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18. November 2018 | Worte des Bewegungsleiters | 

Anfangsglaube nach 100 Jahren


Jahresmotiv 2019 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Jahresmotiv 2019 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,

APOSTELZEIT – „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen!“ (Apg 1,8). Mit dieser neuen Jahresparole geht die Schönstatt-Bewegung in das neue Jahr. In diesem Jahr möchte ich mit den Impulsen im Bündnisbrief Ereignissen und Initiativen nachgehen, die uns zeigen, wie Apostelzeit konkret wird. Dieses Mal nehme ich Bezug auf einen Bericht zu den Begegnungen in Cambrai anlässlich des 100. Todestages von Josef Engling am 4. Oktober.

Apostelzeit bedeutet Anfangszeit, und es bedeutet Menschen, die den Anfang glauben

Als Pater Kentenich am 18. Oktober 1914 vor den jugendlichen Studenten seine Idee vom Entstehen eines Gnadenortes darlegte, war alles Weitere sehr abhängig davon, ob wenigstens einige der jungen Männer den Gedanken mit Überzeugung aufgreifen.

Bei Josef Engling war es dann so, dass sich seine tiefe Liebe zur Gottesmutter mit einer konkreten Hochherzigkeit und Einsatzbereitschaft verbunden hat. Das war für Pater Kentenich eine wertvolle Bestätigung. Den Vortrag vom 18. Oktober 1914 hat Pater Kentenich später die Gründungsurkunde Schönstatts genannt, die Gegenseitigkeit der Marienweihe erhielt die Bezeichnung Liebesbündnis und aus der Gruppenarbeit in der Form der Marianischen Kongregation wurde in wenigen Jahren die apostolische Bewegung von Schönstatt. Das, was für uns ganz zentral ist und den Kernbestand unserer Spiritualität formuliert, das kannte Josef Engling noch gar nicht in dieser Prägung. Und doch nennt Pater Kentenich Josef Engling die vorgelebte Gründungsurkunde.
Das ist ganz typisch für Apostelzeit. Später wird ausformuliert, geklärt, definiert und festgehalten, was zwar den Kernvorgang des Anfangs ausmacht, was aber im Anfang selbst noch ganz unmittelbar, ganz persönlich und ganz einfach vollzogen wird.

Die Apostel Jesu hatten kein „Neues Testament“, keine neue Heilige Schrift, aus der sie hätten vorlesen können. Sie haben keine Briefe vorgelesen, wie wir das heute im Gottesdienst machen. Sie sind die, die diese Briefe vielmehr selbst geschrieben haben. Sie konnten von niemand abschreiben. Und doch sind sie die, die die Ursprungserfahrung mit Jesus gemacht haben und bezeugen.

Als nach dem Tod des Judas ein neuer zwölfter Apostel gewählt werden sollte, hat die junge Gemeinde überlegt, welche Bedingungen eine Person dafür braucht. In der Apostelgeschichte wird das so beschrieben: „Einer von den Männern, die mit uns die ganze Zeit zusammen waren, als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und in den Himmel aufgenommen wurde – einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein.“ (Apg 1,21 f.) Zeuge der Auferstehung sein! Um diese Kernerfahrung geht es. Diese Urerfahrung braucht der Apostel als eigene Erfahrung, um Zeugnis ablegen zu können. Dafür steht der Apostel mit seinem Leben.

Josef Engling steht in der Anfangsphase Schönstatts für einen, der mit jugendlichem Herzen geglaubt hat und sich investiert hat. Dass er mit seinem Glauben und seiner starken Liebe im Herzen gleichzeitig einer war, der im Sinne der Fähigkeiten und im Sinne eines strahlenden Auftretens eher als Normalo und sogar Antiheld erlebt wurde, macht ihn eher noch sympathischer. Und, was viel wichtiger ist, das hat ihn in den vergangenen 100 Jahren vor allem viel fruchtbarer gemacht. Viele Jugendgenerationen Schönstatts haben sich von ihm anstecken lassen, gerade weil er eben kein Überflieger war und doch mit ganzer Hingabe und Hochherzigkeit für Schönstatt gelebt hat. Josef Engling steht dafür, dass Gott beruft, wen er will, und dass die Gottesmutter die unterschiedlichsten Begabungen und Grenzen brauchen kann, wenn wir uns nur „mit unserem Können und Nicht-Können“ hineingeben.

Anfangsglaube nach 100 Jahren

Der Anfang ist ganz getragen von einem großen Idealismus. Hoffnung und Überzeugung ist fast deckungsgleich. Nach 100 Jahren tritt zwischen Überzeugung und Hoffnung eine dicke Portion Realismus und auch ein gerütteltes Maß an Enttäuschungen und Brucherfahrungen. Ein neuer Josef Engling oder eine neue Josefina Engling heute, die an den Neuanfang im Heiligen Geist glauben, brauchen einen Idealismus und eine Hochherzigkeit, die ohne Selbstüberschätzung und mit Demut die eigene Fehler- und Schuldgeschichte in sich trägt. Als ganze Kirche und auch als Schönstatt erleben wir die Aufarbeitung von Missbrauch in kirchlichem Zusammenhang als ganz besondere Herausforderung in dieser Richtung. Der Fall, der uns als Schönstatt besonders nahegeht, wurde in den vergangenen Wochen auf schoenstatt.de näher erläutert. (Siehe hier)

Neugründung und Neuaufbau

Der Anfangsglaube, den wir heute brauchen, ist von den äußeren Bedingungen und von der inneren Herausforderung, in der wir uns erleben, anders als in der ersten Generation der Kirche oder als in der ersten Generation Schönstatts. Weniger anspruchsvoll ist er jedenfalls nicht. Auch wir brauchen den Radikalismus des Anfangs. Vielleicht manchmal etwas stiller, aber gleichzeitig mit einer großen Fülle von Dankbarkeits- und Fruchtbarkeitserfahrungen, die wir bezeugen dürfen.

Leben entzündet sich am Leben! Es ist gut, dass durch die Einladung des französischen Schönstatt unser Blick gerade jetzt auf Josef Engling gefallen ist. Wie am Anfang Schönstatts kann er auch uns bei unserem Neuanfang und Neuaufbau liebenswürdig und willensstark herausfordern und begleiten. Auch unser Neuanfang besteht aus kleinen Schritten im Liebesbündnis.

Mit herzlichen Grüßen aus Schönstatt

Ihr

Pater Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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