Schönstatt in Deutschland

12. September 2009 | Deutschland | 

Mission is possible – von einer verrückten Idee zu einem gewagten Projekt


Misiones Theresia Rutzmoser. Man stelle sich vor, es klingelt an der Haustüre. Man öffnet, und vor einem stehen zwei Jugendliche mit einem Marienbild unter dem Arm. Sie stellen sich als katholische Jugendgruppe vor, die über den Glauben ins Gespräch kommen will und zudem zu verschiedenen Veranstaltungen in der Pfarrei einlädt. Abschreckend? Mutig? Unvorstellbar? Den Glauben neu entflammen - Apostel deiner Freude - Foto: Rutzmoser

Diese Szene ist nicht erfunden, vielmehr wurde sie hunderte Male Realität: Bei dem Projekt Misiones - Glauben leben, das vom 30. August bis 6. September 2009 zum ersten Mal auf deutschem Boden stattfand, in Ginsheim, einem Ortsteil der Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg in der Diözese Mainz.

 

Unterwegs zu den MenschenMisiones, das ist „eine Initiative junger Christen, die nicht nur von einer lebendigen Kirche träumen, sondern Zeichen setzen und konkret werden", so heißt es auf dem Flyer. Misiones: in Süd- und Mittelamerika, in Spanien, Portugal und Italien seit Jahren eine Glaubens- und Evangeli­sierungs­erfahrung von unbe­schreiblicher Wirksamkeit,  von deutschen Jugendlichen dort erlebt, jetzt in Deutschland (und diese Woche in der Schweiz) angekommen: Für die  Misionesgruppe, die aus 17 Jugendlichen, drei Marienschwestern, einem Schönstattpater und einem Diakon bestand, bedeutete dies, eine gute Woche lang im Pfarrzentrum der Pfarrei St. Marien in Ginsheim zu wohnen und zu leben, die Menschen in der Gemeinde zu besuchen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, für ihre Anliegen zu beten und Veranstaltungen für Jung und Alt zu organisieren. Warum sie das tun und zehn Tage ihres Urlaubs oder ihrer Semesterferien dafür opfern? „Den Glauben neu entflammen - Apostel deiner Freude", lautete das Motto, das die Motivation der Jugendlichen ausdrückt und als Schlachtruf immer wieder lautstark zu hören war.

Mit Missionskreuz, Pilgernder Gottesmutter und knallgelbem T-Shirt ausgesandt

Um in dieses gewagte Projekt nicht ohne den Segen zu gehen, ließ sich die Gruppe zu Beginn der Misiones am Urheiligtum aussenden. In dem Bewusstsein, dass das, was durch die Misiones wirklich passiert, Chefsache Gottes und der Gottesmutter ist, stellten sie sich als ihre Werkzeuge zur Verfügung. Als Zeichen dafür wurden ihnen feierlich ihre Missionskreuze, das MTA-Bild und ein knallgelbes T-Shirt mit dem Logo überreicht.

In diesem nicht gerade unauffälligen Outfit stellten sich die „misioneros", wie sie sich auch gerne bezeichnen, der Pfarrei beim Auftaktgottesdienst vor. Überrascht, skeptisch oder erwartungsvoll waren die Reaktionen der Gottesdienstbesucher; in jedem Fall aber freundlich und aufgeschlossen. So war es nicht schwer, erste Kontakte zu knüpfen, und auch beim Feuerwehrfest am Sonntagnachmittag mischten sich die gelben „Freudenboten" unters Volk.

Zu zweit und zweit von Haus zu Haus

Im Gespräch auf der StraßeWenn die Misiones ganz konkret wurden, wenn die Jugendlichen zu zweit und zweit von Haus zu Haus, von Mensch zu Mensch gingen, dann hätten die Erfahrungen nicht unterschiedlicher sein können: Viele Türen wurden gar nicht geöffnet oder aus der Gegensprechanlage tönte es, dass kein Interesse da sei, selten musste man sich Beschimpfungen anhören oder man wurde gar mit den Zeugen Jehovas verwechselt, erstaunlich oft fanden nette Unterhaltungen über den Gartenzaun statt, und manchmal entstanden ganz tiefe Gespräche, wenn sich die Menschen den Jugendlichen mit ihren Anliegen anvertrauten, wenn sie mit ihnen die Freude am Glauben teilen konnten oder wenn ein gemeinsames Gebet Segen brachte.

Ein Missionarspaar berichtete von der Begegnung mit einer älteren Frau, die zunächst nichts von ihnen wissen wollte, sich aber dann doch auf ein Gespräch einließ. Sie erzählte von ihrem Mann, der vor kurzer Zeit gestorben sei und dass sie gerade an diesem Tag Hochzeitstag habe. Schließlich lud sie die beiden in ihr Haus ein und sie redeten lange miteinander, zum Schluss beteten sie gemeinsam ein Vaterunser. Bei der Verabschiedung meinte die Frau, dass sie sich schon lange nicht mehr so gut unterhalten habe und dass sie glaube, dass der Besuch der beiden Missionare ein Gruß von ihrem Mann gewesen sei - der auch Schwabe gewesen sei wie unverkennbar eine der beiden Jugendlichen.

Eine von den vielen kleinen und großen Begegnungen, die die Misiones so einzigartig und besonders machen und mit denen man ein ganzes Buch füllen könnte.

Sie blieben einfach da nach dem Abendlob

Lichter-Rosenkranz in der PfarrkircheBei den Hausbesuchen luden die Jugendlichen die Menschen auch zu Veranstaltungen in der Pfarrei ein, die sie gestalteten. So boten sie beispielsweise ein buntes Kinderprogramm und eine Jugendnacht am Lagerfeuer mit einem Beziehungs-Workshop an und es fand ein Candlelight-Dinner für Ehepaare statt, bei dem es zu kulinarischen Genüssen anregende Impulse für die Partnerschaft gab. Zudem gestalteten die Jugendlichen täglich ein Abendlob in der Pfarrkirche mit Gebet, Liedern, Kerzen und Tanz. Julia, eine der Mitwirkenden der Abendlobe, erzählt: „Nach dem letzten Lied blieben die Leute einfach sitzen. Wir sagten ihnen, dass das Abendlob vorbei ist und sie gehen können, aber sie blieben da. Also luden wir sie ein, noch gemeinsam zu singen, und so saßen wir in der Kirche und sangen die Lieder, die sie sich wünschten. Sie wollten einfach nicht gehen!"

Eine der begleitenden Schwestern erzählt von einem Mann, der seit Jahrzehnten neben der Kirche wohnt, sie aber zuvor noch nie betreten hatte: „Auf die Frage, ob ihm das Abendlob gefallen habe, hat er nur geweint."

Im AltenheimOb Altenheim oder Schule...

Zu den Aktionen der Jugendlichen gehörte auch ein Besuch im Altenheim, bei dem mit den Gitarren das Repertoire an alten Volksliedern ausgepackt wurde und die jungen Leute ihre Zeit und Herzlichkeit den Senioren schenkten.

Eine andere Gruppe besuchte die Gesamtschule und gestaltete mehrere Religionsstunden, was bei den Schülern auf helle Begeisterung stieß. In den Kleingruppen, die in jeder Klasse gebildet wurden, diskutierten die Kinder mit Feuereifer über Gott, ihren Glauben und die Welt.

Die Taufkapelle der Pfarrkirche: im Gebet verbunden

Vor dem Tabernakel in der PfarrkircheBei all den Aktionen und dem von-Tür-zu-Tür-Gehen in der ganzen Gemeinde gab es einen Ort, an dem sich die Gruppe immer wieder sammelte: Die Taufkapelle der Pfarrkirche war wie ein geistiger Mittelpunkt, liebevoll gestaltet als das Heiligtum der Misiones. Hier trafen sich die Jugendlichen zum Morgengebet vor dem Frühstück und zum Tagesabschluss zu später Abendstunde, von hier aus brachen sie zu den Menschen der Gemeinde auf, ausgerüstet mit einem Impuls für den Tag. Hierher führte auch der erste Weg, wenn sie von den Hausbesuchen zurückkehrten, um alles Erlebte, die besuchten Menschen und deren Anliegen, vor Gott zu bringen. Und von der Taufkapelle aus begleitete immer jemand im Gebet vor dem Allerheiligsten die anderen, die gerade von Tür zu Tür unterwegs waren, genauso wie die unzähligen Menschen in Deutschland und der ganzen Welt, die die ersten Schritte der deutschen Misiones im Gebet trugen.

Gebet in der Taufkapelle An dieser Stelle ein herzliches Vergelt's Gott an jeden, der uns im Gebet unterstützt hat! Zu wissen, dass wir diesen Weg nicht allein gehen, gab uns viel Kraft und Zuversicht.

Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind...

Was wären die Misiones ohne die tiefe Gemeinschaft der Jugendlichen! Nur noch wildes Stimmengewirr war beim Mittagessen zu vernehmen, wenn 22 junge Leute sich von ihren Erlebnissen bei den Hausbesuchen zu erzählen hatten. Der gegenseitige Austausch über die Erfahrungen mit den Menschen gab vor allem auch dann Mut und Kraft, wenn ein Missionspaar niedergeschlagen zurückkam, weil an einem Vormittag alle Türen verschlossen geblieben waren. In allen Situationen war es die ganze Gruppe, die sowohl den „Erfolg" als auch den „Misserfolg" mit trug.

Auch der Spaß in der Gemeinschaft kam nicht zu kurz, wie es sich für Apostel SEINER Freude gehört. Bei den Gemeinschaftsabenden kam es nicht auf ein perfekt geplantes Programm an, sondern darauf, dass jeder seinen kreativen Beitrag brachte. Beispielsweise hatten die Jugendlichen einen Riesenspaß dabei, ein Abendessen bestreiten zu müssen, bei dem die Hände mit denen der Sitznachbarn zusammengebunden waren. Und so waren es die einfachen, gemeinschaftlichen Spiele, die dafür sorgten, dass die Abende meistens länger wurden als geplant.

Ich habe in dieser Woche wieder näher zum Glauben und zu Gott gefunden

MisionerosDie gemeinsame Herausforderung „Misiones" und das eine gemeinsame Ziel, den Glauben neu zu entflammen, formten eine atemberaubende Gemeinschaft, die ansteckend wirkte. Ein Jugendlicher aus Ginsheim, mit dem sich zwei Missionare an der Bushaltestelle unterhalten und den sie zu sich eingeladen hatten, kam jeden Tag vorbei und nahm am internen Programm der Gruppe teil: Gottesdienst, Gemeinschaftsabend, Abendgebet. Trotz all seiner Fragen zum Glauben fühlte er sich pudelwohl in der Gruppe und zog am letzten Tag sogar mit aus, um an den Haustüren zu klingeln und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Beim Abschied meinte er: „Ich habe in dieser Woche wieder näher zum Glauben und zu Gott gefunden. Hoffentlich sehen wir uns alle wieder!"

Ich war Gott noch nie so nah wie in dieser Woche

Was dieser junge Mann in Worte fasste, war auch beim Abschlussgottesdienst am Ende der Woche zu spüren: Dankbarkeit für den Einsatz und das Vorbild der Jugendlichen und neue Begeisterung, die in dieser Woche in die Pfarrei gebracht wurde. Ein Gottesdienstbesucher, der am Sonntag vorher sehr kritisch gefragt hatte, warum man ihn missionieren wolle, er sei doch schon gläubig, meinte am Ende der Misiones: „Hut ab vor dem, was ihr hier getan habt. Das ist eine gute Sache, die bestimmt viele Leute zum Nachdenken gebracht hat. Macht weiter so!"

Ja, es  geht! Misiones 2009 Ginsheim - Fotos: Johanna BeckerStrahlende Gesichter, herzliche Umarmungen und feuchte Augen beim Abschied, das waren die sichtbaren Zeichen für das, was sich in den Herzen der Ginsheimer bewegt hat. Aber nicht nur bei ihnen, auch bei den Misioneros wirkte Gott im Innersten. So meinte ein Jugendlicher im Rückblick auf die Misiones: „Ich war Gott noch nie so nahe wie in dieser Woche."

Aussendung am Urheiligtum

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