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12. September 2019 | Kommentar der Woche | 

Christine Lieberknecht - Zum Schulanfang


(Foto: pixabay.com)

Kommentar der Woche: Zum Schulanfang

Christine Lieberknecht Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen a.D. (Foto: basis-online.net)

Christine Lieberknecht | Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen a.D. (Foto: basis-online.net)

14.09.2019

Christine Lieberknecht

Zum Schulanfang

Vom Ferienbeginn am 20. Juni an, zuerst in Berlin und Brandenburg, gefolgt von Nord-, West- und Mitteldeutschland, wurden Familien, Urlauber und Touristen nahezu zwölf Wochen lang, quasi im „rollenden System“, umworben mit Ferienstimmung; abschalten, entspannen, genießen … Seit Wochenbeginn gehen nun auch die Schüler in Baden-Württemberg und Bayern wieder ihrem geregelten Schulalltag nach. Vielerorts haben Schulanfängergottesdienste den geistlichen Rahmen für das neue Schuljahr gesetzt. Für die Erstklässler wurde ein neuer Lebensabschnitt eingeläutet. Auch für sie heißt es jetzt: Lesen, Schreiben, Rechnen lernen.

Moderne Ausstattungen mit Whiteboard, iPad und Smartphones machen dabei selbst vor unseren alten Kulturtechniken nicht halt. Eine biblische Ermahnung für heutige Schüler wirkt angesichts der neuen digitalen Möglichkeiten wie aus der Zeit gefallen. „Mein Kind, vergiss meine Gesetze nicht, und dein Herz behalte meine Gebote.“ So steht es in Sprüche 3, Vers 1 zu lesen.

Es ist einer jener Verse des König Salomo, aus denen die Wertschätzung des Alten Testaments für Kinder spricht. Schon im Mutterleib wird ihnen die Gottebenbildlichkeit zugesprochen; im bekannten Kirchenlied singen wir: „Lobe den Herren, der künstlich und fein dich bereitet“. Da geht es nicht um den drohenden Zeigefinger oder Bestrafung mit Ansage bei Nichtbefolgung. Nein, da geht es zu allererst um einen Auftrag an uns Erwachsene: Schätzt Kinder als Ebenbilder Gottes wert. Nehmt Kinder ernst und gebt ihnen Rüstzeug für ihr Leben.

Da ist das eigene Vorbild gefragt. Es geht um Pädagogik mit „Kopf, Herz und Hand“ im besten Sinne. Das ist nicht mit dem Klick auf dem PC oder einem flüchtigen Wisch auf dem Smartphone getan. Angesichts dieser Aufgabe kommt mir, für mich selbst überraschend, die alte Schiefertafel wieder in den Sinn. Auch das Fach „Schönschreiben“, wie es zu meiner Zeit in den 1950er und 60er Jahren noch gelehrt wurde, könnte helfen. Neben den Übungen für Ausdauer und Feinmotorik war dieses Fach zur dauerhaften Verinnerlichung dessen, was den Schülern zum Schreiben aufgegeben war, geradezu ideal geeignet.

Die Ermahnung „Vergiss meine Gesetze nicht, und dein Herz behalte meine Gebote“ legt uns als Erwachsenen die Übung nahe, mit unseren Kindern gemeinsam wieder etwas einzuschreiben – auf die Tafel unserer Herzen, für den Kompass des Lebens. Die Wiederentdeckung unserer, derzeit in vielen Lehrplänen allenfalls nachrangig bedachten Handschrift wäre dafür ein guter Anfang.

Christine Lieberknecht
Ministerpräsidentin von Thüringen a.D.


Quelle: www.basis-online.net
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung


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