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18. November 2015 | Worte des Bewegungsleiters | 

In die Zukunft mit einer außergewöhnlichen Zusage


Jubiläumsmotiv 2015 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Kiess)

Jubiläumsmotiv 2015 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Kiess)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt-Bewegung!

In diesem Bündnisbrief darf ich Ihnen einen ersten Gruß sagen im Rahmen dieses Leitartikels. Am 22. September hat das deutsche Landespräsidium mich als neuen Leiter der Schönstatt-Bewegung Deutschland für sechs Jahre gewählt und eingesetzt. Für die Übergangszeit seit dem Amtszeitende von Pater Lothar Penners hat Pater Lothar Herter die notwendigen Aufgaben in die Hand genommen. Ihm gilt ein herzlicher Dank für seine Bereitschaft und seinen hochherzigen Dienst. Die Oktober-Tage 2015 haben Lebensaufbrüche und Initiativen gezeigt. Sie sind auch Auftakt für meine neue Aufgabe.

Das Jubiläumsjahr, das hinter uns liegt, ist vor allem eine außergewöhnliche Zusage, mit der wir in die Zukunft gehen dürfen. Ich staune immer wieder, wie stark die Freude und Tiefe der vielen Erlebnisse des Jubiläums noch lebendig sind.

Pater Ludwig Güthlein (Foto: Brehm)

Pater Ludwig Güthlein (Foto: Brehm)

Warum hat uns der Himmel diese besondere Erfahrung geschenkt? Ein Mitbruder stellte diese Frage. Er sah zwei Deutungsmöglichkeiten: Vielleicht ist der Oktober 2014, dieser „Oktober im Sonnenlicht“, das Versprechen unserer Bündnispartnerin für ein neues Aufblühen Schönstatts in unserem Land. Das weltweite Jubiläum war so groß und so schön, dass es in sich die Kraft neuer Blüte trägt.

Oder liegt darin eine andere Einladung? Sollen wir das Jubiäum sehen wie die Taborerfahrung, die die Jünger mit Jesus machen durften. Sie brauchten die Taborerfahrung, um die Ablehnung und den Karfreitag bestehen zu können. Ist der “Oktober im Sonnenlicht” eine Vorbereitung für Schweres, das es gilt, in Treue durchzutragen und zu meistern?

Mit welchem Blick schauen wir in die Zukunft? Vielleicht haben beide Deutungen eine tiefe Wahrheit. Die deutsche Schönstatt-Bewegung ist in einem Umformungsprozess. Es gibt in verschiedenen Diözesen, in den Gliederungen und in den Gemeinschaften unserer Bewegung Erfahrungen, dass das Leben nicht einfach weitergeht und von einer neuen Generation übernommen wird. Viele Schönstätter haben mit Treue und Glaube an die Sendung unseres Gründers unglaublich viel aufgebaut. Wenn man jetzt miterlebt, dass angefangene Projekte sich sehr schwertun oder ganz zu Ende gehen, dann gehen solche Enttäuschungen unter die Haut. Ein Mann aus der Familienbewegung sagte einmal zu mir: “In jungen Jahren habe ich unsere Gemeinde mit aufgebaut. Die Kirche wurde neu gebaut und viele Initiativen wurden gestartet, und heute wird die Gemeinde zusammengelegt und die Kirche geschlossen. Ich habe den Aufbau des Schönstatt-Zentrums unserer Diözese mitgetragen, und auch da stehen wir vor der Frage, ob wir es schließen müssen. Und auch in der eigenen Familie erlebe ich, dass die Schönstatt-Pädagogik auch nicht alle die Früchte gebracht hat, die ich mir einmal erhofft habe.“

Eine solche Lebenserfahrung kann man nicht einfach beantworten mit dem Hinweis, dass es ja woanders Aufbrüche gibt. Ich glaube, es ist für uns alle wichtig, dass wir die Würde sehen, die im Annehmen und Verarbeiten solcher Lebensenttäuschungen und Lebensfragen liegt. Für eine Verheißung leben und arbeiten können, ist in sich ein wertvolles Geschenk. Der Umgang mit nicht erfüllten Verheißungen ist noch einmal eine eigene Wachstumsherausforderung. Ich glaube, dass die Zusage des Jubiläums auch hierfür gilt. Unsere Bewegung steht auf den Schultern von Generationen, die den Krug des Gnadenkapitals reichlich gefüllt haben, es gerade auch heute tun.

Und gleichzeitig werden uns in unserer Bewegung neue Aufbrüche voller Schwung und Zuversicht geschenkt. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Mitarbeitern aus den Jugendgemeinschaften. Immer wenn ich diese oder junge Erwachsene selbst frage, was ihnen Freude und Kraft schenkt, dann erlebe ich, wie jeder in kraftvollen Initiativen steckt, genug an Arbeit hat und sehr oft über die diözesanen Grenzen hinweg mit anderen vernetzt ist. Da wächst eine Generation, die sich nicht an den Zahlen vergangener Zeiten orientiert, sondern am Miteinander in unterschiedlichen Initiativen. Wenn auf der einen Seite etwas wächst und auf der anderen Seite anderes um das Weiterleben ringt, dann muss man schon eine Spannung durchtragen, um sich gegenseitig wertzuschätzen und Freiraum zur eigenen Entwicklung zu lassen.

Und nicht nur bei der Jugend blüht Neues auf. Die Familienpastoral Schönstatts wird in ihrer Qualität wahrgenommen. Das Europäische Familienforum 2011 als ökumenische Vernetzung Geistlicher Bewegungen wurde stark von Schönstättern mitgetragen. Jede Gliederung und Diözese könnte hier ihre Aufblüherfahrungen aufzählen. Und auch dahinter können wir die Gottesmutter und ihre Jubiläumszusage sehen, die uns zuversichtlich macht. Ich stehe erst am Anfang, die vielen Facetten unserer Bewegung kennenzulernen.
Ich vertraue darauf, dass die Zusage der Gottesmutter, die sie im Oktober 2014 so eindrucksvoll erneuert hat, so stark ist und dass sie uns alle trägt, sodass alle Realitäten unserer Bewegung und unseres Landes zum Segen werden.

Jeder Schritt auf den anderen zu ist ein Schritt in eine gemeinsame Zukunft

Vielfalt und Unterschiedlichkeit bedeutet Lebensfülle. Darüber freuen wir uns im Blick auf unsere Bewegung. Zum Umformungsprozess, in dem unsere Bewegung steht, gehören auch neue Wege des Miteinanders. Die Pilgerwege laden auch ein, miteinander pilgernde Gemeinschaft zu sein. Beim Zukunftsforum drückte sich in dem Wort Miteinander eine Hoffnung für die Zukunft aus. Darin liegt mehr, als die Hoffnung auf ein geschwisterliches Miteinanderklima. Es geht um die Fruchtbarkeit und Wirksamkeit der Anliegen unserer Gründung. Nach 100 Jahren möchten wir im Blick auf unsere Ideale und Zielvorstellungen sagen können: „Kommt und seht“. Es geht um die Wirksamkeit unseres Beitrags für die Menschen und die Kirche heute.

Ich glaube, jeder Schritt auf einen andern zu ist ein Schritt für Zusammenwirken und für eine gemeinsame Zukunft.

Diese aktive Vernetzung von Jung und Alt, von Gemeinschaften und Initiativen führt uns auch über uns hinaus zur Zusammenarbeit mit Geistlichen Bewegungen und mit den aktuellen Strömungen und Strukturen unserer Kirche.

Mit Papst Franziskus könnten wir sagen: „Im Hinausgehen“, „im Über-uns-Hinausschauen“, „en salida – im Aufbruch“ wächst das, was unser Gründer als Frucht des Liebesbündnisses für die heutige Zeit gesehen hat.

Barmherzigkeit – eine „Strategie des Über-Sich-Hinausschauens“

Kein anderer Aspekt hat für unseren Gründer den Kern seiner Gotteserfahrung mehr beschrieben, als das Wort Jesu von der Barmherzigkeit des himmlischen Vaters. Jesus hat zu den Jüngern von “meinem Gott und eurem Gott”, von “meinem Vater und von eurem Vater” gesprochen. Kein Zweifel, die Grundkraft, die aus dieser Gotteserfahrung erwächst, verändert die Herzen. Sie verändert die Menschen und die Welt. Daraus erwächst ein Liebesbündnis mit den Menschen in unserem Land, das uns dorthin die Wege finden lässt, „wo die Liebe fehlt“.

Das Jahr der Barmherzigkeit ist eine kraftvolle Inspiration, die uns im Großen und Kleinen den Schritt weg von uns selbst, hin zum anderen zeigt.

Wortwolke Werke der Barmherzigkeit (Grafik: Brehm)

Wortwolke Werke der Barmherzigkeit (Grafik: Brehm)

In der Tradition der Kirche hatte Barmherzigkeit immer die Wirkung im Alltag im Blick. Ausgehend von der Heiligen Schrift spricht man von den Werken der Barmherzigkeit:
Hungrige speisen – Durstige tränken – Fremde beherbergen – Nackte kleiden – Kranke pflegen – Gefangene besuchen – Tote bestatten. „Das habt ihr mir getan“, sagt Jesus dazu (Mt 25,40).

Neben den sieben klassischen, „leiblichen“ Werken der Barmherzigkeit spricht man auch von den „geistlichen“ Werken der Barmherzigkeit:
Unwissende lehren – Zweifelnde beraten – Trauernde trösten – Irrende zurechtweisen – Beleidigungen verzeihen – Unrecht ertragen – für Lebende und Verstorbene beten.

Im 800. Geburtsjahr der heiligen Elisabeth von Thüringen wurden in der Diözese Erfurt durch eine Umfrage „Werke der Barmherzigkeit für heute“ formuliert:
Einem Menschen sagen: Du gehörst dazu. – Ich höre dir zu. – Ich rede gut über dich. – Ich gehe ein Stück mit dir. – Ich teile mit dir. – Ich besuche dich. – Ich bete für dich.

Sehen wir in diesen Aufzählungen nicht ganz schnell und spontan unseren Alltag, unsere Aufgaben und unsere Ideen für apostolische Projekte und Versuche?

Viele reiche Impulse des Jubiläumsjahres habe ich noch nicht angesprochen. Zeichen der Zeit in unserem Land und in der Kirche – wie die Flüchtlingssituation, die Diskussion um Ehe und Familie oder die Frage nach dem Schutz des Lebens am Lebensanfang und -ende – fordern von uns Stellungnahmen. Zu viel für einen ersten Bündnisbriefartikel, aber Aufgaben für die kommende Zeit.

Gemeinsam wollen wir mitwirken, dass sich viele Jubiläumsfrüchte entfalten. Ich freue mich auf das Miteinander in den kommenden Jahren und besonders, dass uns das Jahr der Barmherzigkeit einlädt, das „Liebesbündnis mit und für die Menschen in unserem Land“ auf so vielfältige Weise fruchtbar werden zu lassen.

Herzlichen Dank für alle Zeichen der Solidarität.
Beten wir auch füreinander.

Ihr

            P. Ludwig Güthlein

Schönstatt–Bewegung Deutschland


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