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9. Januar 2014 | 2014 | 

Ablass im Jubiläumsjahr - Inneres Neuwerden in der Liebe


Papst Franziskus beim Weltjugendtag in Brasilien

Papst Franziskus beim Weltjugendtag in Brasilien

Hbre. Der Heilige Vater, Papst Franziskus, gewährt den Mitgliedern des Schönstattwerkes und anderen Gläubigen, aus Anlass des Jubiläumsjahres „100 Jahre Schönstatt“ einen vollkommenen Ablass unter den üblichen Bedingungen (sakramentale Beichte, eucharistische Kommunion, Gebet in den Anliegen des Heiligen Vaters). Dieser Ablass kann von 18. Oktober 2013 bis 26. Oktober 2014 am Gründungsort im Urheiligtum in Schönstatt und in allen Schönstattkapellen der Welt sowie von 23. bis 26. Oktober 2014 in Rom empfangen werden.

Die Sprache, die in der kirchlichen Tradition gewachsen ist, ist vielen Menschen heute nicht mehr unmittelbar zugänglich. "Ablass" klingt eher fremd oder für manchen gar fragwürdig. Um den Zugang zu diesem Thema zu erleichtern, stellt sich Sr. M. Aloisia Levermann im nachfolgenden Artikel den Fragen „Wovon und wozu ein Ablass überhaupt? Die Theologin hat an der Hochschule der Pallottiner promoviert und gehört zur Gemeinschaft der Schönstätter Marienschwestern. Was bedeutet dieses Angebot für unser Jubiläumsjahr?“ Im Anschluss an den Artikel stehen das Originaldekret, eine deutsche Übersetzung sowie „Bestimmungen zum Ablassdekret für das Jubiläumsjahr Schönstatts“ zum Download zur Verfügung.

Gedanken zum Jubiläumsablass

Sr. M. Aloisia Levermann

Kurz vor Beginn des Jubiläumsjahres kam von Rom die Nachricht, dass der Hl. Vater für die Zeit vom 18.10.2013 bis zum 26.10.2014 in Schönstatt und in allen Schönstattheiligtümern der Welt sowie an den Jubiläumstagen in Rom einen vollkommenen Ablass gewährt. Im Dekret werden die einzelnen Bedingungen dafür genannt, aber der Ablass selbst ist vielen doch inzwischen eher fremd (und vielleicht sogar fragwürdig) geworden. Gerade beim Ablass merkt man, dass die Sprache, die in der kirchlichen Tradition gewachsen ist, uns heute nicht mehr unmittelbar zugänglich ist: Wovon und wozu ein Ablass überhaupt? Was bedeutet dieses Angebot für unser Jubiläumsjahr?

Originaldekret der päpstlichen Verwaltungsbehörde "Paenitentiaria Apostolica"

Originaldekret der päpstlichen Verwaltungsbehörde "Paenitentiaria Apostolica"

Die wechselhafte Geschichte des Ablasses in der Tradition der Kirche kann hier nicht wiedergegeben werden. Aber vielleicht gelingt es, den inneren Sinn des Ablasses näher zu erschließen und dadurch das Geschenk, das uns Papst Franziskus macht, aus seiner etwas "sperrigen Verpackung" herauszuholen.

Worum geht es beim Ablass?

In Christus dürfen wir glauben, dass das Erbarmen Gottes immer größer ist, als die Realität der Sünde, die uns von ihm trennt. Gott will den Menschen immer neu in seine Gnade und Liebe hineinholen, nicht zuletzt durch das Bußsakrament. Er selbst spricht uns seine Vergebung zu.

Schon die zwischenmenschliche Erfahrung zeigt aber, dass mit dem Akt der Vergebung die Folgen einer Schuld noch nicht ohne weiteres wieder ausgeräumt sind. Es bleibt nicht selten ein "wunder Punkt" zurück – nicht nur in der Beziehung, die verletzt wurde, sondern auch im Menschen selber. Wenn also z.B. ein Paar sich streitet und sich anschließend wieder versöhnt, so kann doch später in ähnlichen Situationen wieder etwas hochkommen oder sich ein neuer Streit entzünden. Es kostet etwas, bis der wunde Punkt überwunden ist.

Die Tradition der Kirche spricht hier von "zeitlichen Sündenstrafen" und meint damit diese in der Geschichte fortwirkenden negativen Folgen der Sünde, die aus der Sünde selbst erwachsen und erst in einem unter Umständen schmerzlichen Prozess überwunden und aufgearbeitet werden müssen – und sei es nur durch Leid und Reue im eigenen Herzen. Die Vergebung in der Beichte schenkt und ermöglicht einen wirklichen Neuanfang, aber dieser Neuanfang braucht an manchen Stellen besondere Kraft, weil die Wunden, die die Sünde geschlagen hat, erst ausheilen müssen. Anders gesagt: Gott krempelt uns normalerweise nicht einfach um – und wir selbst können den "alten Menschen" mit seinen Fehlhaltungen und Widersetzlichkeiten (bis ins Unterbewusste hinein) auch nicht von einem Moment auf den anderen ablegen. Die barmherzige Liebe Gottes weckt in uns aber die Sehnsucht, mit aller Kraft aus den Folgen der Sünde herauszuwachsen.

Die Buße, die zu jeder sakramentalen Beichte gehört, ist ein Ausdruck dafür, dass dieser existentielle Prozess nach der sakramentalen Lossprechung noch aussteht, und es ist zugleich ein (erster) konkreter Schritt auf diesem "Weg der Reinigung zur Fülle der Liebe" (Johannes Paul II.).

An dieser Stelle kommt nun der Ablass in den Blick. Er hat zu tun mit der Aufarbeitung der Sündenfolgen und ist herausgewachsen aus dem Bußsakrament. In früheren Jahrhunderten verband die Kirche mit der Lossprechung bisweilen massive äußere Werke (Fasten, Fußwallfahrten etc.), die den inneren Weg der Umkehr und Erneuerung begleiten sollten und einen längeren Zeitraum umfassten. Ab dem 11. Jahrhundert kam die Praxis auf, vor allem in Verbindung mit besonderen Gedenktagen oder heiligen Zeiten den Hl. Vater zu bitten, ein aufgetragenes Bußwerk zu mildern bzw. einen bestimmten "Ablass" davon zu schenken.

Der Ablass war also ursprünglich ein Nachlass dieser größeren, von der Kirche auferlegten äußeren Bußwerke. An deren Stelle traten kleinere Taten der Frömmigkeit oder der Nächstenliebe, durch die der Gläubige seinen persönlichen Einsatz auf seinem inneren Weg der Reinigung konkret werden lassen sollte. Außerdem kam ins Bewusstsein, dass der Alltag selbst oft so vieles an Schwerem und Leidvollem mit sich bringt, das, in liebender Verbundenheit mit Christus getragen, ja ebenfalls die Folgen der Sünde überwinden hilft.

Auch wenn wir heute aus der Beichte keine so großen Bußwerke mehr kennen wie in der Frühzeit der Kirche, ist der Ablass doch immer noch mit einem bestimmten äußeren Tun verknüpft. Damit wird deutlich, dass der existentielle Prozess, das persönliche Mühen und Ringen um die größere, die Widerstände überwindende Liebe nicht einfach ausfallen kann.

Gleichzeitig – und dies kommt entscheidend hinzu – verbindet sich der Ablass mit der Glaubensüberzeugung von der Gemeinschaft der Heiligen, die den Einzelnen auf seinem Weg mitträgt und unterstützt:

Mitgetragen in der Gemeinschaft der Heiligen

Die Kirche ist in ihrem tiefsten Wesen eine Gemeinschaft, die von der Gnade und Liebe des Erlösers lebt. Papst Franziskus spricht von einer "geistlichen Einheit, die aus der Taufe entsteht und stärker ist als der Tod. Durch den auferstandenen Christus ist sie dazu bestimmt, im ewigen Leben zu ihrer Vollendung zu gelangen. Es existiert eine tiefe und unauflösliche Verbindung zwischen jenen, die noch auf dieser Erde pilgern – zwischen uns –, und jenen, die die Schwelle des Todes bereits überschritten haben, um in die Ewigkeit einzugehen. Alle Getauften auf der Erde, die Seelen im Fegefeuer und alle Heiligen, die bereits im Paradies sind, bilden eine einzige große Familie." (30.10.2013)

In dieser "großen Familie" lebt keiner für sich allein. Dies gilt ja schon auf der natürlichen Ebene: Was einer an Gutem wirkt, schafft ein Klima, in dem es anderen leichter fällt, ebenfalls gut zu leben. (Und dies gilt natürlich auch in negativer Hinsicht.)

In der Gemeinschaft mit Christus – und dies ist eine tiefe Glaubensüberzeugung der Kirche – kann über die Grenzen des Todes hinweg das Gute, das die Heiligen getan haben, auch uns mittragen. Ihre starke Liebesfähigkeit kann uns helfen, die eigenen Schwächen und "wunden Punkte" zu überwinden und in der Liebesfähigkeit zu wachsen.

Beim Ablass sagt die Kirche dem Einzelnen ausdrücklich die Hilfe und das fürbittende Gebet der ganzen Gemeinschaft zu. Er ersetzt nicht die persönliche Umkehr und überspringt auch nicht den Prozess der Aufarbeitung von Schuld, aber mit dem stellvertretenden Gebet der Kirche kann es leichter werden, dass die Wunden sich schließen und die Liebe ausreift bis in die Tiefe der menschlichen Existenz hinein.

Der Ablass ist also ein Geschenk der Gemeinschaft für den Einzelnen, der sich auf den Weg der inneren Erneuerung macht. Der Einzelne, der den Ablass empfängt, öffnet sich bewusst für die helfende Gemeinschaft und trägt durch sein Beten und Tun auch selbst etwas bei. Die Vollzüge, die zu jedem Ablass dazugehören (Empfang des Bußsakramentes und der Eucharistie, Gebet in der Meinung des Hl. Vaters), haben ja den Sinn, sich ganz bewusst auf dem Weg der Umkehr neu mit Christus und der Gemeinschaft der Glaubenden zu verbinden.

Die "große Familie", von der Papst Franziskus spricht, schließt auch die Verstorbenen ein, die nach dem Tod noch einen Ausreifungs- und Läuterungsprozess durchleiden. Mit dem Ablass kann darum auch ihnen in besonderer Weise das fürbittende Gebet der Kirche geschenkt werden.

Als Schönstätter ist uns das Leben in einer "großen Familie" nicht fremd. Wir bringen der Gottesmutter unsere Beiträge zum Gnadenkapital für andere, aber wir wissen uns auch selbst im Liebesbündnis mitgetragen von dem, was andere schenken und in 100 Jahren Schönstattgeschichte schon geschenkt haben. Der Ablass macht uns dieses solidarische Mit- und Füreinander neu bewusst.

Der Ablass im Jubiläumsjahr

Jubiläumsjahre oder Heilige Jahre sind in der Tradition der Kirche besondere Gnadenzeiten, mit denen sich die Sehnsucht verbindet, die Kräfte des Ursprungs neu freizulegen, Verkrustungen zu lösen und Altlasten der Geschichte hinter sich zu lassen, um mit erneuerter Kraft und Liebe in die Zukunft zu gehen. Der Ablass ist darum schon lange ein fester Bestandteil in der Tradition Heiliger Jahre.

Wenn Papst Franziskus uns zu unserem Jubiläumsjahr dieses Geschenk anbietet, heißt das, dass die ganze Kirche mit uns um dieses innere Neuwerden in der Liebe betet und diesen Weg unterstützt.

Zu den oben schon genannten Vollzügen, die zum Ablass gehören, kommt für uns speziell hinzu die Teilnahme an einer Jubiläumsfeier oder eine Zeit des Betens in einem unserer Heiligtümer, verbunden mit dem Glaubensbekenntnis, dem Vaterunser und der Anrufung der Gottesmutter als Dreimal Wunderbare Mutter, Königin und Siegerin von Schönstatt (vgl. Ablassdekret). Die Kirche weist uns damit deutlich hin auf unseren Gnadenort. Im Heiligtum dürfen wir uns mit dem Beten der ganzen Kirche verbunden wissen und uns, wie Benedikt XVI. einmal im Blick auf den Ablass sagt, "hineinfallen lassen in die Gemeinschaft der Heiligen, um mit ihnen am Überschuss des Guten gegenüber der scheinbaren Allmacht des Bösen zu wirken, wissend, dass letztlich alles Gnade ist".

Sr. M. Aloisia Levermann

 

 

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