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18. Juli 2012 | Worte des Bewegungsleiters | 

Ringen um Glaubensklarheit und Glaubenssicherheit


Liebe Leserinnen und Leser des Bündnisbriefes,
liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstattbewegung,

um den 18. Juli jeden Jahres herum erinnere ich mich gerne daran, dass in der Ausgabe einer Zeitschrift des Jahrgangs 1914 gerade mit diesem Datum der Artikel über die Entstehung des italienischen Wallfahrtsortes Valle di Pompeji verbunden ist. Ein Artikel aus der Feder des Kapuziners Cyprian Fröhlich stellte ja für Pater Kentenich einen wichtigen Anhaltspunkt dar, das Glaubenswagnis einzugehen, die Gottesmutter Maria zu bitten, auch in Deutschland, das heißt in Schönstatt, näherhin die Kongregationskapelle der dortigen Jugendgemeinschaft zu einem Ort ihrer Nähe und Wirksamkeit zu machen. – Cyprian Fröhlich hatte in seinem Artikel berichtet, dass der spätere Wallfahrtsort Valle di Pompeji in der Nähe von Neapel nicht wie sonst vielfach üblich, auf besondere Umstände, Erscheinungswunder oder Weissagungen zurückging, sondern lediglich durch Gebet und Einsatzfreudigkeit eines Laien, des Rechtsanwaltes Bartolo Longo.

Dass das in seiner unmittelbaren Umgebung, das heißt der Umgebung Pater Kentenichs, unter Umständen auch möglich sein könnte, stellte seinen Glauben in der Folge natürlich auf eine einzigartige Probe. Später hat Pater Kentenich darauf hingewiesen: Die Zeit über die Sommermonate des Jahres 1914 sei für ihn ein abgründiges Ringen um Glaubensklarheit und Glaubenssicherheit in dieser Angelegenheit gewesen. Ja, wir können annehmen, dass dieses Ringen noch länger andauerte, auch über den 18. Oktober 1914 hinaus; auch wenn das Ringen um die notwendige Glaubenserkenntnis dann einem ruhigen Abwarten und dem Ausschauhalten nach einer schöpferischen Resultante gewichen sein mag. Oder besser noch: Zwischen dem Ringen um Glaubensklarheit und dem ruhigen Abwarten wird es – sonst ist der ganze Tenor der Gründungsurkunde ja gar nicht denkbar – so etwas wie eine erleuchtete Glaubenssicherheit gegeben haben, etwa dergestalt: Gott und die Gottesmutter wollen das durch mich – hier und zum jetzigen Zeitabschnitt, gleichgültig, was auch immer daraus werden mag.

Andere Zeichen kamen hinzu oder hatten sich über den Zeitungsartikel von Cyprian Fröhlich hinaus schon vorher eingestellt:

  • Die Erfahrung, dass die beiden Jahre 1912 bis 1914 ausgesprochen fruchtbare Jahre waren in dem, was sich da unter der Hand des jungen Spirituals getan hatte unter der pallottinischen Jugend: „Wer die Entwicklung unserer (Marianischen) Kongregation kennt, dem wird es nicht schwer zu glauben, dass die göttliche Vorsehung mit ihr noch etwas Besonderes vorhat.“
  • Es kam der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Juli 1914, und mit ihm winkten Kasernenleben und Frontsituation für die junge Gefolgschaft des Spirituals Pater Kentenichs.

Warum ich heute gerade darauf hinweise? Mir scheint, liebe Leserinnen und Leser, für unsere Vorbereitung als internationale Schönstattbewegung auf 2014 hin sollten wir die gesamte Gründungsgeschichte Schönstatts, speziell aber die Zeit um den ersten Meilenstein, gerade auch unter dem Gesichtspunkt vom Glaubensdunkel (und ein Aufleuchten des Glaubenslichts in ihm!) her sehen.
Überschaut man die Jahrzehnte der Gründungsentwicklung Schönstatts von 1912/14 bis zum Tod Pater Kentenichs im Jahr 1968 unter dem Vorzeichen eines gewissen Happy Ends, könnte man sie in etwa nach dem Muster „lesen“: Glaubenswagnisse am Anfang; Aufblühen der Bewegung in der Zwischenkriegszeit; zugegebenermaßen harte Zeiten während der NS-Zeit (Dachau!); Auseinandersetzung mit der Kirche (Visitation, Milwaukee); Rückkehr Pater Kentenichs in Folge des veränderten kirchlichen Klimas durch das Zweite Vatikanische Konzil nach Europa sowie Abrundung der Gründung in den letzten drei Jahren seines Lebens. In einer solchen, sicher hier „sträflich“ unzureichend skizzierten Entwicklung wird übersehen, dass diese in ihrer Gesamtheit und in einzelnen Etappen keineswegs vorauszusehen oder durch Voreinstellung zu bewältigen war. Das gilt auch, wenn man bedenkt, dass Pater Kentenich sehr früh auf die Anzeichen einer umfassenden Zeitenwende gestoßen ist und sich darauf eingestellt hat. Mehr aber zunächst auch nicht, wenngleich er einzelne Phänomene des Umbruchs – denken wir nur an seine Einschätzung der technologischen Entwicklung zu Beginn des 20. Jahrhunderts und anderes mehr (vgl. Vorgründungsurkunde 1912) – sehr deutlich markiert.

Gerade etwas vom hier Berührten scheint mir von Bedeutung zu sein, wenn wir an den Nach- und Neuvollzug des ersten Meilensteines heute und für die Zukunft denken. Auch wir scheinen in eine Situation geraten zu sein, in der die Gesamtentwicklung, welche die Geschichte nimmt, schlicht und einfach unüberschaubar wird. Nachträglich kann man von solchen Etappen dann leicht sagen, das heißt, wenn sie vorbei sind, die Geschichte habe eben eine Zeitenwende durchlaufen.

Es ist jedenfalls aufschlussreich, dass Zeitbeobachter seit ein paar Jahren von einer „neuen Unübersichtlichkeit“ (Habermas) sprechen, ziemlich im Gegensatz zu den Jahren um die Wende 1989/90, als eine Zeit von Zuspitzung und Ungewissheit sei durch die Beseitigung des Ost-West-Konfliktes zu Ende gegangen war.

Heute schiebt sich in den Vordergrund der Zeitbeurteilung offensichtlich der Eindruck: Wo Welt – Christenheit und „Schönstatt“ in wenigen Jahrzehnten „stehen“, ist heute und in Zukunft ziemlich offen. – Ich sage bewusst Welt und Christenheit, weil manches darauf hindeutet, dass unsere Kirchen sich auf absehbare Zeit hin schwertun werden, die religiöse Erwartung der Menschen aufzufangen und in ihren Lebensräumen zu betreuen.

Als Pater Kentenich in den Jahren zwischen 1914 (Gründungsvorgang), 1916 (Übernahme der Idee einer apostolischen Weltorganisation) und 1919 (Gründung des Apostolischen Bundes) daran ging, seine werdende Apostolische Bewegung konzeptionell durchzudenken, war ihm sehr bewusst: Sie wird ziemlich anders aussehen und als Gesamtgebilde anders wirken als die Kirche der damaligen Gegenwart, in der die allmählich aufkommenden Erneuerungsbewegungen, welche später ein Sammelbecken im Zweiten Vatikanischen Konzil gefunden haben, erst langsam erwachten und wirksam wurden.

Neulich hat ein Trendbeobachter davon gesprochen, der Flug der Geschichte am Wendepunkt der Moderne in die sogenannte Postmoderne gleiche einem Flug durch die Wolken! Das heißt, eine klare Sicht angesichts vieler Fragen, die sich inzwischen eingestellt hätten, sei einfach nicht gegeben. Dies betraf die Feststellung im Blick auf die Stichworte Banken- und Euro-Krise, Spannungen zwischen Religionen und Kulturen; zwischen religionsfreundlichem Klima bei vielen Menschen und einer vorhandenen Kirchenskepsis, zumal in unserem Kulturraum ...

Wenn an dieser Sichtweise etwas „dran“ ist, liebe Schönstattfamilie, dann mag aber auch gelten: Wenn wir an 1914 denken, und 2014 100 Jahre Schönstatt zu feiern gedenken, tun wir gut daran, uns die Gesamteinstellung Pater Kentenichs zur Zeitentwicklung um den Abschnitt der Gründung herum zu vergegenwärtigen und zu eigen zu machen. Seine innere Einstellung kreiste dabei, wie wir wissen, um ein Dreieck: Es geht um einen neuen Menschentyp („neuer Mensch in neuer Gemeinschaft“), es geht um Maria (die Erneuerung ihres vorbehaltlosen Fiats) als Erzieherin dieses neuen Menschentyps und um den Gott des Lebens, der Altes zerbrechen lässt, um Neues entstehen zu lassen: Neues im Blick auf Gesellschaft und Kirche; wir können auch sagen hinsichtlich der Entstehung neuer Lebensformen im Rahmen der sich bildenden Weltkultur.

Warum ich solches antippe? Von unserem Jubiläum habe ich bereits gesprochen. Aber machen wir uns auch klar, wie sehr für den Glaubensweg, den Pater Kentenich geführt wurde, das scheinbar Zufällige und Kleine oft verbunden war mit Entwicklungen im Großen und im Übergreifenden. Der Monat Juli: jener Monat, an dem Pater Kentenich sein auslösendes Zeichen erhielt, das Glaubenswagnis der „Gründung“ eines Gnadenortes einzugehen.

Das Fest Mariä Heimsuchung, ihr Gang übers Gebirge in das Haus von Zacharias und Elisabeth mag uns von der Heiligen Schrift her nahebringen, dass es in der Geschichte Gottes mit uns Menschen in vielfacher Hinsicht um die Verbindung von Kleinem im Großen und Großem im Kleinen gegangen ist.

Ich lade Sie ein, für diese Gedanken im Jahr der Heiligtumsströmung nochmals bei der Bethanien-Hore stehenzubleiben:

Hoch steht und strahlt die Sonne im Zenit:
Wir sammeln in Bethanien das Gemüt.

Heißhungrig hast empfangend du genommen,
was aus des Herren Herz und Mund gekommen,
und wurdest Meister der Beschaulichkeit,
Gott ausgeliefert voller Innigkeit.

So willst in deinem Heiligtum du bilden
ein Beterheer auf öden Weltgefilden,
uns führen zu der Liebe höchsten Höhn,
dass wir im Kampf dir treu zur Seite stehn.

Lass den Gebetsgeist mehr und mehr mich lernen,
heb meinen Geist stets zu des Himmels Sternen,
lass mich die Christussonne allzeit schaun,
auf sie in allen Lebenslagen baun.

Die Ehre sei dem Vater froh erwiesen
durch Christus mit Maria, hochgepriesen,
im Heiligen Geiste voller Herrlichkeit
vom Weltall jetzt und alle Ewigkeit. Amen. („Himmelwärts“, S. 52)

Mit herzlichen Grüßen aus der Nähe des Urheiligtums,

Ihr
P. Dr. Lothar Penners

Leiter der Schönstattbewegung in Deutschland


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