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16. April 2018 | Deutschland | 

„Aufrechten Gang gibt es nicht zum Nulltarif“ - Uraufführung des Reinisch-Musicals in Bad Kissingen


Ging unter die Haut: die Gerichtsverhandlung Reinischs (2. von links) vor dem Reichskriegsgericht (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Ging unter die Haut: die Gerichtsverhandlung Reinischs (2. von links) vor dem Reichskriegsgericht (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Markus Hauck (POW). Es ist eine Märtyrererzählung, die unter die Haut geht. Nicht nur, wegen der vielfältigen und gekonnt dargebotenen Musik. Sondern auch und gerade wegen der Hauptperson, des Pallottinerpaters Franz Reinisch. Die Geschichte des einzigen katholischen Priesters, der in der Zeit des Nationalsozialismus den Fahneneid auf Hitler verweigerte und dafür 1942 hingerichtet wurde, war Gegenstand des Musicals „Gefährlich“ von Texter, Komponist und Regisseur Wilfried Röhrig. Das Publikum im Bad Kissinger "Littmann-Saal" war begeistert von Uraufführung des Musicals „Gefährlich“ über Franz Reinisch. Die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Schirmherrin der Veranstaltung, machte vor der Aufführung deutlich: „Es tut gut, sich von der Botschaft von Franz Reinisch berühren zu lassen, in einer Zeit, in der es gilt, sich zur Demokratie zu bekennen, die Würde des Menschen zu schützen und für Werte einzustehen.“

Das Schlusslied riss das Publikum im Max-Littmann-Saal so mit, dass es aufstand und auch noch die Zugabe klatschend und stehend verfolgte  (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Das Schlusslied riss das Publikum im Max-Littmann-Saal so mit, dass es aufstand und auch noch die Zugabe klatschend und stehend verfolgte  (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Franz Reinisch (Mathias Gall) als Lebemann beim Tanzen mit seiner Freundin Ludowika Linhard (Carolin Ankenbauer) (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Franz Reinisch (Mathias Gall) als Lebemann beim Tanzen mit seiner Freundin Ludowika Linhard (Carolin Ankenbauer) (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Mit Masken versinnbildlichten die Tänzer die Gleichschaltung der Gesellschaft durch die Nationalsozialisten  (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Mit Masken versinnbildlichten die Tänzer die Gleichschaltung der Gesellschaft durch die Nationalsozialisten  (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Franz Reinisch (Mathias Gall, links) bekommt inmitten seiner Einsamkeit in der Zelle von Gefängnispfarrer Kreutzberg (Klaus Glas) - entgegen aller Verbote durch die Nationalsozialisten -das Allerheiligste (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Franz Reinisch (Mathias Gall, links) bekommt inmitten seiner Einsamkeit in der Zelle von Gefängnispfarrer Kreutzberg (Klaus Glas) - entgegen aller Verbote durch die Nationalsozialisten -das Allerheiligste (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Mehr als 700  Zuschauer bei der Uraufführung

Am Samstagabend, 14. April, hatte es im Bad Kissinger Max-Littmann-Saal, rund anderthalb Kilometer entfernt vom Gelände der Kaserne, in der Reinisch den Eid verweigerte, seine Uraufführung. Mehr als 700  Zuschauer verfolgten die Vorstellung. Sie waren am Ende so mitgerissen, dass sie das Schlusslied und die Zugabe klatschend und im Stehen verfolgten und danach noch lange donnernden Applaus spendeten.

Mit wenigen Requisiten – einigen Kulissenwänden, Weinkisten, die als Sitze, Wände oder Gefängnispritsche dienten, und einer zentralen Videoleinwand – wurden zahlreiche Handlungsorte für die zwei parallelen Erzählebenen geschaffen. Den Rahmen für das Geschehen bildete die ebenfalls wahre Begebenheit des heimlichen Transports der Asche Reinischs aus der sowjetisch besetzten Zone nach Schönstatt, den Ort, der Reinischs Spiritualität entscheidend prägte. Pater Schwan, ein Mitbruder Reinischs, trifft in Magdeburg ein junges Paar, das ebenfalls in den Westen kommen möchte, und kommt mit diesem ins Gespräch. Wer genau ist dieser Reinisch, dass Schwan das Risiko auf sich nimmt, die Urne ohne entsprechende Papiere in den Westen zu schmuggeln, wollen die jungen Leute wissen. Während sie Widrigkeiten wie eine Razzia durch das russische Militär und das heimliche Aufsteigen auf den Kohletender des Zugs in Richtung Freiheit bewältigen, erzählt der Pater den Werdegang Reinischs.

40 Akteure auf und neben der Bühne päsentierten das Musical auf professionelles Niveau

Diesen verkörperte stimmlich und schauspielerisch sehr überzeugend Mathias Gall. Überhaupt präsentierten die rund 40 Akteure auf und neben der Bühne professionelles Niveau. Es ließ leicht vergessen, dass da "nur" ambitionierte Amateure schauspielerten, tanzten und sangen. Die einfallsreich von Hans-Werner Scharnowski arrangierten Instrumentalparts kamen aus der Konserve, eingespielt von renommierten Könnern aus dem Bereich der  deutschen christlichen Rockmusik.

Die große Stärke des Reinisch-Musicals zeigte sich in den musikalisch wie szenisch verdichteten 23  Liedern: Quasi als „Vorwort“ schickte Röhrig das Lied „In der Achterbahn“ voraus, in dem als Stimme aus dem Off Amin Jan Sayed von „Demagogen“ und „Selbstverzichtern ohne Rückgrat“, aber auch „kollektivem Wahn“ sang und so einen klaren Bezug zu aktuellen Fake-News-Zeiten und vermeintlichen Rettern des Abendlands herstellte.

Und immer schwingt zwischen den Zeilen die Frage mit: Was hätte der Zuhörer an Reinischs Stelle getan?

Besonders ansprechend war vor allem die schonungslose ungekünstelte Darstellung der Facetten des Menschen Reinisch: Als junger Abiturient tanzt er stundenlang mit seiner Freundin Ludovika Linhard, stimmlich und szenisch hervorragend von Carolin Ankenbauer präsentiert. Als Reinisch spürt, dass seine Liebe zu Gott größer ist als die zu Ludowika, setzt er alles auf eine Karte, wird Priester und tritt dann bei den Pallottinern ein. Schnell entlarvt er die nationalsozialistische Ideologie als gottlos und zerstörerisch. Gespenstisch taumeln die Tänzer zombiegleich über die Bühne, wird ein Lied später aus den tanzenden Individuen eine Gruppen von maskierten „Gleichgesichtern“, hört alles auf das Kommando des Führers. Und immer schwingt zwischen den Zeilen die Frage mit: Was hätte der Zuhörer an Reinischs Stelle getan?

„Es tut gut, sich von der Botschaft von Franz Reinisch berühren zu lassen, in einer Zeit, in der es gilt, sich zur Demokratie zu bekennen, die Würde des Menschen zu schützen und für Werte einzustehen", sagte Landtagspräsidentin Barbara Stamm (Foto (c): Markus Hauck (POW))

„Es tut gut, sich von der Botschaft von Franz Reinisch berühren zu lassen, in einer Zeit, in der es gilt, sich zur Demokratie zu bekennen, die Würde des Menschen zu schützen und für Werte einzustehen", sagte Landtagspräsidentin Barbara Stamm (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Pfarrer Armin Haas begrüßte im Namen der Schönstattbewegung alle Besucher des Musicals (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Pfarrer Armin Haas begrüßte im Namen der Schönstattbewegung alle Besucher des Musicals (Foto (c): Markus Hauck (POW))

Emotional eindringlich sind die Szenen, in denen der Geistliche nach der Verweigerung des Eids auf Hitler vor dem Reichskriegsgericht seine Motive erläutert oder in der Gefängniszelle mit sich und seiner Gewissensentscheidung ringt. Reinisch ist in dem Musical vor allem dadurch ansprechend und authentisch, dass er nicht als Superheld dargestellt wird, sondern als Fragender, als Glaubender, der seinen Schwächen zum Trotz seinen Weg bis aufs Schafott geht. Die Beziehung zu Gott ist Reinisch Kraftquelle. Aber dennoch erlebt er auch die Tiefen der Angst und Verzweiflung. „Freiheit, Liebe, aufrechten Gang gibt es nicht zum Nulltarif“, bringt es Pater Schwan am Ende der Reise auf den Punkt. Sein Schlusslied: „Was machen wir mit seiner Asche?“ ist mehr ein Auftrag als eine Frage.

Weitere Aufführungen sind geplant:

  • am Samstag, 16. Juni, um 19 Uhr in der Pfarrkirche Sankt Martin in Bamberg,
  • am Samstag, 20. Oktober, um 19 Uhr in der Pilgerkirche in Vallendar-Schönstatt,
  • am Samstag, 3. November, um 19 Uhr im Kurtheater von Hall bei Innsbruck/Österreich sowie
  • am Sonntag, 18. November, um 17 Uhr in der Hermann-Kimling-Halle in Östringen bei Bruchsal.

Zu dem Musical sind eine CD, eine Text- sowie eine Notenausgabe erschienen, die unter www.rigma-shop.de erhältlich sind.

Pater Franz Reinisch (Foto: Archiv)

Zur Person: Franz Reinisch

Franz Reinisch wird am 1. Februar 1903 in Feldkirch-Altenstadt (Österreich) geboren. Er wächst in Innsbruck auf. 1922 beginnt er dort ein Jurastudium. 1923 wechselt Reinisch nach Kiel, um dort Gerichtsmedizin zu studieren. Im Juli kehrt er nach Hause zurück mit dem Entschluss, Priester zu werden. In Innsbruck nimmt er das Studium der Theologie und Philosophie auf. 1925 tritt er in Brixen in das Priesterseminar ein. Am 29. Juni 1928 empfängt Reinisch in Innsbruck die Priesterweihe und tritt im November des gleichen Jahres in Untermerzbach in den Haßbergen bei den Pallottinern ein. 1930 legt er die erste Profess ab und wird Lektor für Philosophie. 1933 wechselt Reinisch nach Friedberg bei Augsburg, wo er im Mutterhaus der Süddeutschen Pallottinerprovinz für die Jugendarbeit zuständig ist. Durch die Priesterzeitschrift „Sal terrae“ kommt er erstmals mit Schönstatt in Kontakt. 1934 wird Reinisch Spiritual in Salzburg. 1935 versetzen die Pallottiner ihn nach Konstanz. Reinisch erkrankt an den Nieren und wird 1936 nach Hohenrechberg versetzt. 1937 erfolgt die Versetzung nach Salzburg, 1938 schickt ihn seine Gemeinschaft nach Schönstatt. Im Auftrag der Bewegung hält Reinisch in ganz Deutschland Exerzitien, Einkehrtage und Tagungen. 1940 erteilt die Gestapo ihm ein Redeverbot. Dem Wehrmacht-Stellungsbefehl zum 14. April 1942 kommt er absichtlich mit einem Tag Verspätung nach. Am 7. Juli 1942  wird er vom Berliner Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am 21. August 1942 in Brandenburg durch das Fallbeil hingerichtet. Seit 2013 läuft das Seligsprechungsverfahren für Reinisch.


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