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23. Oktober 2021 | Deutschland | 

Bildung wozu? - Bildung zum Frieden


Kongressabend zum Thema "Friedensbildung" (Foto: Brehm)

Kongressabend zum Thema "Friedensbildung" (Foto: Brehm)

C&Hbre. Die Abendveranstaltung des Kongresses „Bildung wozu“ lenkte den Blick auf die weltweit wichtige Bildung zum Frieden. Mit Pater Dr. Deogratias Maruhukiro, Freiburg / Burundi, der mit RAPRED ein internationales Netzwerk für den Frieden gründete und Professor Dr. Norbert Frieters-Reermann, Katholische Hochschule Aachen, der sich im Nahen Osten und anderen Orten in der Welt für Konfliktbewältigung, Frieden und Versöhnung einsetzt und dazu forscht, kamen zwei Personen zu Wort, die in diesem wichtigen Feld beeindruckende Wege gehen.

Voraussetzungen für den Aufbau einer Friedenskultur

Pater Deogratias hat sich ganz der Friedensbildung in den Nachkriegsgebieten Ruanda und Burundi, Uganda verschrieben. Eine Friedenskultur kann man aufbauen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Der Pater ist überzeugt: „Ohne gute Regierungsführung, ohne Armutsbekämpfung und ohne Einsatz von Gerechtigkeit durch eine gut funktionierende Justiz sind alle Bemühungen um Frieden und Versöhnung zum Scheitern verurteilt.“ Ebenso überzeugt ist er, dass aufgrund der wechselseitigen Verletzungen und begangenen Verbrechen die Förderung des Friedens eine Therapie der Gesellschaft in verschiedenen Etappen benötige: Begegnung (z.B. gibt es in Burundi große Wallfahrten), Erinnerung (den Menschen die Möglichkeit geben, von dem ihnen widerfahrenen Leid zu erzählen), Aufarbeitung (z.B. Gedenkstätten errichten) und Traumabewältigung. Durch Erziehung und Bildung könne ein Kulturwandel geschaffen und eine nachhaltige Kultur des Friedens und der Versöhnung gefördert werden.

"UBUNTU - 'Ich bin, weil du bist!' Miteinander verbunden sein, ist einer der höchsten afrikanischen Werte.": Pater Dr. Deogratias Maruhukiro, Freiburg / Burundi (Foto: Brehm)

"UBUNTU - 'Ich bin, weil du bist!' Miteinander verbunden sein, ist einer der höchsten afrikanischen Werte.": Pater Dr. Deogratias Maruhukiro, Freiburg / Burundi (Foto: Brehm)

Das von ihm gegründete Netzwerk UBUNTU geht vom afrikanischen Grundsatz aus: „Ich bin, weil du bist!“ Miteinander verbunden sein, sei einer der höchsten afrikanischen Werte. UBUNTU wolle Quelle sein, aus der alle schöpfen können: Solidarität, Großzügigkeit, Menschlichkeit, innere Kraft, um zur Vergebung zu finden und aus dem Gefühl der Schicksalsverbundenheit Frieden möglich zu machen.

Friedensbildung durch Vermittlung von Werten

Da oft keine Schule möglich sei, würden die Werte abends am Lagerfeuer vermittelt werden durch das Erzählen von Geschichten und Gedichten. Die Idealpädagogik Schönstatts, als Pädagogik des Friedens, helfe die Entscheidungs- und Durchsetzungsfähigkeit gegen das Massenmenschentum zu stärken und Menschen zu erziehen, die Nein sagen könnten, nein auch zu Gewalt und Morden. Friedensstifter seien Menschen, die von innen gelenkt würden, nicht von der Masse und blindem Gehorsam.

Friedensprojekte vor Ort in Europa und Afrika

Pater Deogratias ist Mitinitiator der Freiburger Friedensgespräche, bei denen im Exil lebende Politiker aus verfeindeten afrikanischen Ländern versuchen, miteinander in einen Dialog zu kommen. In Afrika regt der Verein Sangwe (Willkommen) eine Willkommens- und Begegnungskultur an mit dem Ziel, Spannungen und Konflikte zwischen Hutu und Tutsi zu vermeiden und abzubauen. Dem dienen gemeinsame Sportveranstaltungen unterschiedlicher Ethnien, Friedenscamps mit Tanz und Trommeln, Versöhnungsarbeit durch Theateraufführungen z.B. zwischen zurückkehrenden Flüchtlingen und dagebliebenen Dorfbewohnern, interregionale Friedensfestivals in Uganda, Ruanda und Burundi.

Die Wahrheit stirbt zuerst – die Hoffnung stirbt zuletzt

„Die Wahrheit stirbt zuerst – die Hoffnung stirbt zuletzt“, mit dieser Feststellung stellte Professor Dr. Norbert Frieters-Reermann seine Erfahrungen und Erkenntnisse in der Friedensarbeit vor. Friedensarbeit müsse über kognitives Lernen hinaus auf verschiedensten Kanälen erfolgen.

"Friedenbildung als Bildung 'über', 'für' und 'durch' Frieden": Professor Dr. Norbert Frieters-Reermann, Katholische Hochschule Aachen (Foto: Brehm)

"Friedenbildung als Bildung 'über', 'für' und 'durch' Frieden": Professor Dr. Norbert Frieters-Reermann, Katholische Hochschule Aachen (Foto: Brehm)

Sieben Kompetenzbereiche

In sieben Kompetenzbereichen zeigte er zusätzliche Möglichkeiten auf Frieden zu lernen: durch Erkennen, Fühlen, Interaktion, Gruppendynamik, Urteilsbildung, Werteentwicklung, Aktion, Performance und Tun, Selbstreflexion, Selbsterfahrung, -beobachtung und Metakognition, usw.

Fünf Inspirationsquellen

In den Konzepten der Friedensarbeit könnte die Einbeziehung von Originalstimmen aus Afrika den Feminismus und Antirassismus betreffend, eine zusätzliche Inspirationsquelle sein. Auch sei es hilfreich anstatt Einzelschicksale zu sehen, die strukturellen Rahmenbedingungen mitzudenken, Verständnis zu entwickeln für Gruppenprozesse, die Einbeziehung von Körpererfahrungen sowie eine transreligiöse Spiritualität einzubeziehen.

Drei Perspektiven

Drei Perspektiven seien ihm im Zusammenhang mit der Friedensbildung wichtig, so der Redner: Friedensbildung als Bildung „über“, „für“ und „durch“ Frieden. Bildung „über“ Frieden betreffe kognitives Wissen und Inhalte. Bildung „für“ Frieden beziehe sich auf die anderen oben genannten Kompetenzbereiche und Haltungen. Bildung „durch“ Frieden setze auf grundlegende, konfliktsensible und friedensfördernde Querschnittsverankerungen in Bildungssituationen und Bildungssystemen, um auf allen Ebenen Konflikte zu minimieren.

"Das Verbindende suchen" (Foto: Brehm)

"Das Verbindende suchen" (Foto: Brehm)

Im abschließenden Gespräch zwischen den Referenten, dem Publikum und dem Tagungsleiter Christian Schulze wurde festgestellt, dass es in jedem Konflikt und scheine er noch so unüberbrückbar Trennendes und Verbindendes gäbe. Die Kunst sei, trotz aller Eskalation das Verbindende zu suchen und in den Blick zu nehmen und nicht nur auf das Trennende zu schauen, wie das oft spontan gemacht würde.

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