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Flüchtlinge: Eine Chance für Deutschland – Impuls aus Schönstatt
Unter dem Stichwort "Impuls aus Schönstatt" wird es, beginnend mit diesem ersten Beitrag, in unregelmäßigen Abständen bei www.schoenstatt.de Wortmeldungen zu aktuellen Themen und Fragestellungen geben. Dazu befindet sich ein Reflexions- und Redaktionsteam im Aufbau, das schoenstatt.de zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen wird. Diese Impulse aus Schönstatt sind auch eine Einladung an die Leser, mitzudiskutieren und ihre Meinung einzubringen. Nutzen Sie dazu die am Ende des Beitrages publizierte E-Mail-Adresse. Die Beiträge finden Sie auch bei Facebook unter www.facebook.com/impulseausschoenstatt. Die Redaktion freut sich über Rückmeldungen und Beiträge, die nach redaktioneller Sichtung und wenn Sie ihr Einverständnis geben, im Anschluss an den Impuls veröffentlicht werden.
Flüchtlinge: Eine Chance für Deutschland
Die Koalitionsrunde konnte sich am Wochenende nicht über das weitere Vorgehen im Umgang mit den nach wie vor in großer Zahl ankommenden Flüchtlingen einigen. Doch zum Glück gibt es weiter eine überwältigende Hilfsbereitschaft von vielen Ehrenamtlichen, die sich für die ankommenden Menschen engagieren. Vielleicht ist die fast schon euphorische „Willkommenskultur“ von vor einigen Wochen etwas stiller geworden, doch immer noch investieren Freiwillige Zeit, Geld und teilweise auch Wohnraum in das Anliegen, dass die leidgeprüften Menschen eine neue Heimat finden sollen.
Unverständlich und wenig hilfreich ist der in Medien und Politik weit verbreitete Gebrauch des Begriffes der „Flüchtlingskrise“. Natürlich sind kurzfristig die Herausforderungen groß, die mit der großen Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge verbunden sind. Schaut man jedoch auf die demographische Situation Deutschlands, so ist doch absehbar, dass mittel- und langfristig gesehen die Chancen größer sind! Schon in der verwendeten Terminologie könnte damit ein positives Signal für die „Flüchtlingssituation“ gesetzt werden. Die Aufnahme der Flüchtlinge ist keine „Bedrohung“, sondern eine positive „Herausforderung“, deren Bewältigung auch stolz machen kann. Diese Menschen sind eine Chance für unser Land, ja ein Geschenk. Jedenfalls überwiegen die Chancen deutlich die Probleme, die entstehen und entstehen können.
Zur vorbehaltlosen Analyse und Beurteilung dieser Flüchtlingssituation gehört es selbstverständlich, einerseits die Lage der zu uns kommenden Flüchtlinge zu sehen, andererseits die Reaktionen der Menschen in unserem Land ernst zu nehmen. Da gilt es zunächst nicht nur von Zahlen zu sprechen, sondern von tragischen Schicksalen und schwierigsten Wanderungspfaden, die die Flüchtlinge hinter sich haben. In den Augen Gottes ist jedes Einzelschicksal wichtig und jeder einzelne Mensch besitzt eine unantastbare Würde. Dieser Einsicht müssen die Hilfsmaßnahmen entsprechen. Gleichzeitig sind auch die Ängste, die bei vielen Deutschen entstehen, ernst zu nehmen. Deren Reaktionen wurzeln in der Angst um die eigene Identität, in Verlustängsten, in der Angst vor Veränderung sowie der Abwehr von Fremdem. Diese Ängste kann man nicht einfach verbieten. Sie müssen entzaubert werden.
Hier ist es hilfreich, den Vorgang des Flüchtlingsstroms in einem größeren geschichtlichen Rahmen zu sehen. In der jüngeren europäischen Geschichte wanderten z.B. Millionen Menschen aufgrund der Kartoffelpest Mitte des 19. Jahrhunderts aus Irland aus. Großherzig nahmen die USA und Australien diese Menschen auf. Im letzten Jahrhundert bis hinein in unsere Tage fliehen Menschen zu Hunderttausenden aus Kriegs- und Krisengebieten in Nachbarländer. Solche Ströme, ja Völkerwanderungen, gab es im Laufe der Geschichte immer wieder und sie waren bewältigbar.
Bemerkenswert ist die Haltung und Einstellung von Kanzlerin Angela Merkel. Sie stemmt sich gegen einen größer werdenden Abwehrtrend, nimmt sogar einen Beliebtheitsverlust in Kauf. Sie geht in beispielhafter Weise allen voran: „Wir haben doch alle Chancen, uns zu unserer Religion zu bekennen. Dann haben wir doch den Mut, zu sagen, dass wir Christen sind. Dann haben wir doch den Mut, in einen Dialog einzutreten.“ (Quelle) Diesen motivierenden Satz gilt es festzuhalten, genauso wie die Aussage von Kardinal Marx im Spiegel-Gespräch vom 5. September: „Es gibt keine Ausländer für uns, alle Menschen sind Kinder Gottes, auch die, die nicht Christen sind.“ (Quelle) Hierzu passt auch die Aussage Josef Kentenichs: „Erst Mensch werden, dann Christ, dann ganzer Mensch.“
Die Politik kann und muss die Weichen stellen, um die Integration der Flüchtlinge zu ermöglichen. Der eigentliche Vorgang der Integration geschieht aber durch zwischenmenschliche Beziehungen. Diese Integration kann nur auf Augenhöhe zwischen den Menschen geschehen. Es wäre nicht in Ordnung, von den Flüchtlingen zu verlangen, sich einfach nur anzupassen. Auch die Deutschen und alle, die schon lange hier leben, müssen in sich Integrationsarbeit leisten.
Dazu wäre es hilfreich, wenn die Medien positive Beispiele der Willkommenskultur und der Integration regelmäßig zu interessanten Sendezeiten vorstellen würden. Vergleichbar der ARD-Sendung „Wissen vor acht“ könnte man kurz vor den TV-Nachrichten positive Akzente unter dem Thema „Integration vor acht“ setzen. Derzeit sind sicher deutlich mehr Menschen von der Flüchtlingssituation bewegt, als von der Börse, deren Stand mit großer Selbstverständlichkeit täglich berichtet wird.
Für Christen hat die Flüchtlingssituation noch einen Mehrwert. Sie glauben daran, dass Gott ihnen durch diesen Vorgang etwas mitteilen und ihnen einen Auftrag erteilen möchte. Gott fordert zur Mitarbeit auf. Menschen, die zu uns kommen, sind nicht zuerst eine Last, sondern eine Bereicherung, ein Segen. Und auch wir selbst sollen, wie Gott es gegenüber Abraham, dem Vater des Glaubens ausdrückt, für diese Menschen ebenfalls ein Segen sein. Dass viele der Flüchtlinge selbst im rauen Herbstwetter in Zelten leben müssen, mag im Sinne eines alten biblischen Bildes Zeichen für die Anwesenheit Gottes bei seinem Volk sein. Vielleicht will uns Gott gerade in den Zelten der Flüchtlinge besonders nahe sein.
Schönstätter, die das „Liebesbündnis für die Menschen in unserem Land“ geschlossen haben, sind eingeladen, den Reflexionsprozess zu vertiefen und sich der Frage zu stellen, was dieses geistliche Tun in der gegenwärtigen Situation und in ihrem persönlichen Engagement konkret bedeutet. Denn eines ist sicher: Die bei uns ankommenden Flüchtlinge gehören nun ebenfalls zu den Menschen in unserem Land.
Heinrich Brehm
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2015-11-12
Gerade habe ich das Buch "Scharia in Deutschland" von der zum Katholizismus konvertierter pakistanischer Publizistin und Aktivistin Sabatina James gelesen, das mich erschüttert hat. Ich sehe und fühle mich in meiner Sorge um das Christentum in Europa eher bestätigt und die Flüchtlingsproblematik sehe in einem anderen globalem Zusammenhang. Ich empfehle von Herzen Ihnen und allen Christen dieses Buch zu lesen (hat nur 142 Seiten), um den Herausforderungen, die auf uns als Christen zukommen bewußt zu werden.
Mit herzlichen Grüßen,
Carina Stangorra
2015-11-08
Danke für den Anstoß. Ich bin engagiert und bin dankbar dafür: dass ich die Möglichkeit zum Helfen habe, aber auch, dass ich direkten Kontakt zu diesen Menschen habe.
Als ich Ihren Impuls gelesen hatte, fiel mir ein Gründerwort aus der dritten Gründungsurkunde ein. Heute Abend habe ich es herausgesucht: "Unser Herz gehört allen Menschen, allen Nationen, wie sie auch immer heißen und welche Geschichte sie auch immer haben mögen." (Josef Kentenich, 8.12.1944)
Schwester M. Anngard
2015-11-08
danke für die Worte, die Sie zum Thema Geflüchtete gefunden haben. "Für Christen hat die Flüchtlingssituation noch einen Mehrwert. Sie glauben daran, dass Gott ihnen durch diesen Vorgang etwas mitteilen und ihnen einen Auftrag erteilen möchte." Ja, so sehe ich es auch. Darüber habe ich gestern unter anderem mit einem Imam aus Afghanistan, der mittlerweile in Herxheim wohnt, gesprochen. Es war eine Begegnung hier im Schönstattzentrum und er hat interessanterweise immer wieder auf Maria hingewiesen.
Durch die vielen Menschen, die zu uns gekommen sind und wohl auch noch kommen werden, hat das „Liebesbündnis für die Menschen in unserem Land“ eine neue Dimension bekommen. Mich selbst hat der Kontakt mit ihnen und all denen, die wie ich bei Herxheim BUNT mitarbeiten, bereichert. Es ist ein Geschenk, wenn man miterleben kann, wie eine syrische Familie, die ich begleite und die Schweres hinter sich hat, langsam „aufblüht“. Ohne die Schwierigkeiten „schönreden“ zu wollen, aber es kommt einem viel Dankbarkeit entgegen.
Ende November wird es zwei Straßen vom Heiligtum entfernt eine Erstaufnahmeeinrichtung für 800 syrische Flüchtlinge geben – größtenteils Familien mit Kindern. Die Gottesmutter hat sie alle gleichsam „im Blick“ und sie braucht unsere Hände und Herzen, um ihnen eine Ahnung davon zu vermitteln, dass "in den Augen Gottes jedes Einzelschicksal wichtig (ist) und jeder einzelne Mensch eine unantastbare Würde besitzt". Das gilt auch für unsere mehr als 100 Asylbewerber, die längerfristig hier sind und mit uns Schritte in Richtung Integration gehen. Wir sind froh und dankbar, dass es immer wieder Gelegenheiten gibt, wie sie uns im Schönstattzentrum unterstützen können.
Im Blick auf das, was durch die Menschen, die bald hier sein werden, auf uns noch zukommt, haben wir die Gottesmutter im Zeichen eines Besuchsdienst-Pilgerheiligtums zur Königin der Welt gekrönt – SIE möge sich verherrlichen!
Sr. M. Charissa, Herxheim2015-11-05
Danke für den Beitrag und für die Plattform, sich auszutauschen.
Ich würde mir auch wünschen, dass die Medien noch mehr über Positive wie die Hilfsbereitschaft der Menschen berichten.
Da wir als Schönstattfamilie sehr stark an die Vorsehung glauben und dass Gott einen Plan mit uns Menschen hat, können wir diese Herausforderung auch in einem anderen Licht sehen.
Die jüngere Generation bringt sich sehr stark ein. Das gibt Hoffnung. Immer wieder liest man von jungen Menschen, die sich aufmachen, um einfach zu helfen.
Bei der Jubiläumsfeier in Schönstatt war es doch sehr stark spürbar, was Menschen miteinander verbinden kann ohne sich sprachlich verständigen zu können. Wenn das Liebesbündnis in allen Sprachen gebetet wurde, war das für mich so ein Beispiel, wie es gelingen kann. Jeder Mensch braucht Wärme, Geborgenheit und Frieden. Diese Mitmenschlichkeit können wir allen Flüchtlingen geben. Dessen bin ich mir sicher. Entscheidend ist, ob wir es wollen.
Angst ist ein schlechter Ratgeber. Als es bei uns mit der Familienplanung losging, hat jeder vor der Überbevölkerung gewarnt. In Deutschland sieht man, wie schnell sich das auch zum Negativen entwickelt (Überalterung der Gesellschaft). In China wurde jetzt die Ein-Kind-Politik aufgehoben, weil ein Jungenüberschuss da ist. Da können wir doch erkennen, dass der Mensch manchmal nicht genau erkennen oder absehen kann, was gut für ihn ist.
In diesem Sinne sehe ich die Zuwanderung durch Flüchtlinge. Natürlich sehe ich die Probleme und Herausforderungen, die da auf uns zukommen. Unser Wohnungsmarkt ist auch angespannt und jetzt müssen noch mehr Wohnungen her. Andererseits wird nun endlich etwas getan. Denn jetzt muss es sein. Da profitieren auch die anderen Wohnungssuchenden.
Aber mit einem Herz auf dem rechten Fleck können wir diese Aufgabe meistern. Davon bin ich überzeugt.
Irene Eldracher, Karlsruhe
2015-11-04
Danke für diesen ausgezeichneten Beitrag!!
Ursula Sundarp