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Eine synodale Vision - Folge 3 der Serie "Synodales Leben im Bund"
Kurt Faulhaber. „Was ist überhaupt eine synodale Kirche?“, wird oft gefragt. Man möchte eine Definition. Am Vorabend des Oktober, dem Monat der Weltsynode, konnte man eine Antwort sehen. Das Ökumenische Gebetstreffen auf dem Petersplatz erschien mir wie eine Vision von synodaler Kirche. Ich versuche, das Gesehene zu beschreiben.
Das gewohnte gewaltige Schauspiel der römischen Kirche – Prozessionen von Klerikern, nach Hierarchien gekleidet, im Zentrum der Papst, feierliche Riten, Chöre mit exzellenter Kirchenmusik – das alles war verschwunden, und ich vermisste es nicht. Unauffällig kam der Papst im Rollstuhl, stand schweigend vor das Kreuz von San Damiano mit den 19 Vertretern verschiedener christlicher Kirchen der Orthodoxie und der Reformation. Danach verließen alle die Mitte nach beiden Seiten, wurden wie zwei ausgebreitete Arme, die einen weiten Raum öffneten für ein erstaunliches Geschehen. Ein Raum des Gebetes, geformt von Menschen, meist jungen, aus verschiedenen Teilen der Erde. Fast alles Laien, besonders viele Frauen. In der Kleidung ihres Landes, mehr Alltags- als Festkleidung. Sie sprachen von ihren Erfahrungen, z.B. als Flüchtende. Sie sangen Lieder ihrer Kulturen. Sie bezogen Symbole, Videokunst, Pantomimen und Performances ein. Immer eingebettet und umfangen vom Gebet und Gesang der Vielen. Das Evangeliar wurde getragen – nicht von Ministranten mit Leuchtern, sondern von einer Frau und einem Mann in ihrer Landeskleidung, daneben im TV-Bild zu sehen eine schwarzafrikanische Hand mit einer Feuerschale.
Gottesdienste solcher Art habe ich bisher am ehesten bei internationalen Treffen Schönstatts erlebt, besonders bei Jugendtreffen. Gottesdienste, von Laien, von jungen Frauen und Männern auf ihre Weise gefeiert.
Eine besondere Rolle spielten Personen mit geistiger Beeinträchtigung. Sehr authentisch und auf ihre Art, stellten sie die Szenen des Samariters dar, der den unter die Räuber Gefallenen barmherzig behandelt.
Eine lange Zeit der Stille. Da erschien mir jeder als sein eigener Liturge, unmittelbar vor Gott. Als geschehe hier das Eigentliche zwischen Gott und Mensch, allen anderen verborgen, die Begegnung des freien Gottes mit seinen freien Kindern, bewahrt als Geheimnis.
Auch den Papst sah man anders. An der Seite neben ihm ein Kirchenmann, dann eine Kirchenfrau, wieder ein Kirchenmann und wieder eine Kirchenfrau. Er sprach nur das „Im Namen des Vaters …“ zu Beginn, eine geistliche Besinnung und am Ende den Segen – kein feierlicher Urbi et Orbi mit Ablass, nur ein schlichtes Kreuzzeichen zusammen mit den 19 Ökumenevertretern und den Worten: „Es segne euch der Vater, der Sohn und der Heilige Geist!“
Auf dem Petersplatz um das Kreuz von San Damiano (Foto: privat)
Als der Gottesdienst beschlossen, die „Offiziellen“ gegangen und der Raum um Kreuz (vom Papst „Lehrstuhl des Meisters“ genannt) und Marienikone leer war, da war es für die Menschen nicht zu Ende. Sie fuhren mit ihrem Beten und Singen fort. Sie scharten sich um das Kreuz, und in dichten Momenten schütteten sie ihr Herz, gebeugt über das Kreuz am Boden, aus.
Mir kam der Gedanke: Geschieht die Reform der Kirche durch das gelebte Leben? Wird eine synodale Kirche zuerst einmal gelebt, und geht das Leben voran, den Strukturen, Traditionen, der Theologie, der Kirchenlehre, dem Kirchenrecht voran?
Es wurde nicht mehr von den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen christlichen Kirchen gesprochen, sondern einfach und durchgängig sprach und betete die „Familie Gottes“. Doch wie wird diese nicht nur in einer Feier beschworen, sondern konkret und durchgängig gelebt? Da hat die Schönstattfamilie reiche Erfahrungen weiterzugeben, wie Kirche Familie wird. Welche Bedeutung dabei Maria hat, die Jesus der Kirche zur Mutter gegeben hat. Wie notwendig der Vater ist, um als Familie geeint zu sein.
Die Weltsynode lässt Schönstatt seinen passenden Platz finden in der großen Familie Gottes. Gemäß der afrikanischen Vision: Kirche als „Familie der Familien“ kann sich Schönstatt verstehen und erleben als eine Familie innerhalb der ganzen Gottesfamilie.
Schönstatt kann auf synodalen Wegen in die Zukunft wachsen. Das gewordene und bestehende Schönstatt kann wie die Verantwortlichen der Ökumene auf der Altarinsel einen weiten Raum der Freiheit öffnen, in dem sich eine junge Generation mit ihrer Kultur ausprobiert. Einer „Kultur der Freiheit, der Offenheit, der Fehlerakzeptanz“. Ein Raum, in dem jeder „individuelle Wege entdecken“ und „auch neue Wege finden darf“, und in dem „in einem gemeinsamen Weg neue Wege zu Gott“ gefunden werden, in dem „das Liebesbündnis für alle offenstehen muss, die sich auf dem Weg befinden“.[*]
Ein Gebetstreffen bewirkt noch keine synodale Kirche, doch es war zeichen- und gleichnishaft für eine synodale Kirche. Für Schönstatt verlockend zum Mitmachen beim großen Oratorium einer synodalen Kirche. Um der Einladung Pater Kentenichs zu folgen zum Liebesbündnis mit allen Gliedern und Gliederungen der Kirche, und darüber hinaus – nach seinen weiteren Worten – auch zum Liebesbündnis mit unseren Feinden, zum Liebesbündnis mit der ganzen Schöpfung.
[*] Die Zitate sind dem Schreiben „Unsere Schönstatt-Kultur“ „einer Gruppe von jungen Schönstätter*innen“ von 2022 entnommen.
Leser-Resonanz
F.K. (Name der Red. bekannt)
Deutschland
16.10.2023, 22:15
Das Foto mit der Gruppe Jugendlicher um das Kreuz von San Damiano stellte uns Michael Gerber, Bischof von Fulda, zur Verfügung. Er schrieb dazu:
"Mich hat sehr bewegt, dass dieses Kreuz am Ende der Feier horizontal auf dem Petersplatz ausgelegt wurde. Die Mitfeiernden waren eingeladen, nach vorne zu kommen, um das Kreuz zu berühren. Für mich ist das mehr als nur ein einfacher Gestus. Denn in Taizé gibt es dieses Ritual mit dem berührbaren Kreuz jeden Freitagabend. Immer wieder berichten mir Menschen: Dort, am berührbaren Kreuz habe ich auch berührbare Menschen gefunden. Es sind Menschen, die mein Leid bewegt, die gerade auch meine Verwundungen bewegen, die ich durch Vertreter der Kirche erfahren habe. Taizé zeigt hier vorbildlich auf, was der Weg der Kirche ist: Diejenigen, die mit ihren Verwundungen dorthin kommen, finden mit dem berührbaren Kreuz auch Menschen, die ihnen zuhören."
Armin Noppenberger
Deutschland, Langenargen
08.10.2023, 21:58
Vielen Dank für die Eindrücke, Beobachtungen und Deutungen, welche mich in meinem Sehnen nach synodal stärken; so konnte ich es noch "miterleben" oder besser "vor-erleben", zeichenhaft, gleichnishaft.
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