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3. Februar 2021 | Kommentar der Woche | 

Stefan Heße: Die Suche nach der Freude an der Kirche


(Foto: pixabay.com)

Kommentar der Woche: Die Suche nach der Freude an der Kirche

Erzbischof Dr. Stefan Heße | Bistum Hamburg (Foto: basis-online.de)

Erzbischof Dr. Stefan Heße | Bistum Hamburg (Foto: basis-online.de)

03.02.2021

Stefan Heße

Die Suche nach der Freude an der Kirche

Letztens bei einer Online-Veranstaltung haben wir Teilnehmer von dem geistlichen Begleiter eine Hausaufgabe bzw. eine Denkanregung mit auf dem Weg bekommen: „Wenn Sie mitten in der Nacht aufgeweckt werden und Sie danach gefragt werden, was Ihnen Freude an der Kirche bereitet, was würden Sie dann sagen?“ Die nonverbalen Reaktionen der Teilnehmer, die auf kleinen Bildschirm-Kacheln angezeigt wurden, waren sehr unterschiedlich. Einige lächelten, andere machten große Augen. Die Antwort sollte jeder für sich selbst geben und so wurden wir mit diesem Denkansatz verabschiedet. Ich muss zugeben, dass mir diese Frage sehr nachgeht. Nicht, weil ich für mich keine Antwort hätte, sondern weil ich hoffe, dass auch die anderen Teilnehmer mitten in der Nacht diese Frage schnell und ohne lange zu überlegen beantworten können.

Für meinen Teil kann ich sagen, dass ich ohne Kirche nicht glauben könnte. Damit meine ich nicht das Gebäude, das mir eine gewisse Atmosphäre schafft und mich in seiner Stille zum Gebet einlädt. Nein, ich meine die Gemeinschaft, den Austausch und die wechselseitige Bestärkung des Glaubens in der Gemeinschaft. Ohne das gemeinsame Leben dieses Glaubens – in all seinen Facetten – würde mir etwas fehlen und sicherlich würde mein Glaube dann auch in eine Durststrecke gelangen. Ich denke an so viele Mitglaubende in meinem Leben, ich bin dankbar für alle, die vor mir geglaubt haben und auf deren Glaubenszeugnis mein Glaube aufbaut. Aber auch der Grundgedanke von der Sakramentalität der Kirche ist ein wichtiges Fundament für meinen Glauben. Diese Kirche ist Sakrament Jesu Christi, sie ist Zeichen seiner Nähe – gerade jetzt.

Doch ich sehe der Realität ins Auge und weiß, dass es mit der Freude an der Kirche nicht so leicht ist. Das mag sowohl bei Haupt- wie bei Ehrenamtlichen so sein, als auch bei den Gläubigen im Allgemeinen. Auch wenn sich die katholische Kirche von Deutschland mit dem Synodalen Weg den Fragen der Gegenwart stellt und für Reformen wirbt, aus der Sicht vieler Christinnen und Christen wird die Kirche immer realitätsferner und fremder. Was bleibt, ist eher ein Misstrauen und ein verlorenes Vertrauen in die Kirche. Wie kann man da noch Freude an der Kirche haben bzw. diese zeigen?

Man sagt, dass Freud und Leid zusammengehören. Freude an der Kirche? Vielleicht kann man sich (derzeit) nur an der Kirche freuen, wenn man auch an ihr leidet? Dem Kirchenlehrer Thomas von Aquin wird der Satz zugesprochen: „Unser Leben kann nicht immer voller Freude, aber immer voller Liebe sein.“ Vielleicht könnte das gerade jetzt unser Zugang zur Kirche sein: Ich mag sie leiden.

Mitten in der Nacht geweckt zu werden und die Freude an der Kirche auszudrücken, mag mal mehr oder weniger leicht fallen. Für den Fall, dass man wirklich geweckt wird, hilft vielleicht dieser Gedankengang: Man muss die Kirche lieben, man muss sie leiden können, um sich an ihr, in ihr, mit ihr und über sie freuen zu können.



Quelle: www.basis-online.net
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung


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