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18. Mai 2012 | Worte des Bewegungsleiters | 

Für ein neues Pfingsten


Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstattbewegung,

der christliche Schriftsteller und Philosoph Theodor Haecker soll einmal geäußert haben: Das Bittgebet ist so mächtig, dass es – heute verrichtet – sogar noch den Trojanischen Krieg verhindern kann! Das ist natürlich ein Paradox. Denn der Trojanische Krieg, jedenfalls das, was die alten Griechen mit ihm verbunden haben, scheint ja doch wirklich über die Bühne gegangen zu sein. Was der Schriftsteller sagen will: Gott schaut auf das Gebet der Kirche, unabhängig vom Zeit-Raum. Auch dann, wenn ein Gebet erst viel später verrichtet wird, als das, worum Gott dabei um Erhörung gebeten wird, kann es vom lebendigen Gott einbezogen werden in den Ablauf der Geschichte.

Dieses Wort von der Verhinderung des Trojanischen Krieges kommt mir in den Sinn, weil unsere Bündnisfeier im Maimonat stattfindet, wenn der Katholikentag in Mannheim schon mitten im Gang ist und die Vorbereitungen auf den Kongress: „Wohin ist Gott? – Gott erfahren im säkularen Zeitalter“ im Großen und Ganzen abgeschlossen sein werden. Ich will mit dem Wort von Theodor Haecker zwar nicht sagen, dass nicht auch bereits im Vorhinein für den Katholikentag und wichtige Schritte im Blick auf die Vorbereitung der römischen Bischofssynode im Oktober, die das Anliegen der Neuevangelisierung zum Thema hat, gebetet worden sei. Nichtsdestotrotz gilt aber auch: Ein Gebet kommt nie zu spät, und wir sind in diesem Maimonat ja ganz besonders eingeladen, uns mit dem Gebet Mariens im Coenaculum (im Abendmahlssaal) zu verbinden.

Für ein neues Pfingsten

Die gegenwärtige Situation des Glaubens in unserem Land und in der Gesamtlage der Christenheit ruft förmlich nach einem „neuen Pfingsten“, das wir immer neu von unserem Heiligtum aus erbitten. So legt es sich nicht nur vom Pfingstfest her nahe, bei der Coenaculums-Hore stehenzubleiben, sondern auch von der Zeitsituation. In unserem Gebetbuch „Himmelwärts“ wird die Coenaculums-Situation wie folgt umschrieben:

Die Sonne rüstet sich zum Schlafengehn,
sie lädt uns, ins Coenaculum zu sehn.

Dort hast der Kirche du den Geist erbeten,
der sie befreite von der Halbheit Nöten,
der sie in Christi Lehre eingeführt,
Apostel-, Martergeist in ihr geschürt.

So willst in unserem Heiligtum du werken,
das Glaubensauge in uns Schwachen stärken,
dass wir das Leben sehn in Gottes Sicht
und wandeln allezeit im Himmelslicht.

Lass mich in diesem Lichte gläubig sehen,
wie Vaters Lieb' zur Seit' mir heut wollt' gehen.
Für Gaben, die sie schenkte ohne Maß,
sei Sendungstreu' das Deo gratias.

Die Ehre sei dem Vater froh erwiesen
durch Christus mit Maria, hochgepriesen,
im Heiligen Geiste voller Herrlichkeit
vom Weltall jetzt und alle Ewigkeit.
Amen.

„Himmelwärts“, S. 54

Unsere Coenaculums-Tagzeit, liebe Schönstattfamilie, hebt offensichtlich drei Dinge hervor: die Überwindung von Halbheit, die verstärkte Weckung des Glaubensgeistes und die Dankbarkeit, welche sich einstellt, wenn wir wach sind für die Gaben Gottes, die er allenthalben schenkt. Jedes dieser drei Momente verstärkt die Befähigung der Jüngerinnen und Jünger Jesu zum Glaubenszeugnis. – Jedes Glaubenszeugnis hat seine Wurzel in einer Glaubensfrische, welche die Lebendigkeit der Gottesbeziehung entweder noch nicht eingebüßt hat oder aber durch Überwindung von Halbheit wieder neu lebendig wird.
Wer den Glauben nicht ganz(-heitlich!) lebt, wird sich wenig gedrängt fühlen, ihn auch weiterzugeben ... Nur wer das Licht Gottes auf dem Antlitz Christi und dem Antlitz Mariens hat aufleuchten sehen und aktuell von diesem Licht berührt ist, wird es nicht nur prinzipiell gut finden, sondern „herrlich“, dass andere Anteil bekommen am Licht Gottes, das es auch ihnen leuchtet. Und was da „leuchtet“, ist nichts anderes als das Licht der Liebe.

„... und alle Liebesgaben treulich lohnt ...“

Halbheit im Glauben ist letztlich gleichbedeutend mit: Halbheit in der Liebe. Wer in der Glaubensweitergabe nicht die Liebe bezeugt, bezeugt eigentlich mehr oder weniger „nichts“, es sei denn, was von der existenziell bedeutsamen Wahrheit des Glaubens dann noch übrig bleibt.
„Nichts“ bezeugen ... – was kann die Verheißungen des Glaubens schließlich einlösen, wenn nicht die Liebe, welche letztlich die Wahrheit des Glaubens trägt und einlöst.

Unsere pfingstliche Tagzeit spricht vom „Apostel- und Martyrergeist“, aber nicht immer stehen wir an der „Front“. Fronten des Lebens und des Glaubens können sehr vielfältig sein. Die Mentalität von Kollegen am Arbeitsplatz oder Teile der Verwandtschaft, die dem kirchlichen Leben ferner stehen; Klassengemeinschaft und Nachbarschaft, was immer im Einzelnen das dann sein mag. Immer aber kann der Lebensstrom der Liebe fließen im geheimnisvollen Leib Christi und seinen unsichtbaren Adern, der eine Realität ist über die sichtbare Kirche hinaus. In diesem Zusammenhang sprechen wir ja gerne vom Gnadenschatz („Gnadenkapital“!), der sich, ermöglicht aus der Fruchtbarkeit der Erlöserliebe Christi, aus dem Gebet und freiwilligen Opfern seiner Glieder bildet. Der Gnadenschatz der Liebe Christi und der zur Liebe befähigten Glieder seines Leibes ist seiner Natur nach mehr unsichtbar als offen zutage liegend. Das Verschenken von Liebe, in Liebe und für die Liebe war und ist gerade sehr lebendig gewesen (und geblieben!) im Raum unserer Bewegung insbesondere im Maimonat, welcher Maria, der Mutter der Kirche besonders geweiht ist. –

Mitunter allerdings frage ich mich, ob unser Sprechen von „Beiträgen“, ähnlich wie manches Gebetsversprechen, noch mehr ist als konventionelles Beziehungs-„Geklimpere“. „Dein Sein und Leben wirkt auf sie zurück ...“, heißt es in unserem Gebetbuch „Himmelwärts“ (S. 126 ff.). Ob unser „Sein“ liebe-volles Mit-Sein ist, darauf kommt es an! Ob wir etwas mitbringen, wenn wir ins Heiligtum kommen, entscheidet auch mit über die Fruchtbarkeit unserer persönlichen Berührung mit dem Heiligtum – für uns selbst und eben für andere.

Was unser Heiligtum zutiefst zur Heimat werden lässt, ist nicht zunächst die vertraute Atmosphäre und das Schwimmen in „seligen“ Erinnerungen. Das mag alles mitschwingen. Was zutiefst unser Heiligtum zu einem Heiligtum werden lässt, ist die gläubig-wache Überzeugung von der Gegenwart Gottes und der Gottesmutter und der geschehende Austausch kleiner oder größerer Liebesgaben der Glieder Christi untereinander. Der Zusammenhang zwischen Pfingsten und der Wirksamkeit Mariens in und von unserem Heiligtum aus hat hier seine entscheidende Verknüpfung. Je mehr die Mutter der Kirche das, was das Volk Gottes „tut“, durch ihr Gebet zum Heiligen Geist unterstützt, umso fruchtbarer wird das, was die Kirche unternimmt. Und je mehr unsere marianische Familie ihr, der Mutter der Kirche, dabei hilft durch ein Streben, das Gottes Wohlgefallen findet, umso mehr kommt es zu einem Zusammenwirken zwischen dem Tun der Gottesmutter und ihren Werkzeugen, die sich im Heiligtum einfinden und mit ihr verbinden.
Der Dialogprozess unserer Kirche in Deutschland, der Mannheimer Katholikentag, der Impuls des Heiligen Vaters zu einer neuen Evangelisierung der westlichen Welt brauchen unsere persönliche Überwindung von Halbheit, von stärker entfachtem Glaubenslicht und praktizierter natürlich-übernatürlicher Verantwortung aus Liebe. Verantwortungsbewusstsein in Liebe! Die uns an Ostern neu geschenkte Erlösungsgnade will in der Pfingstnovene, für die wir uns auch in diesem Jahr nach innen und außen einsetzen, liebebeseelt wirksam werden!

Mit herzlichen Maigrüßen vom Urheiligtum aus

Ihr

P. Dr. Lothar Penners

Leiter der Schönstattbewegung in Deutschland

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