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20. März 2019 | Aus Bewegungen | 

Gebet für Europa – ein Interview mit Sr. Dr. Nicole Grochowina und Sr. M. Lioba Ruprecht


Gebet für Europa (Foto: together4europe.org)

Hbre. Das Netzwerk „Miteinander für Europa“ lädt die Mitglieder seiner Gemeinschaften und Bewegungen und darüber hinaus alle Menschen, die mitmachen möchten, zu einem sechs Wochen dauernden „Gebetsweg für Europa“ ein. „Europa braucht unser Gebet!“, schreibt Sr. Dr. Nicole Grochowina, Christusbruderschaft Selbitz, die diesen sechswöchigen Gebetsweg mit vorbereitet hat in einem Facebook-Posting. „Ab dem 25. März sind alle eingeladen, Impulse und Fürbitten aus europäischen Ländern aufzunehmen und bis zum Europatag am 9. Mai einen gemeinsamen Weg des Gebetes zu gehen.“ Auch Sr. M. Lioba Ruprecht, Schönstätter Marienschwester, Vallendar, war an der Umsetzung des Gebetswegprojektes beteiligt. Im folgenden Interview machen die beiden Schwestern deutlich, was ihnen dieses Projekt bedeutet.

Schwester Lioba, Schwester Nicole, warum muss „Europa vom Ural bis Portugal“ gerade heute durch Gebet getragen und gestaltet werden?

Sr. M. Lioba Ruprecht, Schönstätter Marienschwestern, Valendar  (Archivfoto: Brehm)

Sr. M. Lioba Ruprecht, Schönstätter Marienschwestern, Valendar  (Archivfoto: Brehm)

Sr. M. Lioba Ruprecht: Es gibt viele Mitbürger auf unserem Kontinent, die sich nicht bewusst sind, was die mehr als 70 Jahre Frieden bedeuten. Sie haben vielleicht nicht genügend lernen können, dass demokratische Strukturen Mitverantwortung brauchen. Sie genießen den Wohlstand oder leiden an Armut und zeigen ihren Unwillen, wenn etwas schlecht läuft. Aber es braucht mehr Miteinander und Füreinander, dass wir in Freiheit und Frieden leben können.

Sr. Dr. Nicole Grochowina: Europa erlebt schon seit geraumer Zeit große Veränderungen, die es in dieser Weise noch nicht gegeben hat. Dabei wird auch etwas von dem aufgekündigt, was das „Friedensprojekt Europa“ bis dahin ausgemacht hat: Gemeinsam unterwegs zu sein, Einheit zu leben und auf diese Weise allen Tendenzen eines unguten Separatismus‘ zu wehren, der sich Redensweisen und Haltungen bedient, die eher an die Zeiten erinnern, in denen Europa seine größte Katastrophe erlebt hat. Bei allem, was hier politisch unternommen werden kann und muss, braucht es aber in dieser prekären Situation auch und gerade das Gebet, um all jene zu stärken, die sich für Einheit und Versöhnung, für Miteinander und Ausgleich einsetzen – und die dies gemeinsam tun wollen. Und das Gebet gilt auch dem Kontinent als solchen, dass hier Einheit und Versöhnung zwischen Menschen und Nationen erfolgen, die die Welt inspirieren.

Ist es angesichts der Fliehkräfte, die derzeit in Europa spürbar sind, nicht etwas vermessen zu glauben, dass einige Hundert oder auch Tausend Beter irgendeine Veränderung erreichen könnten?

Sr. Dr. Nicole Grochowina, Christusbruderschaft Selbitz (Archivfoto: Brehm)

Sr. Dr. Nicole Grochowina, Christusbruderschaft Selbitz (Archivfoto: Brehm)

Sr. Dr. Nicole Grochowina: Warum sollte das vermessen sein? Betende sind immer aufgefordert, im Vertrauen darauf zu beten, zu bitten und zu danken, dass Gott hört und ins Leben führt. Da macht dann bisweilen schon ein einziges Gebet einen Unterschied. Doch in manchen Zeiten ist es – wie eben jetzt auch – gut, sich im Gebet zu verbinden, sich gemeinsam zu Gott hin auszustrecken und ihn anzubeten und anzuflehen. Und dies tun wir gemeinschaftlich und über alle konfessionellen und nationalen Grenzen hinweg, was an sich schon ein Wunder und doch in Gottes Wirklichkeit eher eine Selbstverständlichkeit ist. Weil Gott uns ins Gebet ruft, steht die Kraft des Gebetes für mich außer Frage. Und so bin ich gespannt, wie Gott in den sechs Wochen im Kleinen, aber vielleicht auch im Großen wirken wird.

Sr. M. Lioba Ruprecht: Es hat sich schon bei der Wiedervereinigung Deutschlands vor dreißig Jahren gezeigt, dass es die kleinen Gebetsgruppen waren, mit denen die Wende ohne Blutvergießen eingeleitet wurde. „Gebet dringt durch die Wolken, es erbittet Gottes machtvolles Eingreifen, und die Menschen staunen.“

Wie kam es zu diesem Gebetsprojekt innerhalb des Netzwerkes „Miteinander für Europa“?

Sr. M. Lioba Ruprecht: Zwanzig Jahre sind verschiedene Gemeinschaften schon miteinander unterwegs. Durch Freundschaften wurden Mauern überwunden, lernte man die Gaben der anderen kennen und ihren besonderen Auftrag für alle Christen. Immer wieder gab es auch Versuche, Politiker für die Ideen des Netzwerks zu begeistern. Dass das Gebet tatsächlich eine Großmacht ist, die wirklich etwas weiterbringen kann, wurde bei verschiedenen Treffen deutlich. Und weil die Herausforderungen immer größer werden, sagten wir: Jetzt braucht Europa unser Gebet. Denn bei der Europawahl sollen diejenigen ans Ruder kommen, die ein friedliches und solidarisches Europa wollen, nicht solche, die das Friedenswerk der Gründungsväter wieder niederreißen.

Sr. Dr. Nicole Grochowina: 2017 haben wir uns als europäischer Trägerkreis mit gut 120 Menschen in Wien getroffen. Da entstand die Idee, den Europatag, den 9. Mai, mehr in den Fokus zu rücken und ihn im „Miteinander für Europa“ zu gestalten. Im Zuge dieser Überlegungen ist uns erneut sehr deutlich geworden, dass wir kein politisches Netzwerk und keine Partei sind; also auch nicht mit entsprechenden Methoden agieren sollten und werden. Nein, unsere Kernkompetenz liegt darin, von den Erfahrungen der Einheit und der Versöhnung zu erzählen, die wir zwischen uns als geistliche Gemeinschaften und Bewegungen über alle Grenzen hinweg gemacht haben,– und „für Europa“ in dem Sinne zu sein, dass wir Europa als Kontinent ins Gebet bringen und um Einheit und Versöhnung bitten. Vor diesem Hintergrund haben wir uns aufgemacht, einen sechswöchigen Gebetsweg für ganz Europa zu gestalten, der in der Woche des 29. März beginnt und in der Woche des Europatages endet.

Können Sie kurz beschreiben, wie das Gebetsprojekt konkret gedacht ist?

Sr. M. Lioba Ruprecht: Ein eigens verfasstes Gebet für Europa wird in sechs Teilen entfaltet. Für jede Woche ab dem 25.3. gibt es einen Impuls von Verantwortungsträgern verschiedener Länder und Bewegungen und ein persönliches Zeugnis zu Europa bzw. zum Heimatland der Verfasserin oder des Verfassers mit konkreten Gebetsanliegen für das Land bzw. den Kontinent.

Sr. Dr. Nicole Grochowina: Sechs Wochen lang werden wir europaweit auf diesem Gebetsweg gemeinsam unterwegs sein. Grundlage ist ein Gebet für Europa, das wir in sechs Teile aufgeteilt haben: Anbetung, Dank, Bitte, Buße, Proklamation und Segen. Zu jedem dieser Themen aus dem Gebet gibt es dann wochenweise einen Impuls, in der ersten Woche ist dies also ein Impuls zur Anbetung. Und wochenweise gibt es immer auch einen kleinen Bericht aus einem Land, an den sich Fürbitten für dieses Land anschließen. Für die Berichte aus den Ländern haben wir Menschen gewonnen, die vor Ort leben und in einer geistlichen Gemeinschaft oder Bewegung aktiv sind. Insofern sind dies meist Selbstzeugnisse mit bisweilen sehr persönlichen Fürbitten, die alle die Liebe zu ihrem Land und auch die Sorge darum atmen.

Natürlich mussten wir für die sechs Wochen Länder auswählen. So haben wir entschieden, dass die Länder Slowenien, Ukraine, Niederlande, Deutschland, Ungarn und Estland sein werden. Das entspricht auch sehr dem Weg, den das „Miteinander für Europa“ gegenwärtig geht: das Hören auf und Lernen von den Geschwistern in Zentral- und Osteuropa. Wer aber noch andere Länder ins Gebet nehmen will, ist herzlich eingeladen, dies zu tun. Wir machen ein Angebot, doch die Betenden entscheiden, wie sie dies ausgestalten wollen.

Im Netzwerk sind ja unterschiedlichste Gemeinschaften und Bewegungen mit sehr verschiedenen Gebetstraditionen vertreten. Wie lief da die Vorbereitung? Wie kommt man da zusammen?

Sr. M. Lioba Ruprecht: Die treibende Kraft war Ortwin Schweitzer, vom Netzwerk „Canopy of prayer“, der mit dieser Gebetsgemeinschaft schon viele Jahre für Politiker und für Deutschland betet. Er hat das Gebet entworfen. Zusammen mit Sr. Nicole Grochowina, von der Christusbruderschaft Selbitz, die im Leitungsteam „Miteinander für Europa“ mitarbeitet, entwickelte er die Idee im Blick auf die Europawahl. Ich wurde gebeten ein Zeugnis für die dritte Gebetswoche zu schreiben und an der Textredaktion mitzuarbeiten.

Sr. Dr. Nicole Grochowina: Man kommt sehr gut zusammen; es ist frappierend, was alles möglich ist, wenn das Anliegen ein gemeinsames und das Wohlwollen füreinander ein großes ist. Im Team waren wir eine recht bunte Mischung, doch die Vorbereitungen liefen ganz hervorragend und zugewandt, denn wir begegnen einander in hohem Respekt für die Gaben der jeweils anderen und sind in der gemeinsamen Liebe zu Christus und auch sehr im Gebet füreinander verbunden. Und wir haben gemeinsam dieses große Anliegen, Europa ins Gebet zu bringen. Vor diesem Hintergrund war es leicht, einen gemeinsamen Weg zu finden – und wir hoffen, dass dies auch quer durch Europa gelingt.

Und dann gibt es viele Menschen in Rom, wo das internationale Sekretariat von „Miteinander für Europa“ ist. Hier wurde dankenswerterweise sehr viel Übersetzungsarbeit geleistet – und auch sonst ist es ein gemeinsames Nachdenken und Unterstützen gewesen, das war eine ganz großartige Erfahrung, denn es zeigt, was alles gemeinsam möglich ist.

Und schließlich sind da noch die vielen Menschen, die uns immer wieder Mails geschrieben oder die uns direkt angesprochen haben, um uns sagen, dass sie uns bei der Vorbereitung im Gebet begleiten würden – und dass dieser Gebetsweg eine sehr gute Idee sei. Das hat mich immer sehr berührt, denn diese Mails kamen aus unterschiedlichen Regionen Europas und haben eine Verbindung unter uns aufleuchten lassen, die ich nur als Geschenk und Hoffnungszeichen für Europa verstehen kann. Insofern: Es war viel Arbeit, aber es war immer getragene Arbeit. Wir sind tatsächlich bereits jetzt im Gebet miteinander verbunden.

Wie beteiligen sich ihre am Gebetsweg, bzw. was wünschen Sie sich diesbezüglich?

Sr. M. Lioba Ruprecht: Ich hoffe, dass viele, die aus dem Liebesbündnis leben, den Gebetsweg persönlich mitvollziehen, auch durch ganz konkrete Taten, die sie der Gottesmutter dafür schenken. Ich vertraue auch, dass die „Mater ter admirabilis“, Maria, die dreimal wunderbare Mutter, ihre Fürbittmacht bei Gott geltend macht, und ich bin überzeugt, dass das Gebet vieler eine Wirkung hat. Dass der Gebetsweg genau am Fest der Verkündigung des Herrn beginnt, sehe ich als liebevolle Zugabe Gottes. „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft“! Es ist Marias Aufgabe heute neu Christus zur Welt zu bringen!

Sr. Dr. Nicole Grochowina: Wir haben durch unsere Stundengebete in der Gemeinschaft immer die Chance, die besonderen Anliegen Europas und der Welt ins Gebet zu nehmen – und das tun wir auch. Hier wird der Gebetsweg also auf jeden Fall seinen Platz finden. Zudem werden wir in kleinen Gruppen die Anliegen die einzelnen Länder und damit Europas als solches ins Gebet nehmen. Wir machen allen Schwestern die Impulse und den Gebetstext zugänglich – und wie ich meine Gemeinschaft kenne, werden viele meiner Schwestern diese auf ihr Herz nehmen und in Gebetszeiten – durchaus auch mit Gästen wie etwa beim Friedensgebet – hineintragen. Zudem nimmt unsere Tertiärgemeinschaft die Impulse auch auf, so dass auch hier das Gebet seinen Weg finden wird.

Vielen Dank, Schwester Lioba, Schwester Nicole, für dieses Gespräch.

 

Das Gebet und die Impulse sind in vier Sprachen übersetzt: Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch, so dass wir hoffen, dass es von vielen Menschen aufgenommen und quer durch Europa gebetet wird. Alle Texte sind auf der internationalen Website www.together4europe.org zugänglich – und auf der deutschsprachigen Website sind sie ebenfalls eingestellt: www.miteinander-wie-sonst.org Und wer sonst noch Hilfe, Texte, Rat oder was auch immer benötigt, kann sich gern bei Schweser Nicole melden.

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