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16. Juni 2017 | Dachau 2017 | 

… trotzdem Gott vertrauen - Der „lange Marsch durch die Generationen“


Trotzdem Gott Vertrauen (Fotomontage: Brehm)

Trotzdem Gott Vertrauen (Fotomontage: Brehm)

Am 16. Juli 2017 lädt die Schönstatt-Bewegung herzlich zu einer Gedenkfeier in die KZ-Gedenkstätte Dachau ein, wo sie sich unter dem Thema „Trotzdem - Gott vertrauen“ mit der Bedeutung der Gründungen des Schönstatt-Familienwerkes und der Schönstätter Brüdergemeinschaft für damals und für heute durch den Schönstattgründer Pater Josef Kentenich beschäftigen wird. Außerdem blickt sie auf einen Besuch Pater Kentenichs vor 50 Jahren an seiner ehemaligen Haftstelle während des dritten Reiches zurück. Der letzte Teil der vorbereitenden Artikelserie von Schönstatt-Pater Elmar Busse, beschäftigt sich unter dem Stichwort "...  der lange Marsch durch die Generationen" u.a. mit der Frage der Bedeutung der Wertevermittlungfür die Gesellschaft von "übermorgen".

Fritz Kühr mit seiner Frau Helene (Foto: Archivfoto)

Fritz Kühr mit seiner Frau Helene (Foto: Archivfoto)

Dr. Edi Pesendorfer (Foto: Archivfoto)

Dr. Edi Pesendorfer (Foto: Archivfoto)

… trotzdem Gott vertrauen - Der „lange Marsch durch die Generationen“

Elmar Busse. „Der lange Marsch durch die Institutionen“ war ein Motto, das sich die West-68er gewählt hatten, um ihre Strategie zu beschreiben, wie sie ihre Visionen einer klassenlosen Gesellschaft verwirklichen wollten. Sie griffen auf das Motto „des langen Marsches“ zurück, das von der Kommunistischen Partei (KP) Chinas geprägt worden war, also auf einen revolutionären Mythos. Bei genauerem Hinsehen freilich zeigen sich einige Unstimmigkeiten: Der historische „Lange Marsch“ 1934/35 war eine zum Teil desaströse Rückzugsbewegung der angeschlagenen kommunistischen Streitkräfte aus den Zentralprovinzen Chinas in das abgelegene Jenan.

Den kühnen Träumen der 68er ging es wie so mancher Apfelblüte: Die Blütenblätter fallen, aber es entsteht keine reife Frucht. „Sie hatten das Elend der ganzen Welt im Blick und übersahen das Unrecht vor der eigenen Haustür. Gegen die Unterdrückung der Freiheit in der DDR und die Mauer protestierten sie nicht, obwohl ein Teil der Protestierer, wie Rudi Dutschke und Bernd Rabehl, aus dem Osten stammte.“[1] So mancher Alt-68er durchlief verschiedene „Bekehrungsschritte“ und integrierte sich in die parlamentarische Demokratie oder manövrierte sich ins Abseits.

Gründung von Familienwerk und Brüdergemeinschaft in Dachau

Als Pater Kentenich am 16.7.1942 mit Fritz Kühr das Familienwerk und mit Edi Pesendorfer die Brüdergemeinschaft gründete, da ging es ihm nicht um die Gründung von noch zwei  weiteren frommen Vereinen oder Genossenschaften. Beide Gemeinschaften zielten letztlich auf die Verwirklichung der Erneuerung der Gesellschaft von der Basis aus. Da uns von der Gründung verständlicherweise keine Dokumente vorliegen, müssen wir auf einen Text zurückgreifen, den Pater Kentenich 1948 von Brasilien aus an Pater Johannes Tick, der in Schönstatt die erste Familientagung überhaupt abhielt, geschrieben hatte: „Die heutige Zeit jedoch, die überall auf allseitige Entwurzelung aller Lebensverhältnisse drängt, zeigt ihre verheerenden Wirkungen am stärksten im Heiligtum der Familie. Will die Gottesmutter von Schönstatt aus eine neue menschliche Gesellschaft und einen neuen Menschentyp formen und gestalten, so muss sie notwendigerweise ihre ganze Gnadenmacht auf Schaffung und Vermehrung tragfähiger (Schönstatt)familien konzentrieren.“[2]

Ähnliches gilt für die Marienbrüder. Wissenschaft, Technik und Politik waren nach Kentenichs Auffassung nicht entchristlicht, sondern noch gar nicht „getauft“. Mit der Brüdergemeinschaft suchte Kentenich Männer, die aus christlicher Motivation heraus sich in diesen drei Bereichen engagieren und in ihrer Person ein Bindeglied zwischen Glauben und den jeweiligen Lebensbereichen darstellen sollten. – Etwas ganz Persönliches und doch gesellschaftsrelevant. Die Zeit für diese Form der christlichen Lebensgestaltung und Christusnachfolge in Gemeinschaft von ehelosen Männern scheint noch nicht gekommen. Darauf deutet die bis jetzt geringe Zahl der Mitglieder hin. Aber in Mario Hiriart, der die Marienbrüder in Chile gründete und dessen Seligsprechungsprozess eingeleitet worden ist, hat die Gemeinschaft einen Zukunftsvisionär geschenkt bekommen, der die Sendung dieser Gemeinschaft detailliert weiterentwickelt hat.[3] Diese Blüte hat eine reife Frucht hervorgebracht.

Kirche gehört nicht in die Katakomben

Wohin die von Pater Kentenich intendierte Gemeinschaftsbildung führen kann und welches Konfliktpotential sich damit auftun könnte, sehen wir gegenwärtig in der Bekämpfung der Gülen-Bewegung durch die türkische Regierung. Als die Gülen-Bewegung oder Hizmet-Bewegung wird eine transnationale religiöse und soziale Bewegung bezeichnet, die vom islamischen Geistlichen Fethullah Gülen geführt wird.[4] Ein machtfixierter König Herodes sah in dem „neugeborenen König der Juden“ nur eine Bedrohung, aber keine Chance. Einem machtfixierten Politiker ist heutzutage ein fremder Einfluss ebenso ein Dorn im Auge wie dem Herodes vor 2000 Jahren. In Deutschland kennen wir aus der Geschichte den so genannten „Kulturkampf“, den Konflikt zwischen dem Königreich Preußen bzw. später dem Deutschen Kaiserreich unter Reichskanzler Otto von Bismarck und der katholischen Kirche unter Papst Pius IX. Diese Auseinandersetzungen eskalierten ab 1871; sie wurden bis 1878 beendet und 1887 diplomatisch beigelegt. Kirche gehört nicht in die Katakomben. Darum ging es Pater Kentenich.

Die großen Visionen nie aus den Augen und aus dem Herzen verlieren

Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann ging es ihm aber nicht um einen langen „Marsch durch die Institutionen“ sondern um einen „langen Marsch durch die Generationen“. Die Grundlagen für beziehungsfähige Leistungsträger der Gesellschaft werden in der Familie gelegt. Kinder brauchen zuerst die Sicherheit und Geborgenheit, die liebende Eltern ihnen vermitteln können. Erst Beziehung, dann Erziehung! Wertevermittlung braucht einen langen Atem; und so versteht sich, dass Pater Kentenich oft vom „übermorgen“ statt vom „morgen“ sprach. Neben dem langen Atem braucht es viel Geduld. Kentenich sagte oft, er habe praktisch viel Zeit investiert, um kleine Maschen zu stricken, aber dabei die großen Visionen nie aus den Augen und aus dem Herzen verloren.

Gott will dem ehelichen Weg der Nachfolge eine hohe Priorität einräumen

Wenn wir am 16. Juli 2017 der Gründungen vor 75 Jahren gedenken, dann dürfen wir einerseits dafür danken, dass die Familienbewegung zum dynamischsten Zweig der internationalen Schönstatt-Bewegung geworden ist und andererseits auch für uns erbitten:
- den langen Atem,
- die nie ermüdende Geduld
- und den klaren, weitsichtigen Blick für die Zukunftsvisionen von Pater Kentenich.

Im Blick auf das Gewordene ist es naheliegend, dass eine Spiritualität, die auf dem biblischen Bundesgedanken und der biblischen Bundeswirklichkeit beruht, ideal für Ehepaare ist: Alles, was ich in die Qualität der Partnerbeziehung investiere, kommt auch der Qualität der eigenen Gottesbeziehung zugute. Alles, was ich in die Qualität der Beziehung zu Gott investiere, kommt der Partnerschaft zugute. Nach anderthalb Jahrtausenden vieler göttlicher Initiativen mit ehelosen Wegen der Nachfolge durch zahllose Ordensgründungen, scheint Gott den Akzent verlagern zu wollen und dem ehelichen Weg der Nachfolge eine hohe Priorität einräumen zu wollen.


[1] Wolle, Stefan: Der Traum von der Revolte. Die DDR 1968. Berlin: 2008.  S. 93.

[2] J.Kentenich, Brief aus Santa Maria vom 15.4.1948 an Pater Tick und das Familienwerk
in: KENTENICH, Joseph, Das Katholische Eheideal. Eine Textsammlung, zusammengestellt und eingeleitet von Pater Heinrich M. Hug, Schönstatt 1989, 184-187

[3] Brief von Mario Hiriart an Pater Kentenich vom 8.7.1957. zit. in: Benito Schneider, Mario Hiriart. Ingenieur und Heiliger. Vallendar-Schönstatt 1977, S.135f.

[4] Die Bewegung mit mehr als 4 Millionen Mitgliedern hat ein weit verzweigtes Netzwerk von Erziehungseinrichtungen mit über 200 Schulen weltweit und investiert gleichzeitig in Medienarbeit, Finanzen und Krankenhäuser. Ihre Weltanschauung wird teilweise in der Öffentlichkeit als „pazifistischer, moderner Islam“ als Gegensatz zum extremeren Salafismus  bezeichnet.

Mehr Informationen zur Jubiläumsfeier

  • 75 Jahre Schönstatt-Familienwerk, 75 Jahre Schönstatt-Institut Marienbrüder und 50 Jahre Begegnung mit Pater Josef Kentenich in der KZ-Gedenkstätte Dachau
  • Termin: 16. Juli 2017 (Programm von 9.30 Uhr bis etwa 17 Uhr)
  • Programm: Übersicht
  • Organisatorisches
  • Anmeldung (per E-Mail, Telefon oder Post) bis spätestens 20. Juni 2017 bei
    Anton Pfaffenzeller, Fliederstraße 11, 86529 Schrobenhausen, Tel. 08252 7941,
    E-Mail: anton.pf@t-online.de
  • DOWNLOAD Flyer deutsch
  • DOWNLOAD Flyer español

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