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18. März 2012 | Worte des Bewegungsleiters | 

Das „Heiligtum in unserer Mitte“ - eine Jüngerschule


Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstattbewegung,

die Bündnisfeier in diesem Monat März fällt mitten in die österliche Bußzeit. In der Vorbe­reitung auf das zentrale Fest des Kirchenjahres soll sich unsere christliche Berufung und unser Leben aus dem Liebesbündnis erneuern und vertiefen. – Am Beginn dieser geprägten Zeit berichten uns die Evangelien von der Versuchung (und Versuchbarkeit!) Jesu in der Wüste und von seiner Verklärung auf dem Berge Tabor. Da liegt es nahe, in unserer Betrachtung des Schönstatt-Offiziums stehenzubleiben bei „unserer“ Tabor-Erfahrung und der sogenannten Terz des Offiziums.

In der Heiligen Woche mögen wir dann immer mehr dazu übergehen, unsere Aufmerksamkeit zu richten auf das Geschehen von Golgotha und die entsprechende Hore in unseren „Himmelwärts“-Tagzeiten.

Lassen wir zunächst den Text auf uns wirken:

„Dein Heiligtum strahlt aus in unsere Zeit
der Taborsonne Glanz und Herrlichkeit.

Wo sich die Christussonne hell entschleiert,
wie einst auf Tabor Siegeszüge feiert,
da ist es gut sein wie im Paradies,
weil sich der Heilige Geist dort niederließ.

Vom Sonnenglanze Tabors ganz umgeben
als das Gefäß, dem Heiligen Geist ergeben:
So wirkst in Schönstatt du als Mittlerin,
führst uns zum Heiligen Geiste gnädig hin.

Mach uns von Christi Geiste tief durchdrungen,
schenk reichlich uns beredte Liebeszungen,
dass durch uns strahlet Christi Herrlichkeit
gleich dir als Spiegel der Gerechtigkeit.

Die Ehre sei dem Vater froh erwiesen
durch Christus mit Maria, hochgepriesen,
im Heiligen Geiste voller Herrlichkeit
vom Weltall jetzt und alle Ewigkeit. Amen.“ („Himmelwärts“, S. 51)

„Wir leben in einer Welt, deren Grenze nur Licht und Liebe ist“

In fast überreichem Maße versucht die im Konzentrationslager (!) entstandene Tagzeit Pater Kentenichs bis in die Wortwahl hinein einzufangen, was sich auf dem Berg der Verklärung ereignet hat (vgl. „Glanz“, „Herrlichkeit“, „Helle“, „Christussonne“, „Sonnenglanz“, „aufstrahlende Herrlichkeit Christi auf dem Spiegel der Gerechtigkeit“ [gemeint Maria]). Allein der Wortgebrauch erinnert mich an ein Wort von Johannes XXIII.: „Wir leben in einer Welt, deren Grenze nur Licht und Liebe ist.“ Es gibt folglich gerade auch positive Grenzerfahrungen – eine Bezeichnung, die wir im Allgemeinen eher in Verbindung bringen mit negativen Widerfahrnissen wie Unglück, Krankheit, Schuld und Tod. Für unser menschliches Leben ergibt sich dann so etwas wie Grenzerfahrungen „nach oben“ und „nach unten“, Grenzerfahrungen, die uns ins Dunkel führen oder ins Licht.

Zeugen der Tabor-Erfahrung – der Kernkreis der Jünger Jesu

Die Evangelien berichten uns, dass Jesus Petrus, Jakobus und Johannes mitnimmt auf den Berg der Verklärung, das heißt den „harten Kern“ des Zwölferkreises. Er soll sich gestärkt erleben auf dem Weg nach Jerusalem und im Blick auf das, was die „Sache Jesu“ und ihn selbst dort schicksalhaft erwartet.

In der Präfation vom Verklärungsfest heißt es dazu: „Denn er (Jesus) enthüllte auf dem Berg der Verklärung seine verborgene Herrlichkeit, er ließ vor auserwählten Zeugen seinen sterblichen Leib im Lichtglanz erstrahlen und gab den Jüngern die Kraft, das Ärgernis des Kreuzes zu tragen ...“

Es geht also gerade in dieser Begebenheit und deswegen auch beim Tabor-Charakter des „Heiligtums in unserer Mitte“ um Jüngerschaft. Primär also nicht um die Heilige Familie oder aber Gastgeber, bei denen Jesus etwa zu einem Gastmahl eingeladen war; geschweige denn um Lehrauseinandersetzungen mit den Schriftgelehrten oder das Staunen der Menschen, die Zeugen eines seiner „Wunder“ gewesen sind.

Jüngerschaft ist von spezieller Bedeutung für das Tabor-Motiv unseres Schönstattheiligtums; nicht umsonst spricht die Gründungsurkunde ausdrücklich vor allem vom Tabor und zunächst nicht von anderen Orten der biblischen Heilsgeschichte, so sehr das Schönstatt-Offizium diese auch einbezieht: „Als Petrus die Herrlichkeit Gottes auf Tabor gesehen, rief er entzückt aus: Hier ist wohl sein ...“ (18.10.1914, Gründungsurkunde).

Für die Erwähnung des Tabor mag es eine Reihe von Gründen geben.

Ein äußerer mag darin bestehen, dass in die Zeit, in welcher Pater Kentenich um die Glaubensgewissheit gerungen hat, ob Gott in Schönstatt eine Art zweites Valle di Pompei möglich machen würde (die Zeit vom 18. Juli bis 18. Oktober), beispielsweise das Fest der Verklärung Jesu fiel, das die Kirche jeweils am 6. August feiert.

Der vielleicht tiefere Grund: Das Geschenk eines möglicherweise zustandekommenden Gnadenortes sollte ja vor allen Dingen den Mitgliedern der gerade vor einigen Monaten gegründeten Marianischen Kongregation zugutekommen.

Und in dieser Gemeinschaft des jungen Schönstatt ging es um nichts anderes als um eine Jüngerschule – damals und im Blick auf die Gesamtbewegung für heute und für die Zukunft. In einer Zeit, in der die Volkskirche und eine flächendeckende Präsenz der christlichen Botschaft immer mehr zurückgeht, hat die Kirche nur dann eine Zukunftschance, wenn sie ein Verbund von lebendigen Jüngergemeinden und -ge­meinschaften wird, gebildet nicht von Traditions-, sondern von Entscheidungschristen!

Die im Verlauf der Sommermonate sich in Pater Kentenich verdichtende Glaubensgewissheit zielte auf das Geschenk eines Gnadenortes mit der Kongregationskapelle als Heiligtum. Dort sollten der zunächst kleinen Jüngerschar die Herrlichkeiten Christi und Mariens aufleuchten, um die Kraft zu schenken, Ärgernisse in Welt und Kirche sowie die Zeitnöte von innen heraus zu überwinden. Auf die Gottesmutter Maria richtete sich die gläubige Hoffnung, sie könne und würde sich als Werkzeug des Heiligen Geistes dort niederlassen, um Wunder der Gnade zu wirken.

Originelle Jüngerschaft – Gemeinsamkeit in der Tabor-Erfahrung

Auf manchen Darstellungen des Tabor-Ereignisses wird anschaulich, dass die drei Jünger unterschiedlich reagieren auf die Erfahrung der Verklärung Jesu, die Stimme des himmlischen Vaters und die Präsenz von Mose und Elija. Zunächst sind alle benommen, aber dann gewinnt der Betrachter den Eindruck, Petrus möchte gleich damit beginnen, Hütten zu bauen (und in ihnen das Haus der Kirche!); der heilige Johannes fällt in noch tiefere Beschaulichkeit und der heilige Jakobus erweckt den Eindruck, eilenden Schritts davonzurennen, um den Schwestern und Brüdern in Not beizustehen. Offensichtlich wird darauf abgehoben, dass der Kernkreis des Apostelkollegiums aus sehr unterschiedlichen Personen bestand, was sich wiederum in der verschiedenartigen Reaktion zeigt. –

Pater Kentenich wurde einmal gefragt, worin er den Sinn und die Berechtigung seiner pädagogischen Leidenschaft und Befähigung erblicke. Mein Traum als Erzieher, soll er geantwortet haben: eine Galerie von Originalen!

Wenn wir auf die Geschichte des frühen und späteren Schönstatt schauen und die so unterschiedlichen Leitfiguren in den verschiedenen Generationen, dürfen wir konstatieren, dass der Traum Pater Kentenichs in Erfüllung gegangen ist. Hier wären nicht nur Josef Engling, Hans Wormer, Schwester M. Emilie, Karl Leisner, Pater Reinisch ... zu nennen, sondern eine große Anzahl darüber hinaus. Ihnen allen wurde eine gemeinsame und doch auch wieder sehr individuelle Tabor-Erfahrung geschenkt: Die Herrlichkeit Christi und Mariens ist ihnen in oftmals stillen Gnadenstunden so aufgeleuchtet, dass sie davon einen originellen „Strahl“ auffangen konnten, der in ihrem Herzen Wurzeln schlug und ihnen dann in ihrem Persönlichen Ideal auf- und voranleuchtete für den Weg ihrer Christus- und Mariennachfolge! Ihre individuelle Jüngerschaft kannte gleichwohl eine tiefe gemeinsame Verbundenheit in der allen gemeinsamen Bindung an das Heiligtum in ihrer Mitte. Die gemeinsame Erfahrung wurde wie selbstverständlich zum Zeugnis. Aber das Apostolat einer wirklichen Jüngergemeinschaft besteht zunächst nicht in der Aktion, sondern in „beredten Liebeszungen“, aus denen die Erfahrung spricht, dass ein Aufleuchten von "Christi Herrlichkeit" sich in den Herzen ereignet hat und zur Liebesweitergabe drängt ...

In der österlichen Bußzeit, liebe Schönstattbewegung, sind wir eingeladen, uns auf unsere Jüngerschaft und persönliche Nachfolge zu besinnen, unsere Ideale neu in Verbindung zu bringen mit der Herrlichkeit Christi und Mariens und erneut das zu ergreifen, was uns zu mehr persönlicher Konzentration auf die Mitte unseres geistlichen Lebens verhilft. In dem Maße, wie in uns die Augen des Glaubens geöffnet sind für den göttlichen Glanz auf dem Antlitz Christi und Mariens, wachsen in uns Freude und Mut, einander und anderen von den Spuren Gottes zu erzählen, die wir auf unserem Glaubensweg wahrnehmen dürfen.

Es ist schön, dass am Ursprungsort unserer Familie unsere Männergemeinschaften so ausdrücklich um das Tabor-Geheimnis kreisen und das Tabor-Ereignis sich mit dem Marienberg verbunden hat, auf dem unsere SMJ am 27. Oktober diesen Jahres, dem 100. Gedenktag der Vorgründungsurkunde, ihre berühmten fünf Säulen errichten wollen.

Ihnen allen eine gesegnete Vorbereitung auf Ostern und herzlichen Gruß vom (Ur-)Heiligtum in unserer Mitte

Ihr

P. Dr. Lothar Penners

Leiter der Schönstattbewegung in Deutschland

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