Nachrichten

18. April 2018 | Worte des Bewegungsleiters | 

zeitergriffen und zeitüberwindend


Jahresmotiv 2018 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Jahresmotiv 2018 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,

Im Großen und Kleinen kennen wir alle die Nervosität, die sich langsam steigert, wenn eine Aufgabe immer näher heranrückt. Wenn die Zeit drängt, richten sich die Kräfte der Verwirklichung auf das, was jetzt zu tun ist. In einer etwas ruhigeren Phase ist das anders. Man sieht alles Mögliche, was man tun müsste, was längst hätte getan werden sollen und all die Ideen, die man gerne anpacken möchte.

Von Mark Twain wird dazu eine humorvolle Bemerkung beigesteuert: „Gäbe es die letzte Minute nicht“, meint er, „so würde niemals etwas fertig“. Das ist nicht nur ein entlarvender Kommentar für alle, die ihre Zeit nicht gut genug planen.



Die Zeit drängt

Das Bewusstsein von dem, was jetzt wichtig ist, die Wachheit, zu erkennen, was jetzt die entscheidende Weichenstellung ist, erleben dürfen, was für mich die lohnende und herausfordernde Lebensaufgabe ist: In der Zuspitzung der Kräfte liegt die größte Fruchtbarkeit. Das gilt für das persönliche Leben genauso wie auch für gesellschaftliche Bewegungen und geschichtliche Revolutionen. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Man kann heute Nachforschungen darüber anstellen, wann, ob, wie genau und in welchem Zusammenhang Michail Gorbatschow diesen Satz gesagt hat oder nicht oder vielleicht etwas anders. Die geschichtliche Kraft, die dieser Satz beschreibt und ausgelöst hat, ist unbestreitbar.

Pater Kentenich schreibt (Foto: Archiv) Pater Kentenich schreibt (Foto: Archiv)

Pater Kentenich schreibt (Foto: Archiv)

Durchdrungen sein von dem, was die eigentliche Herausforderung der Zeit ist, setzt die besten Kräfte in uns frei.

Jesus tadelt seine Zuhörer sogar, weil sie zu wenig wach sind für die Zeichen der Zeit und die Einladungen Gottes übersehen: „Außerdem sagte Jesus zu den Leuten: Sobald ihr im Westen Wolken aufsteigen seht, sagt ihr: Es gibt Regen. Und es kommt so. Und wenn der Südwind weht, dann sagt ihr: Es wird heiß. Und es trifft ein. Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten. Warum könnt ihr dann die Zeichen dieser Zeit nicht deuten?“ (Lk 12,54-57)

Momente der persönlichen Berufung

Dr. Ruth Pfau war Ordensschwester und Lepraärztin in Pakistan. In ihrem Buch „Wenn du deine große Liebe triffst. Das Geheimnis meines Lebens“ beschreibt sie unter dieser Überschrift den Moment, wo ihr ihre Lebensaufgabe und Lebensberufung klar wurde. Sie sollte als Frauenärztin in Indien arbeiten. Aufgrund eines Visumproblems musste sie jedoch in Karatschi (Pakistan) einen Zwischenstopp einlegen. Eine Begegnung mit einem Leprakranken wurde zu ihrem Moment. Die völlige „Normalität“, mit der ein Leprakranker ohne Füße auf dem Boden kriechend zu einer ambulanten Versorgungsstation gekrochen kam, neu verbunden wurde und wieder davonkroch, packte sie derart, dass sie von dem Moment an ihre Lebensaufgabe im Kampf gegen die Lepra erkannte. Das war 1960. 1996 war die Lepra in Pakistan erstmals unter Kontrolle. Besonders auch durch das Leprazentrum und das Wirken von Dr. Pfau.

In der kommenden römischen Bischofssynode geht es um die Jugend und auch um das Thema Berufung. Die besondere Berufungserfahrung einer Frau Dr. Pfau liest sich sehr beeindruckend. Die vorbereitenden Dokumente für die Jugendsynode sind jedoch überzeugt, dass dies alles andere ist, als außergewöhnlich, und nur für manche Menschen Gültigkeit hat. Von außen gesehen mag eine Biografie durchaus normal und unspektakulär erscheinen, das Glück und die Freude eines ganz einmaligen von Gott Gewollt- und Gebraucht- und Gerufen-Seins leuchtet jedoch über jedem Leben.

Zeitergriffenheit – die Berufung einer Zeit gemeinsam leben

Ungewohnt wird die Verlängerung dieser Überlegungen hinein in die Berufung einer Zeit, einer Epoche oder einer Generation. Über Zeichen der Zeit kann man lange diskutieren. Ganz besonders dann, wenn man auch noch das gottgewollte Gute einer Zeit von den negativen Entwicklungen und Auswirkungen unterscheiden möchte.

Die Fruchtbarkeit von Bewegungen und Gemeinschaften und auch die der Kirche und ihrer Verkündigung des Evangeliums hängt davon ab. Erst wenn aus gemeinsamen Überlegungen und Klärungen auch Ergriffenheit für die Herausforderung des Jetzt wird, wird daraus Dynamik und Zeugnis. Nur aus der spürbaren Überzeugung, dass die Botschaft gerade heute und mitten in dieser Situation richtig sitzt und eine lebensvolle Antwort darstellt, wächst Anziehungskraft und Einsatzbereitschaft.

Das gilt sogar für die immer notwendigen Innovationsprozesse von Firmen und Produkten. Ein Unternehmensberater formuliert das so: „Aus der gemeinsamen Lagebeurteilung erwächst auch ein gemeinsamer Richtungs- und Zukunftssinn: Gemeinsame Ziele sind in Phasen des Umbruchs das Ergebnis eines gemeinsamen Gegenwartssinns“ (Harald Katzmair).

Das WIR gewinnt

Das aktuelle Engagement der Familienbewegung Schönstatts ist dafür ein starkes Beispiel. Die gesellschaftlichen Entwicklungen, staatliche Gesetzgebungen und vielfältige mediale und gesellschaftliche Meinungen zwingen uns geradezu zu Stellungnahmen und Positionsbestimmung. Papst Franziskus hat das Thema Ehe und Familie ganz nach oben auf die Aufgabenliste der Kirche gesetzt. Auch das spielt eine Rolle beim kommenden Familienfestival in Schönstatt vom 26. bis 27. Mai. Die Kernüberzeugung geht aber einen Schritt weiter. Es geht darum, die richtige Orientierung zu geben, aber mehr noch darum, Familien stark zu machen. Das tiefe Erlebnis des Jubiläums Schönstatt 2014 hat uns die Kraft des Liebesbündnisses spüren lassen. Die Zusage der Gottesmutter ist Antwort und eine zeitüberwindende Kraft.

Genau das wollen wir auch unseren Familien schenken. Daraus ist das Festival erwachsen. Wir treffen uns um das Urheiligtum in Schönstatt. Diese Gnadenquelle und das Liebesbündnis sind unsere gemeinsame Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen, in denen Familie heute steht.

Die Initiatoren haben uns bei der Delegiertentagung im März noch mal darin erinnert, dass wir ja alle in Familien stehen und aus Familien kommen. Jeder ist also zum Familienfestival herzlich eingeladen. Denn: Das WIR gewinnt!

In dieser Verbundenheit und mit herzlichen Ostergrüßen

Ihr


P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


Top