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15. Februar 2010 | Deutschland | 

Eingreifen ins Leben – Gesellschaft, Kirche, Wissenschaft


Referenten beim Symposium aus Anlass von vierzig Jahren JKImkf. Mit einem auch für Gäste offenen Symposium beging das Josef-Kentenich-Institut (JKI) am Samstag, 13. Februar, seinen vierzigsten Geburtstag. Das JKI ist ein wissenschaftliches Institut, das sich besonders der Erforschung von Lehre, Werk und Person Pater Josef Kentenichs, des Gründers der Schönstatt-Bewegung, widmet. Ziel des JKI ist eine tiefere wissenschaftliche Durchdringung des Ansatzes von Josef Kentenich und das Hineintragen seiner Anliegen in die heutige Wissenschaft.

Dr. Bernd Biberger, Präsident des JKI - Eröffnung

In diesem Sinn widmete sich das Symposium mit pointierten Beiträgen und einer engagierten Podiumsdiskussion der Auseinandersetzung mit Entwicklungen in Gesellschaft, Kirche und Wissenschaft unter der Frage: Aus was würde Pater Kentenich heute aufmerksam machen? Was gäbe er hinein?

Referenten waren Ordinariatsdirektorin Dr. Gertrud Pollak, Mainz (Institut der Frauen von Schönstatt), Prof. Dr. Joachim Söder und Erzbischof Dr. Robert Zollitsch.

Kentenichspuren in gesellschaftlichen Phänomen

TeilnehmerArbeit, Jugendliche, Gleichstellungspolitik, digitale Welt sozialer Netzwerke: vier Brennpunkte aktueller gesellschaftlicher Diskussion griff Frau Dr. Gertrud Pollak in ihrem Impuls auf, mit dem Blickwinkel der Stimme der Zeit und möglicher „Kentenichspuren", die sich ziehen ließen auf das hin, was Pater Kentenich und Schönstatts Spiritualität hinein zu sagen und hinein zu geben haben.

Auch wenn man spürt, dass die Frage nach Arbeit weit über das generelle Diskussionsniveau um materielle Existenzsicherung hinausgreift, wird die Frage nach der anthropologischen Bedeutung der Arbeit, nach dem, was - außer genügend Geld - dem Menschen fehlt, der keine Arbeit hat, und was mit dem ist, der der keine Lust an (seiner) Arbeit hat, selten gestellt. Pater Kentenich hätte tiefer gegriffen, so Dr. Pollak; soziale, psychologische, pädagogische und theologische Aspekte von Arbeit ließen sich einbringen, ebenso wie die Frage nach Entfaltung der Kreativität und der schöpferischen Kraft im Menschen.

Individuell sein und dazu gehören: die Spannung, die Jugendliche immer prägt, wird heute in einer nahezu grenzenlosen Gestaltungsfreiheit und einer Identitätssuche mit je wechselnden Konstrukten erlebt: wo alles im Fluss ist, wird Kult um die eigene Person zur Identitätsstiftung gebraucht. Hier sind persönlichkeitsfördernde Angebote („Kiwi" - keiner ist wie ich), Ideal- und Liebespädagogik gefragt.

Literarische Früchte des JKIUnter dem Stichwort „Gleichstellungspolitik" geht es um Gleichstellungsgesetze und Gender Mainstreaming-Gedanken, die im Extrem eine eigene Ideologie sexueller Orientierung befördern. Im Sinne Kentenichs, so Dr. Pollak, ginge eine unverkürzte Sicht auf schöpfungsgemäße Ergänzung durch gleichwertige Andersartigkeit in Ehe und Gesellschaft.

Die Generation Facebook lebt in digitalen sozialen Netzwerken; Grenzüberschreitungen von öffentlich und privat geschehen nicht durch die neuen Technologien, sondern die Art ihrer Nutzung. Es geht nicht um Angst vor den neuen Technologien, sondern die Gestaltung ihrer Nutzung, ganz im Sinne der Vorgründungsurkunde. Wie aus digitalen Kontakten tragfähige Bindungen werden (oder wie vielleicht auch personale Bindungen durch digitale Vernetzung tragfähiger werden) - das könnte in angewandter Bündnis- und Bindungspädagogik erprobt werden.

Die Wissenschaft diskutiert zentrale Themen Kentenichs

Im Gespräch: Dr. Söder, Erzbischof Dr. ZollitschGiorgio Agamben - einer der meist diskutierten Philosophen der Gegenwart - schreibt über die Überwindung des mechanistischen Denkens, Peter Sloterdijk erhebt das Postulat der Selbsterziehung (Du musst dein Leben ändern, 2009), Charles Taylor beschreibt geistige Verfassung und Identität des neuzeitlichen Abendlandes: Es gibt mehrere aktuelle Wissenschaftsdebatten, so Professor Dr. Joachim Söder, die um zentrale Themen Schönstatts kreisen, die sich jedoch nicht der wissenschaftlichen Intervention von schönstättischer Seite verdanken. Die Wissenschaft diskutiert Kentenich-Themen - ohne Beteiligung Schönstatts, so die provokante These Söders: Muss uns das nicht nervös machen? Oder anders: Müssten wir nicht aktiver uns einbringen in die wissenschaftlichen Debatten der Zeit und profilierte Positionierungen vornehmen? Es bedürfe, so Söder, der entschiedenen Förderung wissenschaftlicher Exzellenz bis hin zu mutigen Schritten institutioneller Rahmenbedingungen - einschließlich wissenschaftlichen Instituten und Universitäten.

Der Beitrag Schönstatts für die Kirche

Im Gespräch: P.Ángel Strada, Pfr. Georg EgleNicht zu klein von Schönstatt und seinem Charisma für die Kirche zu denken, dazu rufe ein Anlass wie die Vierzigjahrfeier des JKI auf, so Erzbischof Dr. Robert Zollitsch: „Wir sind eingeladen, unsere Charismen in die Kirche einzubringen und dafür zu sorgen, dass sie in unserer Zeit die richtigen Antworten auf die anstehenden Fragen findet. Unser Gründer selbst hat uns dazu aufgefordert, uns nicht in falscher Bescheidenheit zurück zu halten, sondern mit unserer Erfahrung offensiv in die Kirche hinein zu gehen und sie auf diese Weise mit zu prägen. Dies kann nur dann gelingen, wenn wir uns nicht in unseren eigenen Binnenraum zurückziehen. Wir dürfen ohne Scheu und Berührungsängste die Schätze, die uns in Schönstatt geschenkt wurden, nach außen hin kommunizieren!" ZU diesen Schätzen gehörten, so Erzbischof Zollitsch, „der neue Mensch" im Sinne Kentenichs, jener von tragfähigen Beziehungen gehaltene Mensch, der nicht immer neue Vorgaben von außen brauche, sondern von innen her sich und seine Welt gestaltet, der gesellschaftlich und kirchlich pluralismustaugliche Mensch.

Dank: Dr. Biberger, Erzbischof ZollitschEin weiterer solcher Schatz sei das Persönliche Ideal, geniale Anknüpfung an den neuen Indiviualismus , denn: „Die Menschen heute fragen vielfach nicht zuerst nach der Gemeinschaft und danach, wie sie sich einbringen können; sie wollen wissen, wo sie persönlich einen Gewinn, einen Profit haben, wie sie reifen können. Das müssen wir in Schönstatt nicht verurteilen, weil wir daran anknüpfen können." Vorsehungsglauben als Modalität des Umgangs mit dem Schweren im eigenen Leben und in der Welt einerseits und initiativer Lebens- und Weltgestaltung im Sinne der „geöffneten Türen".

In geheimer Sympathie mit der Zeit

In einer engagierten, streckenweise leidenschaftlichen Diskussion ging es nach einer Kaffeepause vor allem um ein entschiedeneres Ja zum Einbringen des Charimas Pater Kentenichs in die verschiedenen Lebensbereiche. Dass Verteidigungs- und Versteckstrategien überholt sind, darüber waren sich alle einig, ebenso darüber, dass diese immer wieder einmal einen Strich durch die Rechnungen selbstverständlichen Dialogs mit Kirche, Gesellschaft und Wissenschaft machen. Weder Mut noch Überzeugung dürften fehlen, so etwa Erzbischof Dr. Zollitsch, unterstützt von Pater Dr. Heribert King, der an ein Wort Pater Kentenichs erinnerte: Wegen der Gleichheit der Ideale gebe es „eine geheime Sympathie mit der Zeit." Nur wer die Anknüpfungspunkte in der Zeit entdecke, komme in einen fruchtbaren Dialog. Die Zeit, auf die wir reagieren wollen, müssen wir auch positiv deuten, so Dietger Kuller. Wenn wir da sein wollten, wo die Menschen sind, dann stelle sich nicht zuerst und nur die Frage nach den Gefahren von Twitter und Facebook, sondern danach, ob und wie wir dort - und in der pädagogischen Begleitstrategie - gestalterisch tätig werden können.

Podiumsdiskussion

Erstaunen weckte die Darstellung von Pater Angel Strada, dass die „Utopie" einer schönstättischen Universität in Costa Rica kurz vor der Verwirklichung, in Paraguay in einer weit fortgeschrittenen Planungsphase und in Chile und Argentinien ebenfalls - im Sinne einer Pädagogischen Fakultät - im konkreten Horizont der Planungen stehe. Die Kernfrage, so Pater Strada, sei dabei nicht Geld und Gesetzeslage, sondern das entsprechend schönstatt-wissenschaftlich qualifizierte Personal. Muss es nicht auch um eine internationale Vernetzung wissenschaftlicher Initiativen gehen, ohne der eigenen Initiative Grenzen zu setzen?

Ausklang mit einer Meditation zum PriesterbildBei allem, was noch zu tun sei, so klang es am Ende durch, gebe es berechtigten Grund zur Freude über das, was seit vierzig Jahren durch das JKI geschehe. In diesem Sinne fasste Dr. Bernd Biberger das Symposium zusammen, das mit einer Meditation von Dr. Peter Wolf ausklang.

 

 


Dokumentation:


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