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23. Juni 2022 | Deutschland | 

Für mich das Mindeste – Zum Gedenken an den ersten Schönstattpriester, der durch die Nazis umkam


Heinrich König, Schönstattpriester, am 24. Juni 1942 im KZ Dachau ermordet (Foto: Archivfoto)

Heinrich König, Schönstattpriester, Am 24. Juni 1942 im KZ Dachau ermordet (Foto: Archivfoto)

Hbre. In der Altstadt von Gelsenkirchen ist seit 1987 ein zentraler Platz nach ihm benannt und seit 2002 ebenso die darunter liegende U-Bahnstation. Auf der Zwischenebene der Stadtbahnstation gibt es eine kleine Ausstellung, die sein Schicksal präsent macht. In der an den Platz angrenzenden Propsteikirche St. Augustinus ist seit 1989 seine Urne zur Verehrung ausgesetzt. „Jg. 1900, im christlichen Widerstand denunziert, verhaftet 30.9.1941, Gefängnis Gelsenkirchen, ermordet 24.6.1942 Dachau“ ist die Inschrift eines Stolpersteines, den die Projektgruppe „Stolpersteine Gelsenkirchen – Gemeinsam gegen das Vergessen“ am 18. Juni 2021 an der Ahstraße, Höhe Einmündung Husemannstraße, verlegt hat. Und in der Hauskapelle des Schönstatt-Priesterbundes, Vallendar, steht eine Plakette, die an ihn erinnert. Die Rede ist von Heinrich König, der 1942 im Konzentrationslager Dachau als erster Schönstattpriester von Handlangern der Nationalsozialisten umgebracht wurde. Sein Todestag jährt sich am 24.6.2022 zum 80. Mal.

Heinrich König, * 24.6.1900, +24.6.1942 (Foto: Archivfoto)

Heinrich König, * 24.6.1900, +24.6.1942 (Foto: Archivfoto)

Wer war Heinrich König?

Heinrich König ist am 24.6.1900 in Höchst geboren und kam mit seiner Familie 1902 zunächst nach Gelsenkirchen und 1906 nach Unna. Er hatte sechs jüngere Geschwister. Nach dem Abitur 1918 studierte er in Paderborn, Münster und München Theologie und empfing am 10. August 1924 im Paderborner Dom durch Bischof Kaspar Klein die Priesterweihe. Noch vor seiner Weihe zum Diakon hatte er sich 1923 der Priestergemeinschaft der apostolischen Schönstattbewegung angeschlossen, wo er auch den Gründer der Schönstatt-Bewegung, Pater Josef Kentenich, kennenlernte.

Nach seiner Priesterweihe wurde König zunächst als Vikar in Hagen eingesetzt. Ab 1935 war er als Vikar an der Propsteikirche St. Augustinus in Gelsenkirchen tätig, wo er sich u.a. in der Jugendseelsorge engagierte. Er war Präses der Kolpingsfamilie Gelsenkirchen und bemühte sich um den Aufbau und die Begleitung von Gruppen der Schönstatt-Bewegung.

Erinnerungsstele auf dem Gelsenkirchener Heinrich-König-Platz (Foto: privat)

Erinnerungsstele auf dem Gelsenkirchener Heinrich-König-Platz (Foto: privat)

Die Kolpingsfamilie in Gelsenkirchen bemüht sich seit Jahren, die Erinnerung an ihren ehemaligen Präses wach zu halten (Foto: privat)

Die Kolpingsfamilie in Gelsenkirchen bemüht sich seit Jahren, die Erinnerung an ihren ehemaligen Präses wach zu halten (Foto: privat)

Auf der Verteilerebene der Stadtbahnstation Heinrich-König-Platz gibt es eine Gedenk-Ausstellung (Foto: privat)

Auf der Verteilerebene der Stadtbahnstation Heinrich-König-Platz gibt es eine Gedenk-Ausstellung (Foto: privat)

Ein Stolperstein erinnert an den im KZ Dachau ermordeten Schönstattpriester (Foto: privat)

Ein Stolperstein erinnert an den im KZ Dachau ermordeten Schönstattpriester (Foto: privat)

Denunziert und von der Gestapo verhaftet

Am 30. September 1941 wurde Heinrich König, der mit seiner Distanz zum Naziregime nicht hinter dem Berg gehalten hatte, von der Gestapo verhaftet. Der Grund: Eine Denunzierung wegen einer staatsfeindlichen Äußerung. Seine Schwester, Helma König, schreibt dazu in ihren Erinnerungen an den Bruder: Bei der Gestapo ging es um ein Gespräch, „das er mit einem Soldaten in unserer Wohnung geführt hatte. Der Betreffende hatte seinen Bruder im Feld verloren, und mein Bruder versprach ihm, für den Verstorbenen eine heilige Messe zu feiern. Mein Bruder kannte die beiden Soldaten gut, da sie zur Kolpingfamilie gehörten, deren Präses er war. ... Im Verlaufe dieses Gespräches kamen sie auch auf die augenblickliche Situation hier in der Heimat zu sprechen. Gerade hatte der Bischof von Münster, Graf von Galen, in seinen Predigten öffentlich protestiert gegen die Beschlagnahme und Auflösung von Klöstern, die Bespitzelung und Gefangennahme von Priestern und Ordensleuten, die Tötung von Behinderten und Geisteskranken u.a. Um den deprimiert wirkenden Soldaten aufzurichten, tröstete mein Bruder ihn mit der Hoffnung, dass der Krieg wahrscheinlich nicht mehr allzu lange dauern würde. Die Heß-Affaire (sein undurchsichtig gebliebener Flug nach England) hatte bei vielen Menschen diese Hoffnung genährt. … Offensichtlich hat der Soldat nach seiner Rückkehr an die Front seinem Hauptmann oder anderen Kameraden von seinem Besuch bei dem Kolpingpräses erzählt. Jedenfalls ging von dort die Meldung an die hiesige Gestapo.

Im Konzentrationslager gequält und umgebracht

Nachdem König vom 30. September bis 2. Dezember 1941 im Polizeigefängnis von Gelsenkirchen inhaftiert war, wurde er ohne jede Verhandlung ins Konzentrationslager Dachau überführt, wo er am 5. Dezember 1941 eintraf. Als an der Galle Erkrankter war er eigentlich nicht lagerfähig. Doch genau diese Erkrankung führte dazu, dass an ihm von einem jungen SS-Arzt noch im Dezember eine Übungsoperation durchgeführt wurde, die so dilettantisch ausgeführt war, dass er sich von ihr nicht erholte. Erst im März 1942 wurde er im Priesterblock des Konzentrationslagers einquartiert. Von der vorhergehenden Operation geschwächt, konnte er keine schweren Arbeiten ausrichten und wurde zum Stubendienst und Bettenbau in den Baracken eigesetzt, eine gefährliche Arbeit bei dreistöckigen Betten. „Bei dieser Arbeit fiel ihr Bruder von einem Hocker und muss sich wohl an der Stelle verletzt haben, an der die Gallenblasenoperation stattgefunden hatte“, zitiert Helma König Pater Josef Fischer, der damals ebenfalls in Dachau inhaftiert war. Die zunächst trotz großer Schmerzen und ansteigendem Fieber verweigerte Aufnahme und Behandlung im Krankenrevier führte zu einer schweren Bauchfellentzündung, die am nächsten Tag, seinem Geburts- und Todestag, nicht mehr behandelbar war und zu seinem Tod führte.

Die Urne Heinrich Königs ist in der Propsteikirche St. Augustinus in Gelenkirchen ausgestellt (Foto: privat)

Gedenkkapelle: Die Urne Heinrich Königs ist in der Propsteikirche St. Augustinus in Gelenkirchen ausgestellt (Foto: privat)

Bischof Felix Genn hat bei einer Essener Wallfahrt eine Erinnerungstafel an Vikar König mit ins Urheiligtum gebracht (Foto: Zillekens)

Bischof Felix Genn hat bei der Diözesanwallfahrt der Essener Schönstattfamilie 2006 eine Erinnerungstafel an Vikar König mit ins Urheiligtum gebracht (Foto: Zillekens)

Auch beim Gottesdienst der Essener Diözesanwallfahrt 2006 war Heinrich König Thema (Foto: privat)

Auch beim Gottesdienst der Essener Diözesanwallfahrt 2006 war Heinrich König Thema (Foto: privat)

Leben aus einer inneren Quelle

Ein Dachauer Mithäftling, Pfr. E. Th., charakterisiert Heinrich König als einen Mann mit einem gütigen, abgeklärten, stillen Wesen. „Immer wusste er etwas Liebevolles zu sagen und hatte ein freundliches Lächeln auf seinem Antlitz. Wenn man bedenkt, in welch grausiger Not wir uns damals befanden, so muss man das zu würdigen verstehen.“ Helma König schreibt dazu: „Was nach außen hin von meinem Bruder sichtbar wurde, hatte seine Quelle in seinem tiefsten Innern.“ Im Kreis seiner Mitbrüder wurde seine nüchterne, sachliche und dabei verbindliche Art geschätzt, aber auch seine tiefe Innerlichkeit. „Heinrich sprach vor unserer Frauenjugend einmal tief und klar über den Heiligen Geist. Als ich ihm nachher sagte, dass mir seine Gedanken sehr gefallen hätten, sagte er etwa: 'Als mir zum ersten Mal das Geheimnis der hl. Dreifaltigkeit in seiner unerfasslichen Größe aufleuchtete, da habe ich vor Freude die ganze Nacht nicht schlafen können'", hält einer seiner Mitbrüder im Jahr 1957 fest.

Eine „priesterliche Opfergabe“

Heinrich König hat sich in der Schule Schönstatts zu einer „priesterlichen Opfergabe“ formen lassen. Im August 1927 nahm er im Urheiligtum in Schönstatt, Vallendar, an der ersten Weihe von 12 Paderborner Priestern an die Gottesmutter teil. Im August 1939 machte er die ersten vierwöchigen Priesterexerzitien mit und legte am 18. Oktober 1939 im Kapellchen die Weihe im Sinne der „Blankovollmacht“ ab. Er stellte seiner himmlischen Mutter sozusagen einen Blankoscheck aus mit der Bereitschaft, alles in seinem Leben anzunehmen, was der himmlische Vater für ihn vorgesehen hatte. So lebte er eine Ganzhingabe an die Dreimal Wunderbare Mutter und Königin von Schönstatt und ihr Werk.

In seinem persönlichen Weihegebet, das er in seinem schriftlichen Nachlass hinterlassen hatte, betet er (hier einige Auszüge): „Dreimal Wunderbare Mutter, Herrin und Königin, feierlich und unwiderruflich weihe ich mich Dir in dieser Stunde mit meinem Sein und allen Gaben. Ganz und für immer möchte ich Dein Eigentum und Werkzeug sein. … Brennende Sehnsucht lässt mich Dich bitten, lass mich – wie Du – radikal ichabgewandt, christuserfüllt, gottzugewandt leben. … Dein Werkzeug möchte ich sein, nur Werkzeug, aber auch ganz Werkzeug – überzeugt von meinem Unvermögen, aber auch von Deiner grenzenlosen Macht und Güte … Nun lass meine Weihe gelten; in das heilige Opfer trage ich sie hinein, Morgengabe, Tagesweihe, Lebensopfer soll sie sein. Nimm mich in dieser Gesinnung als schwaches Kind mit an die Seite Christi unter das Kreuz, damit mein Leben – wie das Deine – Opfer des Dankes und der Liebe werde in Christus durch den Heiligen Geist für den Vater. Amen."

Für mich das Mindeste!

In diesem innig-tiefen, persönlichen Weihegebet kommt nicht nur seine Verbundenheit mit Maria und ihrem Sohn Jesus Christus zum Ausdruck, sondern auch sein Wunsch und seine Bereitschaft, sich für andere ganz und gar einzusetzen. So ist von ihm in der Priesterzeitschrift „Sal Terrae“ eine Predigt erhalten, in der er das Füreinander verantwortlich sein der Menschen untereinander ganz praktisch mit Maria verbindet: „Wenn wir in der Gottesmutter wieder unsere Mutter sehen, dann werden wir im Nächsten auch mehr den Bruder, die Schwester sehen.“ Eine beispielhafte Anregung, wie gesprochen für die heutige Zeit. Seine Schwester schreibt: „Im Notizbuch meines Bruders, das nicht viele Eintragungen enthält, findet sich der Spruch: ‚An den Armen, Schwachen, Niedern will ich liebend Gott erwidern, was er liebend mir getan.‘ Dieser Satz offenbart uns die demütige selbstvergessende Dienstgesinnung in der Art seiner Seelsorge.“ Im Lauf der Jahre habe der Heilige Geist ihren Bruder noch tiefer in das Christusmysterium hineingeführt. Von einem bestimmten Zeitpunkt an – sie wisse nicht mehr ab wann – habe auf seinem Schreibtisch ganz unauffällig, aber gut sichtbar, das Wort gestanden: „Für mich das Mindeste!“ „Wir haben nie darüber gesprochen, ich kann nur tasten und ahnen, dass es der Ausdruck seiner tiefen Sehnsucht war, ernst zu machen mit der Nachfolge des gekreuzigten Herrn. Wahrscheinlich war es die letzte Ausreifung seines Persönlichen Ideals.“

Bronzetafel zur Erinnerung an Vikar Heinrich König in der Hauskapelle des Priester- und Gästehauses Marienau in Schönstatt, Vallendar (Foto: Brehm)

Bronzetafel zur Erinnerung an Vikar Heinrich König in der Hauskapelle des Priester- und Gästehauses Marienau in Schönstatt, Vallendar (Foto: Brehm)


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