Nachrichten

9. Juli 2018 | Zwischenruf | 

Schönstatt bleibt fruchtbar im Dialog mit den Strömungen der Zeit


Dr. Alicja Kostka, Schönstatt-Frauenbund (Foto: Brehm)

Dr. Alicja Kostka, Schönstatt-Frauenbund (Foto: Brehm)

Dr. Alicja Kostka. Schönstatt hat sich entfaltet und blieb fruchtbar in einer bestehenden Auseinandersetzung mit den Strömungen der Zeit. Dies war schon in die Geburtsstunde der Bewegung hineingelegt worden: Als Antwort auf den Ausbruch des Weltkrieges ruft der junge Kentenich (damals keine 30 Jahre alt!) ein Programm auf: unsere Welt braucht Heilige! Umgestaltung der kleinen Kapelle in einen Wallfahrtsort.

Programm des neuen Menschen in der neuen Gesellschaftsordnung

In den folgenden Jahren wurde die spirituelle und ideelle Entfaltung Schönstatts von der Auseinandersetzung mit der bolschewistischen und im weiteren Sinne marxistischen Revolution gekennzeichnet. Die Antwort war die Heranbildung origineller und starker Persönlichkeiten in einer tragfähigen, von Liebe getragenen Gemeinschaft, im Gegensatz zum Massenmenschentum des Kollektivismus. In der Konfrontation mit dem Nazi-Regime rundete sich immer mehr das Programm des neuen Menschen in der neuen Gesellschaftsordnung ab – als Protest gegen das Übermenschentum und blinde Unterwerfung. Stark, aber frei, mitgestaltend aber nicht ausgeliefert – dies waren die Akzente, die sich im Dialog, aber auch in der Kritik mit den politischen und kulturellen Strömungen der jeweiligen Zeit herauskristallisiert haben.

Zeitangemessenes, biblisch fundiertes Frauen- und Familienbild

Als die emanzipatorische Bewegung an revolutionärem Einfluss in der westlichen Welt gewann, spiegelte sich wieder die wache Konfrontation mit dieser Strömung im ernsten Ringen um ein zeitangemessenes und doch biblisch fundiertes Frauenbild. Ähnlich galt der umfassende Einsatz Kentenichs der Familie in der Zeit der Erschütterung dieser ersten Zelle der Gesellschaft in der Zeit der industriellen und sexuellen Revolution des XX. Jahrhunderts. Sein Lebensende fiel bezeichnenderweise mit der Revolution der 68er zusammen, welche die westlichen Gesellschaften nachhaltig prägt.

Revolution (Foto: pixabay.com)

Revolution (Foto: pixabay.com)

Revolutionäre Strömungen der heutigen Zeit

Welche revolutionären Strömungen zeichnen unsere Zeit aus? Die digitale Revolution ist seit den 80er Jahren des XX. Jh. voll im Gange und sie befördert die weltweite Vernetzung mit allen Vorteilen und Gefahren dieser neuen Möglichkeiten. Für Schönstatt bringt die digitale Vernetzung eine nie da gewesene Chance für das Programm der Bündniskultur, welches an der Schwelle des 100sten Jubiläums der Gründung ausformuliert wurde.

In jüngster Zeit manifestierte sich in einer Reihe der regionalen „Farbrevolutionen“ (orange Revolution in der Ukraine 2004, Rosenrevolution in Georgien 2003, Arabischer Frühling 2010) der Wunsch nach mehr Demokratie und Freiheit. Davor ging eine Welle der friedlichen Revolutionen durch Mitteleuropa (samtene Revolution in Prag´89, Solidaritätsbewegung in Polen´81, Mauerfall in Berlin´90). Der Wunsch nach Freiheit und nach einem menschenwürdigen Leben kommt zum Ausdruck in den Migrations- und Flüchtlingsströmungen, welche die heutige Weltszene zunehmend prägen und die Weltgemeinschaft vor neue Herausforderungen stellen.

Papst Franziskus (Foto: pixabay.com)

Papst Franziskus (Foto: pixabay.com)

Die Revolution der Zärtlichkeit

Seit fünf Jahren erleben wir einen Papst, der in jeder Hinsicht revolutionär ist. Der „Taifun Franziskus“ geht durch Kirche und Welt und erneuert – ja verändert – ihr Gesicht. Es geschieht in einem rasanten Tempo, dessen Rhythmus die täglichen Ansprachen während der Morgenmessen in Santa Marta bestimmen, die zahlreichen Begegnungen mit den Staatsoberhäuptern aller Welt („sich einmischen“ in die Angelegenheiten der Welt als Programm des Papstes) und Reisen an die Ränder der Welt, vor allem dort, wo es wirklich brennt.

Dieser revolutionäre Papst spricht ebenfalls von einer Revolution, deren Bezeichnung und deren Richtung viele stutzig macht: er kündet eine Revolution der Zärtlichkeit an. Erneut nahm er das Wort spontan in den Mund am 30. Juni bei einem Treffen mit der geistlichen Gemeinschaft des heiligsten Blutes Christi. Er sucht Verbündete. Diese Revolution verbindet er mit Maria, wie er in Evangelii Gaudium zum Ausdruck bringt: „…jedes Mal, wenn wir auf Maria schauen, glauben wir wieder an das Revolutionäre der Zärtlichkeit und der Liebe. An ihr sehen wir, dass die Demut und die Zärtlichkeit nicht Tugenden der Schwachen, sondern der Starken sind, die nicht andere schlecht zu behandeln brauchen, um sich wichtig zu fühlen.“ (288).

Pater Josef Kentenich mit einem Kind (Foto: Archiv)

Pater Josef Kentenich mit einem Kind (Foto: Archiv)

Revolutionen können auch friedlich sein. Diese verändern die Welt nachhaltiger. So eine ist das Christentum selbst. Wahrscheinlich gehört zur Revolution der Zärtlichkeit, dass sie sich zart vollziehen wird. Oder etwa nicht? Aber sie braucht desto größeren Einsatz. Maria als Mutter der Kirche geht uns voran. Auch an ihrem Fest, dem neu eingeführten, sprach Franziskus wieder von Zärtlichkeit als Tugend. Der gerade in Kinos der Welt präsentierte Film „Ein Mann seines Wortes“ gibt viele Beispiele, wie umfassend und doch wie sehr konkret der Heilige Vater diese Revolution versteht und lebt.

Eine Revolution, die aus dem Herzen der Gottesmutter fließt

Welche Adern der zärtlichen Liebe fließen in unserer Bewegung und wie können sie sich mit dem Strom der „Franziskanischen Revolution“ verbinden? Sie bereichern? Wo lernen wir vom Gründer Schönstatts diese „Tugend der Starken“ – wie sie Franziskus nennt? Was war das Geheimnis Kentenichs überaus zarter und zugleich so starker Liebe und seiner Führung? Auch er war ein Revolutionär und hat nicht einmal einen hohen Preis dafür bezahlt. Seine Revolution fließt aus dem Herzen der Gottesmutter und ist am 18. Oktober 1914 in Gang gesetzt. Gehen Sie mit?

Dr. Alicja Kostka


Top