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24. Oktober 2021 | Deutschland | 

Bildung wozu – Werte und Sinn


Vortrag am zweiten Kongress-Tag im Pater-Kentenich-Haus (Foto: Brehm)

Vortrag am zweiten Kongress-Tag im Pater-Kentenich-Haus (Foto: Brehm)

C&Hbre. Der zweite Arbeitstag des Kongresses „Bildung wozu?“ stand unter den Stichworten „Werte“ und „Sinn“. Zum Thema Werte gab es einen Vortrag von Professor (em.) Dr. Volker Ladenthin zum Thema „Werteorientierte Erziehung in postmodernen Zeiten“ und ein sich anschließendes Panel, in dem die Gesprächspartner darstellten, wie sie versuchen, normative Bildungsinhalte in der Praxis umzusetzen.

Werteorientierte Erziehung in postmodernen Zeiten

„Werteorientierte Erziehung in postmodernen Zeiten“ mit diesem Thema beschäftigte sich Professor (em.) Dr. Volker Ladenthin, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhles Allgemeine und historische Erziehungswissenschaft an der Universität Bonn, am zweiten Arbeitstag des vom Josef-Kentenich-Institut in Zusammenarbeit mit der Katholischen Hochschule NRW (katho) und dem Campus für Theologie und Spiritualität Berlin (CTS) veranstalteten Kongresses „Bildung wozu?“ in Vallendar-Schönstatt.

Professor (em.) Dr. Volker Ladenthin, Universität Bonn (Foto: Brehm)

Professor (em.) Dr. Volker Ladenthin, Universität Bonn (Foto: Brehm)

In der Vorstellung durch Professor Dr. Joachim Söder erfuhren die Teilnehmer, dass der Referent auf Lehramt studiert habe, selbst jahrelang im Schuldienst gewesen sei, bevor er sich in Allgemeiner Pädagogik habilitiert habe und an den Lehrstuhl an der Universität Bonn berufen worden sei. Er sei Autor zahlreicher Beiträge und Bücher, die für den Alltag geschrieben seien. Diese Alltagsbezogenheit wurde auch im Vortrag deutlich, in dem der Referent seine Thesen mit gut nachvollziehbaren Beispielen bebilderte.

Ladenthin erläuterte zunächst einige Axiome der Postmoderne: „Wahrheiten sind Illusionen, ein bewegliches Heer von Metaphern“ und „Die Vernunft zwingt die Menschen unter Begriffe und beschneidet ihre Freiheit“ sowie „Die herrschende Moral ist die Moral der Herrschenden“, bevor er von drei Voraussetzungen sprach, die gegeben sein müssten, damit Menschen werten lernen. Der Mensch sei von Natur aus dazu bestimmt, sich selbst zu bestimmen. Er könne alles machen, aber es müsse angemessen sein. Die Vernunft könne richtig und falsch, gut und böse unterscheiden. Der Geltungsanspruch, der in sittlicher Hinsicht gestellt werden könne sei: „Handle so, dass alle Menschen würdig leben!“ Auf dieser Grundlage seien Wertungsprozesse zu erklären.

Am Beispiel „Wasser“ machte Ladenthin deutlich: Werte haften den Dingen nicht an, sie werden ihnen zugeschrieben. So habe das Glas Wasser in der Wüste einen großen Wert, im Übermaß aber habe Wasser zerstörerische Kraft, wie man bei Flutkatastrophen sehen könne. Werte seien situationsbezogen, nicht relativ. Bei Überschwemmungen Wasser als Wert hinzustellen, sei zynisch.

Eine Wertung setzte Kriterien voraus. Wieder am Beispiel Wasser: es ist nützlich, löscht den Durst, erhält die Gesundheit, macht Spaß in der Freizeit, wässert den Garten, lässt Nahrungsmittel wachsen …. Kriterien der Wertung könnten außermoralisch sein, wie z.B. ein gutes Leben führen, aber auch moralisch, z.B. an der Würde des Menschen gemessen. Man könne sich nicht einen Swimmingpool in der afrikanischen Wüste füllen, wenn das Dorf nebenan kein Wasser mehr zum Trinken habe.

Erziehung zum Werten in Unterricht und Schule

Bei der Erziehung zum Werten in Kiga, Schule, Uni, Beruf und auch zu Hause stellten sich fünf Fragen, so der Referent: Was will ich wissen? Wie gelange ich an das Wissen? Was kann ich (mit dem Wissen) tun? Was soll ich tun? Warum soll ich (sittlich) handeln? Aus diesen Fragen ließen sich fünf Prinzipien ableiten:

  • Was will ich wissen? Wer lernen solle, wolle wissen, wozu. Jeder Schüler wolle wissen, warum er etwas lernen solle. Leider würde dies in der Schule viel zu wenig beachtet und kaum über das „was“ aufgeklärt. Das erste Prinzip sei also Anschaulichkeit.
  • Wie gelange ich an das Wissen? Modernes Wissen zeichne sich dadurch aus, dass es begründet sei. Es gelte nur dann etwas als richtig, wenn es auf methodischem Weg seine Gültigkeit erweise, wenn die Schritte nachvollzogen werden können. Es geht also um das Prinzip der Selbsttätigkeit: Schüler müssen selbst zum Ergebnis kommen können, dass das Wissen richtig ist.
  • Was kann ich (mit dem Wissen) tun? Werterziehender Unterricht müsse systematisch und methodisch über den außermoralischen Wert des Erkannten reflektieren und sei dadurch ein unverzichtbarer Beitrag zur Humanisierung der Zukunft. Es gehe diesem Prinzip darum, dass mögliche Zwecke des Wissens bearbeitet werden.
  • Was soll ich tun? Es gäbe immer Gründe dafür, etwas zu tun oder es nicht zu tun. Es sei wichtig zu dieser Unterscheidung immer im Blick auf alle Auswirkungen zu beurteilen, die die Würde des Menschen betreffen. Es sei in der Schule wichtig, die Frage nach dem Handeln theoretisch zu besprechen um dem vierten Prinzip, zu entsprechen, dass alles Gelehrte Bezug zur Würde des Menschen haben muss.
  • Warum soll ich (sittlich) handeln? Diese Frage sei die wichtigste und zugleich nicht vernünftig zu beantworten. Der Mensch brauche das Gefühl, dass das, was er tue, sinnvoll sei. Jeder stelle sich die Frage nach dem Sinn, auch Menschen, die nicht religiös seien, daher sei es gut notwendig, dass es in der Schule auch Fächer gäbe, die die Sinnfrage stellten und sich diesem fünften Prinzip der Sinnhaftigkeit widmeten.

Mit diesen fünf Fragen, so Professor Dr. Ladenthin, könne man seinen Unterricht planen aber auch im Beruf und in der Familie das Leben gestalten. Hinsichtlich der Schule müsse Klarheit herrschen, dass angesichts bedeutsamer Inhalte jeweils nach den sich daraus ergebenden Werten zu fragen sei.

Panel (v.l.): Pater Prof. Dr. Ulrich Engel, Christian Schulze, Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Prof. Dr. Joachim Söder, Prof. Dr. Kathrin Bieler  (Foto: Brehm)

Panel (v.l.): Pater Prof. Dr. Ulrich Engel, Christian Schulze, Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Prof. Dr. Joachim Söder, Prof. Dr. Kathrin Bieler  (Foto: Brehm)

Panel: Normative Bildungsgehalte? Von der Theorie zur Praxis

Der Vormittag wurde abgerundet durch eine Diskussionsrunde, die von den beiden Tagungsleitern Christian Schulz und Professor Dr. Joachim Söder moderiert wurde. Gesprächspartner waren Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Pater Prof. Dr. Ulrich Engel, Prof. für Fundamentaltheologie und Philosophie an der Philosophisch theologischen Hochschule der Kapuziner, Münster, und Gründungsbeauftragter des Campus für Theologie und Spiritualität, Berlin, in Trägerschaft von Orden und geistlichen Gemeinschaften sowie Prof. Dr. Kathrin Bieler, FMO Die Hochschule für Berufstätige, Professor für Theorie und Konzepte in der sozialen Arbeit. Der Gesprächsrunde ging es darum „die verschiedenen Anregungen von einer normativen Bildungsidee zur Überwindung des praktischen, pädagogischen Nihilismus von der Theorie in die Praxis zu transferieren“, wie Prof. Söder es ausdrückte.


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