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10. März 2010 | Deutschland | 

Keine Angst vor der Zukunft


7. Wirtschaftsforum Oberkirch, 6. März 2010mkf. Am 6. März 2010 fand es zum siebten Mal statt: das Wirtschaftsforum Oberkirch. Veranstaltet von der Stiftung Schönstatt und der Wirtschaftsregion Ortenau (WRO) in Zusammenarbeit mit „Wirtschaft in Gemeinschaft" der Fokolar-Bewegung versammelt das Wirtschaftsforum nun schon seit sieben Jahren mittelständische Unternehmer und Führungskräfte der Wirtschaft - auch über die Region hinaus - zu Austausch und Anregungen über aktuelle Fragen, die über das Tagesgeschäft und den rein wirtschaftlichen Denk- und Handlungsrahmen hinausgehen. Dabei erweisen sich die Themenfinder als Experten mit dem Hand am Pulsschlag der Zeit - und zugleich immer auch einem offenen Ohr für das, was in den Erscheinungen und Herausforderungen wirtschaftlichen Handelns wegweisende Gottesstimme sein könnte.

Mit dem Thema „Keine Angst vor der Zukunft" griff das Wirtschaftsforum wie schon im vergangenen Jahr die durch die Wirtschafts- und Finanzkrise geprägte Grundbefindlichkeit auf.

Podiumsgespräch mit den Referenten

Der plötzliche und heftige Wintereinbruch dieses Samstags im März beeinträchtigte die Teilnahme nur unwesentlich - an die hundert Unternehmer und Führungskräfte aus der Wirtschaft weit über den Bereich der Wirtschaftsregion Offenurg-Ortenau hinaus trafen bis zum Beginn des Wirtschaftsforums im Schönstattzentrum Oberkirch ein - und auch der letzte im schneebedingten Stau hängende Referent schaffte es noch pünktlich!

Das Anliegen des Wirtschaftsforums Oberkirch ist anders als bei „traditionellen" Wirtschaftsforen der ganzheitliche Ansatz; es gilt, das jeweilige Thema aus möglichst verschiedenen Perspektiven und eben nicht nur aus dem klassischen volks- und betriebswirtschaftlichen Blickwinkel zu betrachten und dann in einen bereichernden Dialog zu treten. Neben die fruchtbare Ergänzung von in diesem Fall pädagogischen, wirtschaftsethischen, ökomischen und theologischen Beiträgen trat dabei auch wieder, typisch Wirtschaftsforum Oberkirch, ein spannender Mix aus Theorie und Praxis.

Sorgen Sie für tragfähige Verbindungen

Markus SchwärSo zeigte Diplompädagoge und Unternehmensberater Markus Schwär die seiner Erfahrung nach wichtigsten Irrtümer und Chancen mit der Krise. Dinge, die wir für selbstverständlich gehalten haben - etwa die Stabilität und Vertrauenswürdigkeit von Banken - sind es nicht mehr; mehr als eine Finanzkrise, so Schwär, erleben wir eine Vertrauenskrise. Statt dem Irrtum zu verfallen, die Krise als etwas von Außen kommendes zu sehen, gegen das ich selbst nichts tun kann und so die Lösung von einer fremden Größe zu erwarten, gelte es, die Chance zu begreifen, heute selbst Ursachen zu setzen für etwas, das morgen geschieht. Ein Exkurs in die Theorie der zyklischen Wirtschaftsentwicklung (Kondratjew-Zyklen) zeigte die gegenwärtige Krise im Kontext wirtschaftlicher Paradigmen­wechsel und der damit verbundenen innovations­induzierten Investitionen: Es wird massenhaft in die neue Technik investiert und damit ein Aufschwung hervorgerufen. Hat die Innovation sich allgemein durchgesetzt, ist also der Sättigungszustand erreicht, verringern sich die damit verbundenen Investitionen drastisch, und es kommt zu einem Abschwung. Gleichzeitig wird die Krise aber Motor neuer Kreativität und damit eines erneuten Paradigmenwechsels.

Die gegenwärtige Krise als Chance nutzen und wachsen könnten die, die für tragfähige Beziehungen in Netzwerken sorgten und die Chance nutzten, von andere zu lernen, und die aus Überzeugung handelten und in Form von Einladung zum Mittun anregten. Zum Schluss gab er den Anwesenden ein Wort von Henry Ford mit auf den Weg: Krisen lassen sich nie durch die Denkweisen lösen, durch die sie entstanden sind.

Ethik in der Wirtschaft - aus dem Leben für das Leben

Joachim FuchsPraxisorientiert, anhand von Highlights aus der eigenen beruflichen Praxis, sprach Joachim Fuchs, Unternehmensberater, von der Wiedergewinnung der Werte. Frei von Powerpointpräsentation und Handouts regte Fuchs die Zuhörer an, nach den Werten zu fragen, die hinter dem wirtschaftlichen Handeln stehen. Menschengerechte Werte des Leistens, Vertrauens und Verantwortens (nach Malik) gelte, es neu in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn es glückt, Mitarbeitern Verantwortung zu übertragen und sie dafür zu gewinnen, diese auch auszuüben, statt bloße Befehlsempfänger zu sein, ist viel gewonnen. Mit überzeugenden Beispiele - vom menschlichen Umgang mit Gewerkschaftlern bis zum Ernstnehmen des Arbeiters am Fließband - traf Fuchs auf große Offenheit im Publikum. Die vom und katholischer Unternehmer erarbeiteten „Zehn Gebote für Unternehmer", so Fuchs, sollten auch und gerade in Zeiten der Krise Maßstab für christliches unternehmerisches Handeln sein.

Willi Klein und ThomasHüttl, Wirtschaft in GemeinschaftAn diesem Punkt setzten, aus der Spiritualität der Geschwisterlichkeit im Sinne der Fokolar-Bewegung kommend, Willi Klein und Thomas Hüttl, mit ihrem ebenfalls sehr praxisbezogenen Beitrag an. Wenn man als Unternehmer alles verliert, wenn Existenz und Familie auf dem Spiel stehen und man dann immer und gerade noch Feindesliebe übt dem gegenüber, der einem als Konkurrent in unfairster Weise attackiert, dann ist das einfach der Beweis, dass auch in der Wirtschaft christliche Werte tragen. Zeugnis überzeugt. Auch wer noch nie zuvor etwas gehört hatte von der „Wirtschaft in Gemeinschaft" und der „Kultur des Gebens", war nach den Darbietungen der beiden Referenten aus der Fokolar-Bewegung angerührt von einem Modell, das auf den ersten Blick so undenkbar ist gerade in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation und das doch so eine strahlende Attraktivität entfaltet... Denn: „Das Risiko, den Feind zu lieben, hat sich am Ende - auch wirtschaftlich! - gelohnt!"

Von der Bruchstückhaftigkeit des Menschen zur ganzheitlichen Entwicklung

Msgr. Dr. Aldo GiordanoMsgr. Dr. Aldo Giordano, Professor der Philosophie und Ständiger Beobachter des Vatikan beim Europarat in Straßburg verwies in seinem Referat zur Sozialenzyklika Benedikt XVI. auf dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes auf Ganzheitlichkeit als Grundherausforderung heute. Die größte Versuchung der Menschheit sei, dass das Ganze in Einzelteile zerpflückt werde und das Einzelteil dann verabsolutiert werde (Josef Kentenich schien im Geiste zu applaudieren). Alle antrhropologischen Visionen, die den Menschen auf einen Teil reduzieren - auf Sexualität, Arbeit, Verstand oder was auch immer -, alle Konzepte, die eine Rasse, eine Partei, eine Technik oder ein Arbeitssystem verabsolutieren, laufen ins Leere. Es gelte, so Giordano, ausgehend von der Sozialenzyklika, das Bruchtstückhafte zu verlassen und das Ganzheitliche neu zu sehen. In einem großen Wurf zeichnete er die Grundpostulate der ganzheitlichen Herangehensweise des Papstes in dieser Enzyklika: die Überwindung des Relativismus gerade auch im Bereich von Kultur, Gesetzgebung, Medien und Politik, die radikale Option für den Menschen, des ganzen Menschen und aller Menschen, als Ziel sozialer Entwicklung, die Neuentdeckung von Geschenk und Unentgeltlichkeit als Kategorien des Denkens und Handelns. Das alles eingebunden in den großen theologischen Horizont des Wissens, dass es ist Christus ist, der dem Menschen den Menschen zeigt in seiner ganzen Größe, Würde und Ganzheitlichkeit. In diesem Horizont komme dem christlichen Glauben auf dem internationalen Parkett eine ungeheure Bedeutung zu: „Woher soll eine Geschwisterlichkeit kommen, die den enormen Erwartungen von Wirtschaft und Politik unserer Zeit gerecht wird und nicht Gefahr läuft, in gewalttätige Tragödien auszuarten, wie wir sie aus der Geschichte kennen? Am Ende meines Beitrages scheint mir der Hinweis wichtig, dass Benedikt XVI. das Anliegen hat, der Welt Gott zurück zu geben. Gott ist die Quelle der Geschwisterlichkeit. Jede Seite von Caritas in Veritate ist im Licht des Evangeliums geschrieben. Der Blick auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge ist letztendlich der Blick des Glaubenden."

Um die Identität und Aufgabe Europas

Lebhafter Austausch in der PauseEine lebhafte Diskussion schloss sich nach der Kaffeepause an, als alle Referenten in einem von Helmut Iffländer moderierten Podium den Teilnehmern des Wirtschaftsforums Rede und Antwort standen.

Ist jeder Konkurrent ein Feind?, so die Nachfrage aus dem Kreis der Zuhörer. Oder: Muss nicht unterschieden werden zwischen konjunktureller und struktureller Krise, sprich, zwischen Unternehmen, die momentan durch die konjunkturelle Krise in Schwierigkeiten geraten sind, und solchen, die es aus eigener Schuld versäumt haben, ihre Strukturen an die heutigen Erfordernisse anzupassen? Wo unterstützen wir die Kreativität, die Neues schafft, und wo subventionieren wir eigentlich schon tote Modelle?

Während der PodiumsdiskussionDurch den Beitrag von Aldo Giordano kam das Thema von Identität und Aufgabe Europas in den Blick: Hat Europa die Kraft, seine Verantwortung zu übernehmen als Kontinent vielfacher Erfahrungen, Traditionen und Wurzeln? Europa fehle im Moment die Identität, so Aldo Giordano. Wir als Christen fragen uns nach der Seele, nach den christlichen Wurzeln. Europa habe ein großes Potential an Erfahrung einzubringen, und es sei zu hoffen, dass es diese Berufung bald wieder entdecke. Im Moment habe Europa seine Position in der Welt noch nicht gefunden. Aber von den traditionellen Werten Europas und auch von seiner Wirtschaftsmacht her könne sich Europa genau das nicht leisten, sondern müsse erwachen, um seine Aufgabe und Berufung zu erfüllen.

Dr. Josef Wieland: Dank an die ReferentenBeim abschließenden Abendessen gab es noch lange und intensive Diskussionen zu einem Thema, das viele bewegte: Keine Angst vor der Zukunft. Nicht, weil man die Welt im Griff hat, keineswegs. Aber weil sich in Werten und Führungsqualitäten Wege auftun.


Text des Vortrags von Msgr. Dr. Aldo Giordano (pdf).

Fotoalbum

Demnächst stehen hier die Redebeiträge als MP3 zur Verfügung.

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