Herzens zu schauen; zu verweilen bei der Farbgebung und der Linienführung einer Darstellung. Hier konkret: die blaue Farbe – Symbol für die Weite des Himmels; die Unendlichkeit Gottes – und die ihm ähnliche endlose Weite der menschlichen Seele, welche „gleichsam alles ist“ (Thomas von Aquin). Das geneigte Haupt Mariens scheint sich zurückzuneigen zum Augenblick ihres Jawortes; sie scheint gleichsam wie vom damaligen Augenblick her bei dem zu sein, was Gegenwart geworden ist in ihr. In ihr: die ersehnte und geschenkte Mitte, deren Licht sie ganz ausfüllt. Ihre Gestalt und die des Kindes: gekennzeichnet mit den roten Linien, der Farbe der Liebe, die sich einzeichnet in den, der das Bild betrachtet und in ihm das Geheimnis seiner eigenen Gottesträgerschaft erkennen darf. Oder: „Gott in meinen Grenzen; in meinen Grenzen Gott“ (K. Hemmerle).

Maria/Kirche, „den Segnenden tragend, bist du selbst zum Segen geworden“ 1

  • Ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk, das seine Zuflucht sucht beim Namen des Herrn. (Zef 3,12)
  • Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte. (Zef 3,17)
  • Denn ich bin Gott, nicht ein Mensch, der Heilige in deiner Mitte. (Hos 11,9)
  • Die Herrlichkeit des Herrn stieg aus der Mitte der Stadt empor; auf dem Berg im Osten der Stadt blieb sie stehen. (Ez 11,23)
  • Wenn mein Heiligtum für alle Zeit in ihrer Mitte ist, dann werden die Völker erkennen, dass ich der Herr bin, der Israel heiligt. (Ez 37,28)
  • Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns. (Mt 1,22 f.)
  • Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. (Kol 3,16)

 

Quelle: Pater Dr. Lothar Penners, in Oktobertagung 2011, Arbeitsmaterial für die Schönstattbewegung in Deutschland, zu beziehen bei: Büro des Bewegungsleiters, Höhrer Straße 84, 56179 Vallendar, 0261-69969, bewegungsleiter@schoenstatt.de

 

1 Ratzinger/Benedikt XVI., Zum Segen geworden; im Geschenk grünender Hoffnung für die bedrohte Erde und ihre Wohnung.


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