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16. Mai 2017 | Dachau 2017 | 

Trotzdem Mensch bleiben


Trotzdem Gott Vertrauen (Fotomontage: Brehm)

Trotzdem Gott Vertrauen (Fotomontage: Brehm)

Elmar Busse. Der norwegische Maler Edvard Munch (*1863 +1944) lebte von 1892 bis 1908 vorwiegend in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Gemälden zählt der Schrei: Eine Person auf einer Brücke presst beide Hände seitlich an den Kopf, die Augen sind schreckweit geöffnet und aus dem aufgerissenen Mund scheint man den Schrei zu hören, der da ausgestoßen wird. Diesem Motiv hatte sich Edvard Munch mehrere Male über ein paar Jahre gewidmet. Biographen meinen, er habe mit dem Malen dieses Motivs seine eigenen Panikattacken versucht zu „behandeln“ – intuitive Ergotherapie sozusagen.

Sich anstecken lassen vom Funken der Hoffnung

Ich lade Sie zu einem Gedankenexperiment ein: Stellen Sie sich vor, dass in allen Kirchen, Kapellen und Bildstöckchen die Marienbilder mit Kind ausgetauscht würden mit diesem Bild von Munch. Wenn wir die Bilder aus dem Bürgerkrieg in Syrien oder im Sudan, wenn wir die Hungerbilder aus Ostafrika, wenn wir die an den Strand gespülten Leichen aus dem Mittelmeer, die Opfer von Selbstmordattentaten sehen, dann kann einem sogar der Schrei im Halse steckenbleiben. In der persönlichen Betroffenheit würden wir uns in diesem Bild von Munch wiederfinden. „Es ist zum Schreien!“ Doch reicht das aus? Haben wir dann die Energie, etwas zum Besseren, zum Menschlicheren zu verändern?

Es gibt vielerlei Selbsthilfegruppen, in denen sich Menschen mit gleichen Problemen zusammenschließen, um sich gegenseitig zu ermutigen. Therapeuten weisen darauf hin, dass Mitmachen in einer Selbsthilfegruppe erst dann Sinn macht, wenn die Betroffenen der eigenen Seele erlauben, sich anstecken zu lassen vom Funken der Hoffnung, der überspringt, wenn man hört, wie andere Betroffene trotzdem Ja zu ihrem Leben sagen.

Ein technischer Vergleich: Wenn ein Waggon mit 10 Reisenden allein in einem Tunnel steht ohne Licht, dann können sich die Passagiere gegenseitig trösten: Du bist nicht allein in diesem Dunkel. Wenn nun eine Lokomotive in den Tunnel fahren würde und den Waggon ankoppeln würde, dann könnte die Lok den Wagen aus dem Tunnel ins Helle ziehen und alle Passagiere wären wieder im Licht. Was für die Lok und den Waggon das Ankoppeln ist, das ist für uns Menschen die Empathie, das Einfühlen und Mitfühlen. Wenn das nicht wäre, würde die Lok ohne Waggon aus dem Tunnel wieder herausfahren. Die Lok „weiß“ aber auch den Weg aus dem Tunnel und hat die Kraft, sich selbst und den Waggon aus dem Tunnel zu ziehen.

Wenden wir uns wieder der Kunst zu: Das Bild der Schrei könnte uns deutlich spiegeln, wie schlimm es um uns und unsere Welt bestellt ist. Aber dieses Bild könnte uns nicht „herausziehen“.

Unsere liebe Frau von Dachau (Lagermadonna) (Foto: Brehm)

Unsere liebe Frau von Dachau (Lagermadonna) (Foto: Brehm)

Statue von Mutter und Kind - Zeichen der Hoffnung und des Trostes

Das Bild von Maria und Jesus, das Bild von Mutter und Kind, von einer gelungenen Beziehung zwischen Erlöser und Erlöstem kann uns weiterführen.

Die SS-Lagerleitung hatte eine einfache künstlerische Ausstattung der Priesterbaracke zugelassen; denn sie benutzte diesen Raum als Vorzeigeobjekt, um offiziellen Besuchern zu demonstrieren, wie gut die Priester im KZ behandelt würden. Nach der Befreiung des Konzentrationslagers (am 30. April 1945 - durch amerikanische Soldaten) wurde die Figur im Dachauer Pfarrhaus aufbewahrt. 1955 haben 130 ehemalige Priesterhäftlinge die Madonnenstatue im Rahmen einer Gedenkstunde zur 10-jährigen Wiederkehr der Befreiung in einer feierlichen Prozession in die Pfarrkirche St. Jakob überführt. Später hat man die Figur in der neu erbauten Kirche Heilig-Kreuz in Dachau-Ost aufgestellt, bis sie 1964 wieder auf das Gelände des ehem. KZs, in die neu gebaute Karmelkirche zurückkehrte.

Als die Statue von Mutter und Kind 1943 in die Kapelle der Priesterbaracke kam, was das ein Zeichen der Hoffnung und des Trostes. Sehr deutlich hat das der KZ-Häftling und spätere französische Kulturminister Edmond Michelet ausgedrückt: „In einer unmenschlichen Umwelt, in einem Ozean von Hass, der uns verschlingen wollte, war die menschliche Milde, die unerschöpfliche und stets erreichbare Güte von Maria uns oft Anlass zur Freude. Durch die Betrachtung der allerseligsten Jungfrau Maria zu Füßen des Kreuzes fanden wir einen neuen Sinn unseres Elends; mehr noch: in der Betrachtung ihres ununterbrochenen Eintretens für uns verstanden wir immer besser, was unsere eigene Haltung sein könnte, sowohl in den Tagen unseres Todes als auch später, wenn die Rechnungen beglichen würden. Keine Sprache wird je die unendliche Dankbarkeit derjenigen wiedergeben können, die die Gnade dieser Umformung ihrer Leiden erlebt haben und diese geradezu alles umstürzende Entwaffnung des Hasses.“1

Blick auf eine andere Wirklichkeit

Pater Kentenich hatte schon vor Dachau immer wieder die alte katholische Erfahrung zitiert: „Maria überwindet alle Häresien.“ Zu Beginn der NS-Zeit konkretisierte er diese Erfahrung: Maria hilft auch bei der Überwindung der Häresien, die das gottgewollte Menschenbild betreffen. In Dachau litten die Häftlinge unter den mörderischen praktischen Konsequenzen, die sich aus einem falschen Menschenbild ergaben. Der Blick auf die Marienstatue in der Lagerkapelle, diese „Momentaufnahme“ gelungener Beziehung zwischen Mutter und Kind erinnerte die Häftlinge, dass es noch eine andere Wirklichkeit gab als die Grausamkeiten und Verdemütigungen des Lagers.

Für ein menschlicheres Miteinander eintreten

Wir befinden uns im Maimonat. Da sind wir eingeladen, in Maiandachten der Gottesmutter unsere Verehrung zu zeigen und unsere Liebe zu ihr auszudrücken. Auch wenn wir längst nicht diese Unmenschlichkeiten eines KZ’s zu erleiden haben, so können uns doch die Berichte von den Grausamkeiten weltweit am Menschen und an der Menschlichkeit zweifeln lassen. In solchen Momenten tut es gut, auf den ganz heilen und voll beziehungsfähigen Menschen Maria zu schauen und ihre innige Beziehung zu ihrem und unserem Erlöser auf uns wirken zu lassen. Das kann uns motivieren, in unserer Umgebung für ein menschlicheres Miteinander einzutreten und zu sorgen. 


(1) Edmond Michelet, Rue de la Liberté, Paris 1955; Deutsche Übersetzung: Die Freiheitsstraße.Dachau 1943-1945, Stuttgart o.J. (1960) hier zit. in Rundbrief des internationalen Karl Leisner Kreises Nr. 50 vom Februar 2005, S. 48f.

Mehr Informationen zur Jubiläumsfeier

  • 75 Jahre Schönstatt-Familienwerk, 75 Jahre Schönstatt-Institut Marienbrüder und 50 Jahre Begegnung mit Pater Josef Kentenich in der KZ-Gedenkstätte Dachau
  • Termin: 16. Juli 2017 (Programm von 9.30 Uhr bis etwa 17 Uhr)
  • Programm: Übersicht
  • Organisatorisches
  • Anmeldung (per E-Mail, Telefon oder Post) bis spätestens 20. Juni 2017 bei
    Anton Pfaffenzeller, Fliederstraße 11, 86529 Schrobenhausen, Tel. 08252 7941,
    E-Mail: anton.pf@t-online.de
  • DOWNLOAD Flyer deutsch
  • DOWNLOAD Flyer español

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