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21. Juni 2021 | Deutschland | 

Einsatz in Indien – Lebenssituationen verbessern – Schönstattbewegung bauen


Gisela Häring (2.v.l.) mit Mitarbeiterinnen und Sympathisanten der Frauen- und Kinderprojekte in Viralimalai, Tamil Nadu, im Südosten Indiens (Foto: privat)

Gisela Häring (2.v.l.) mit Mitarbeiterinnen und Sympathisanten der Frauen- und Kinderprojekte in Viralimalai, Tamil Nadu, im Südosten Indiens (Foto: privat)

Claudia Brehm. Frau Gisela Häring stammt aus Urmitz am Rhein und gehört zur Gemeinschaft „Maria auf dem Weg“, die im Geiste Schönstatts arbeitet. Seit 2002 ist die ausgebildete Krankenschwester und ehemalige Leiterin einer Krankenpflegeschule in Lebach-Dillingen in Indien tätig. Sie hat dort auf Vorschlag des lokalen Bischofs Antony Devota ein Frauen- und Kinderprojekt in Viralimalai, Tamil Nadu, im Südosten Indiens begonnen. Zusammen mit Mitgliedern ihrer Gemeinschaft ist sie auch für ein Nachhilfezentrum verantwortlich, in dem 40 bis 50 Kinder Unterstützung finden. Was sie in ihrem fast 20-jährigen Einsatz bewegt hat, erzählt sie hier.

Wie sind Sie zu Ihrer Aufgabe gekommen und wie sieht Ihre derzeitige Arbeit aus?

Gisela Häring: Meine Arbeit als Leiterin einer Krankenpflegeschule in Deutschland lief gut, alles ging seinen gewohnten Gang, aber es kam immer wieder der Wunsch in mir hoch, ein Jahr lang auszusetzen, um irgendwo ganz anders Dienst zu tun. Meine Wahl fiel auf Indien, denn dort erlebt man wirklich eine völlig andere Kultur. Die ersten 6 Wochen arbeitete ich im Waisenhaus, dann eine Zeit in einem Adoptivzentrum, von 34 Babys und Kleinkinder waren nur zwei Jungen, die behindert waren, schließlich in einem Dorfentwicklungsprojekt, die Kleinkredite vergaben. Da das Kinderdorf Sunrise, in dem ich eigentlich mithelfen wollte, immer noch nicht entstehen konnte, habe ich – überzeugt, in Indien zu bleiben, meine Arbeit in Deutschland gekündigt - und 2004 ein eigenes Projekt mit Frauen begonnen.

Produkte aus der Nähwerkstatt (Foto: Häring)

Produkte aus der Nähwerkstatt (Foto: Häring)

Die Unterstützung von Kindern, vor allem von Mädchen, steht im Zentrum der Arbeit von deepam (Foto: Häring)

Die Unterstützung von Kindern, vor allem von Mädchen, steht im Zentrum der Arbeit von deepam (Foto: Häring)

Wie sieht das Projekt aus?

Wir haben Land gekauft mit Unterstützung von Spendern aus Deutschland und zwei Häuser gebaut. Dort gibt es ein Nähatelier, in dem Frauen zu Schneiderinnen ausgebildet werden. Wer begabt war, erhielt eine Nähmaschine, damit sie nun von zu Hause aus selbständig ihren Broterwerb sichern konnte. Inzwischen sind 13 Frauen als Näherinnen im Zentrum angestellt, eine davon ist Anleiterin und bildet weiterhin junge Mädchen zu Schneiderinnen aus. Die Stoffe kommen aus der heimischen Produktion in Indien, die fertigen Näharbeiten werden in Deutschland, gegen Spenden, durch ehrenamtliche Helferinnen auf Frühlings-/Weihnachts-/Sommermärkten angeboten. Die Produktpallette ist groß: Taschen, Babydecken, Kleidung, Beutel, Rucksäcke, Tücher, Gardinen, …

Wir unterstützen die Familien der Näherinnen mit Schulgeld für die Kinder und zahlen ihnen jetzt während der Pandemie, in der keiner außer Haus arbeiten darf, das Gehalt weiter, da ihre Ehemänner allesamt arbeitslos geworden sind. In Indien gibt es keine Kurzarbeit oder ein soziales Netz, das einen auffängt.

Wie kommen die Frauen/Mädchen zu Ihnen oder wie wählen Sie sie aus?

Wir halten unter anderem Katechesen in den Dörfern und lernen interessierte Mädchen kennen. Die einen möchten ins Nähatelier, die anderen gerne studieren, diese unterstützen wir bei der Studiensuche und finanziell während ihres Studiums. Wir helfen nicht nur christlichen Familien, sondern auch hinduistischen. Ich erinnere mich an einen jungen Hindu. Nachdem er sein Ingenieur Studium abgeschlossen hatte, und seine 1. Stelle antrat, brachte er seinen ersten Monatslohn zu mir als Dankeschön.

Zusätzlich haben wir ein Nachhilfezentrum in unserem Haus. Wir können mit unseren eigenen Leuten viele Fächer abdecken. Wir haben aber Mr. Naveen angestellt und ihm die Verantwortung für das Nachhilfezentrum übertragen. Mr. Naveen hatte als Kind Kinderlähmung, die nicht behandelt wurde. Er ist nicht in der Lage zu Laufen oder zu Gehen, sondern benutzt seine Hände, um sich auf dem Boden weiter zu bewegen.

Nachhilfeunterricht für Kinder (Foto: Häring)

Nachhilfeunterricht für Kinder (Foto: Häring)

Unterstützung der beteiligten Familien durch eine Suppenküche (Foto: Häring)

Unterstützung der beteiligten Familien durch eine Suppenküche (Foto: Häring)

Unterstützung der beteiligten Familien durch eine Suppenküche (Foto: Häring)

Unterstützung der beteiligten Familien durch eine Suppenküche (Foto: Häring)

Gibt es an Ihrem Wohnort eine Schönstattfamilie?

Als ich nach Viralimalai kam, gab es dort keine Schönstattfamilie. Nach dem Tsunami 2005 habe ich junge katholische Frauen in unser Haus aufgenommen. Sie haben Englisch gelernt, das war wichtig, da ich der einheimischen Sprache – Tamil - noch nicht mächtig war. Ich habe sie in die schönstättische Spiritualität eingeführt und es scheint, dass meine Begeisterung und mein Lebensstil als Funke übergesprungen ist. Inzwischen sind es 9 junge Frauen, die zu unserer Gemeinschaft „Maria auf dem Weg“ gehören und mit mir zusammen Schönstatt in unserem Ort und darüber hinaus, aufbauen. Vor Corona haben wir jeden 18. des Monats zur Bündnismesse in unser Haus eingeladen. Wir haben zwei Gruppen von Ehepaaren, die sich regelmäßig zu Gruppenstunden treffen und die vor drei Jahren das Liebesbündnis geschlossen haben. Sie helfen uns tatkräftig mit, zum Beispiel bei der Organisation von „Candlelight Dinnern“- zwei Mal im Jahr. Sie laden die Ehepaare ein und haben angefangen bei den Impulsen mitzuarbeiten, indem sie von ihren Erfahrungen berichten.

Über Indien rollt gerade eine beispiellose Welle der Corona Pandemie hinweg. Ist Ihre Region davon auch so hart betroffen?

Nicht in dem Ausmaß wie Delhi und andere große Städte. Die Zahl der Erkrankten steigt auch in unserem Ort. Wir lebten seit dem Herbst 2020 so, als ob wir die Pandemie überstanden hätten, die Zahlen von Neuinfektionen waren sehr rückläufig. Dass es jetzt so gewaltig nochmals ausbricht, überrascht uns alle.

Die meisten Inder sind Hindus. Wie stehen diese zu Leid, Sterben und Tod?

Die Hindus sind ein sehr offenes Volk, was Religion angeht. Wenn ihre Götter nicht zu helfen scheinen, dann geht man nach Vailankani, ein katholischer Wallfahrtsort, und betet zu der „Göttin“ Maria oder zündet eine Kerze an. In der Fastenzeit haben wir jeden Abend eine Kreuzwegstation in verschiedenen Häusern gebetet. Da die hinduistische Bevölkerung unser Gebet hörte und die Prozession sah, haben sie uns eingeladen, auch zu ihnen zu kommen und zu beten oder sie zu segnen. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass es eine starke Strömung in Indien gibt, die das Land zu einem reinen Hindu Staat machen will.

Wenn jemand stirbt, dann geht jeder zur betroffenen Familie und trauert mit. Es war am Anfang beeindruckend für mich; denn wir lassen die Familie nicht allein. Das ist unabhängig von der Religionszugehörigkeit, es sitzen Hindus, Moslems und Christen nebeneinander und trauern. Mit Körperbewegung und Wehklagen, werden die Frauen der Trauerfamilie getröstet. Die Rituale sind ähnlich, nur der Beerdigungsort ist anders (die Hindus verbrennen, die Christen bestatten im Sarg), aber jeder leidet unter dem Verlust seiner Lieben. Die Begräbniszeremonie muss schnell erfolgen, weil die Hitze so groß ist. Wenn die Nachbarn und Freunde alle beim Leichnam zusammengekommen sind, gebetet haben und die Waschung des Toten vollzogen ist, gehen die Männer mit zum Verbrennungsplatz oder zum Friedhof und die Frauen nach Hause. Ein männliches Mitglied der Familie; dies kann der Sohn sein oder ein Bruder der/des Toten, bekommt den Kopf kahlgeschoren und muss dann den Scheiterhaufen in Brand setzen.

Jedes Volk hat seine besonderen Fähigkeiten und Schätze. Was schätzen Sie besonders an der indischen Mentalität?

Die unwahrscheinlich große Gastfreundschaft. Sie ist wirklich beeindruckend. Selbst Menschen, die bitterarm sind, holen ihr Letztes für den Gast hervor. Das können wir von ihnen lernen.

Was hilft Ihnen bei Durststrecken, wenn nichts zu gelingen scheint, oder wenn Menschen enttäuschen, oder Projekte scheitern?

Ich stehe morgens immer sehr früh auf und halte Meditation und Anbetung. Diese Zeit gibt mir viel Kraft für meinen Tag. Da kommen Fragen hoch, aber auch Antworten. Diese tägliche Stunde ist mein persönlicher Ruhepol.

Wie können Ihre Arbeit, ihre Projekte unterstützt werden?

Durch viel Gebet, besonders jetzt in der Pandemie, aber auch für unsere Bemühungen, dass wir die Menschen finden, die unserer Unterstützung am meisten bedürfen, dass wir Schönstatt inkulturiert weitergeben können, verankert in der indischen Mentalität und alltagsbezogen. Natürlich sind wir auch froh über Spenden. Zurzeit können wegen der Corona Pandemie keine Märkte stattfinden.

Herzlichen Dank, Frau Häring für Ihr Engagement und Ihr lebhaftes Erzählen aus einer ganz anderen Kultur.

Das Interview führte Claudia Brehm

Mehr Informationen

  • Spendenkonto: Institut Josef Kentenich, IBAN: DE53570501200000294595, BIC: MALADE51KOB
  • Internetseite: www.deepam-indien.de

 


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